Landtag,
33. Sitzung vom 24.06.2010, Wörtliches Protokoll -
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weiß, wovon er nächste Woche
leben soll, ja drei Monate warten kann, bis überhaupt eine Entscheidung kommt.
Wie diese Familien auskommen sollen in der Zwischenzeit, ist mir persönlich schleierhaft.
Ich halte das für falsch. Ich halte das genau genommen konkret für eine
Verschlechterung, dass es jetzt auch so festgehalten ist und das möchten wir
nicht. Wir möchten daher einen Antrag einbringen, der lautet:
„Der Wiener Landtag fordert das zuständige Mitglied der Wiener
Landesregierung auf, eine Novelle des Wiener Mindestsicherungsgesetzes
vorzulegen, mit der die Entscheidungsfrist gemäß § 35 von den vorgesehenen
drei Monaten auf spätestens einen Monat nach Einlangen verkürzt wird.“ Ich meine,
ein Monat Wartezeit ist genug.
Und dann möchte ich noch auf die Kinder zu sprechen kommen. Wie wir
wissen, ist etwa ein Drittel der BezieherInnen von Leistungen aus der
Sozialhilfe minderjährig. Das heißt, das sind Kinder und Jugendliche, die in
einer Familie auf die Welt gekommen sind, die mit finanziellen Schwierigkeiten
konfrontiert sind. Wir haben hier vor wenigen Wochen genau zum Thema
Kinderarmut eine Debatte geführt und genau zum Thema, was zu tun ist, damit man
Kindern und Jugendlichen, die in einer der reichsten Städte der Welt
aufwachsen, die Möglichkeit gibt, einfach basale Leistungen zu genießen, besser
gesagt, einen basalen Standard zu genießen, der für andere Kinder und
Jugendliche selbstverständlich ist, der aber für Familien, die Sozialhilfe
beziehen, alles andere als selbstverständlich ist. Wir haben bereits auch über
jene Höhe diskutiert, die angemessen wäre, wenn es um die Kinder in solchen
Familien geht, und welcher Betrag auch tatsächlich für Kinder und Jugendliche
im Rahmen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung angemessen wäre. Hier ist es
so, dass jener Betrag, der für Kinder und Jugendliche aus Familien, die die
Mindestsicherung beziehen werden, vorgesehen ist, und lassen Sie sich das bitte
auf der Zunge zergehen, 137 EUR im Monat ist! 137 EUR! Und auch hier
möchte ich mit einem anderen Beispiel aus unserem Alltag kommen, von dem ich
meine, dass dieses Beispiel vielleicht die Relation auch klarer begreifen
lässt. Wissen Sie, wie hoch der Betrag ist, der in Österreich als angemessene
Alimente für Kinder festgelegt wird? Meines Wissens müssen es so um die
330 EUR oder 350 EUR für kleine Kinder sein und später dann sind es
über 500 EUR für Jugendliche. Bitte, das ist nicht eine Schätzung von mir.
Das ist eine Schätzung in dem Fall der eigenen Ämter und der Gerichte, die auch
anhand einer Auflistung meinen, dass dies sozusagen der angemessene Betrag ist.
Da wird angeführt, was ein Kind an Betreuungskosten braucht, was für
Freizeitaktivitäten benötigt wird, was für Essen benötigt wird, was für
Kleidung benötigt wird, für Kinderbetreuung, et cetera, et cetera. Und so kommt
man auf diesen Betrag. So. Ich gehe auch davon aus, dass einige der Damen und
Herren, die hier in unserem Haus vertreten sind, auch wissen, dass eigentlich
die Debatte, mit der man immer wieder konfrontiert ist zurecht, dass dieser
Betrag an sich schon kaum ausreicht und dass deshalb zum Beispiel
alleinerziehende Frauen mit zwei Kindern, die in Scheidung leben, trotz
Alimente in Wahrheit mit massiven finanziellen Einschränkungen konfrontiert
sind. Jetzt stellen Sie sich vor, dem gegenüber gestellt den Betrag von
137 EUR, der in diesem Fall im Rahmen der Mindestsicherung zur Verfügung
steht. Wir sagen, das ist entschieden zu wenig, entschieden zu wenig, meine
Damen und Herren! Und auch hier sagen uns Sozialbetreuer und auch die
Armutskonferenz und auch die Caritas und auch all diejenigen, die sich mit der
Thematik seit Jahr und Tag befassen, dass jener Betrag, der mindestens
erforderlich wäre, 285 EUR monatlich wäre. Und genau das möchte ich
hiermit ebenfalls beantragen, unabhängig davon, ob sich der Wiener Landtag dazu
entschließen kann, die Höhe der Mindestsicherung mit 950 EUR festzulegen,
jenen Betrag, der seit Jahr und Tag von den Expertinnen und Experten auf diesem
Gebiet gefordert wird. Dann sollten wir mindestens jenen guten und klugen
Schritt setzen und Kindern und Jugendlichen, die in finanziell schwachen
Haushalten aufwachsen, die Möglichkeit geben, zumindest hier ein Mehr an
Lebensstandard genießen zu können, so wie er für alle anderen Jugendlichen in
dieser Stadt üblich ist. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Damit komme ich auch zum letzten Antrag, den ich
einbringen möchte, der hat etwas zu tun mit dem Prozedere. Ja, ich verstehe es,
und die Geschäftsordnung ermöglicht es auch, dass in Fällen, wo Dringlichkeit
geboten ist, Gesetzesnovellen per Initiativantrag eingebracht werden. Damit
kann man es schaffen, das Begutachtungsverfahren, das ja auch etwas länger
dauert, zu umgehen, und innerhalb von kürzester Zeit zu einem Gesetzesbeschluss
zu kommen. Nur im gegenständlichen Fall kann man wahrlich nicht davon sprechen,
dass wir heute einen Beschluss fassen, von dem wir nicht gewusst hätten, dass
er in diesen Monaten zu fassen sein wird. Noch einmal zur Erinnerung: Seit wie
vielen Jahren wird die Mindestsicherung auf der Bundesebene diskutiert und
vorbereitet? Ich weiß es nicht mehr. Sind es schon vier? Sind es schon fünf?
Diejenigen von Ihnen, die in den Regierungsparteien sitzen, werden es noch eher
wissen. In diesem Fall hat sich ja auch unsere Frau Stadträtin eifrig an der
Entwicklung des vorliegenden Konzepts beteiligt. Das heißt, man hat schon seit
Monaten gewusst, dass die Mindestsicherung, so sie tatsächlich auch mit Anfang
September eingeführt werden soll, irgendwann einmal jetzt, spätestens im
Sommer, im Wiener Landtag zu beschließen sein wird. Und ich frage Sie: Warum
haben Sie das nicht so eingebracht, wie es sich gehören würde, um sowohl den
eigenen Ämtern, als auch den zuständigen NGOs, der Caritas und auch all denjenigen
Expertinnen und Experten, die in diesem Bereich seit vielen Jahren tätig sind,
die Möglichkeit zu geben, eine Stellungnahme abzugeben und im Zuge dieser
Stellungnahme vielleicht auch noch das eine oder
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