Landtag, 13. Sitzung vom 25.05.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 39 von 62
entbehren.
Sie wissen, Herr Kollege - oder wissen es nicht, dann sollten Sie sich aber vielleicht vorher besser informieren -, dass die Immunität der Bundesräte aus der Immunität der Landtagsabgeordneten und diese wiederum aus der Immunität der Nationalräte abgeleitet wird, so wie es in der Bundesverfassung festgelegt ist.
Die Immunität jedes einzelnen Abgeordneten, und zwar die außerberufliche wie die berufliche Immunität, ist eben nicht dispositiv. Also aus einem Verhalten, das Kollege Jenewein gar nicht setzen hätte können, nämlich einem Verzicht auf seine Immunität - darüber hat er nämlich überhaupt keine Disposition - ein Verhalten abzuleiten, ist ziemlich schäbig und auch schändlich. Es würde Ihnen gut anstehen, das zurückzunehmen! (Beifall bei der FPÖ.)
Wie gesagt, auf die anderen Anflüge möchte ich jetzt gar nicht näher eingehen, da sie sich teilweise der Realität komplett entziehen. Ich möchte nur so viel festhalten: Halten auch Sie sich an die Verfassung! Gerieren Sie sich hier als Gesetzgebungsorgan, nicht als Richter, das ist eine andere Staatsgewalt. Überlassen Sie den Richtern die Gerichtsbarkeit, und machen Sie endlich gute Gesetze. (Beifall bei der FPÖ.)
Präsidentin Marianne Klicka: Zum Wort gemeldet ist Herr Abg Stürzenbecher. Ich erteile es ihm.
Abg Dr Kurt Stürzenbecher (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus!
Bevor ich zum Akt spreche, zwei Eingangsbemerkungen: Ich halte es - und ich glaube, auch meine Fraktion - für sehr positiv, dass in der Gastronomiebranche die historisch belasteten Begriffe, die auch gefallen sind, nicht mehr verwendet werden. Das ist ein Fortschritt, das ist richtig so, und wir begrüßen das ausdrücklich. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Als zweite politische Bemerkung, bevor ich zum Akt spreche, drücke ich auch deutlich aus, dass ich die Äußerungen des Herrn Bundesrates Jenewein politisch verurteile und für verwerflich finde, dass wir sie natürlich absolut nicht teilen, sondern es begrüßen würden, wenn solche Äußerungen nicht fallen! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Jetzt spreche ich zum Akt: Beim Akt geht es ausschließlich um eine juristische Sache, und zwar geht es um Folgendes. Herr Pollak von SOS Mitmensch hat eine Privatanklage nach § 115 Strafgesetzbuch, das ist Beleidigung, gegen Herrn Bundesrat Jenewein eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft beziehungsweise das Landesgericht für Strafsachen hat, da es nicht offensichtlich keinen politischen Zusammenhang gibt - das heißt übersetzt: möglicherweise einen politischen Zusammenhang gibt -, das Ersuchen an den Wiener Landtag um Auslieferung des Herrn Jenewein gestellt.
Ich möchte jetzt auch erklären, warum das Immunitätskollegium einstimmig - also auch mit den Stimmen der GRÜNEN, das sei nur erwähnt - beschlossen hat, dass die Verfolgung des vom Landtag gewählten Mitglieds des Bundesrates Hans-Jörg Jenewein zu unterbleiben habe, also wir nicht für eine Auslieferung sind. Es ist eben der Vorgang so - das ist gesetzlich und verfassungsrechtlich so determiniert -, dass, wenn nicht offensichtlich kein Zusammenhang da ist, also möglicherweise ein Zusammenhang da ist, dieses Ersuchen an uns gestellt wird. Und wir haben, zuerst als Immunitätskollegium und dann als Wiener Landtag, ausschließlich zu beurteilen, ob ein politischer Zusammenhang bestehen kann oder nicht besteht.
Ein politischer Zusammenhang ist da, wenn jemand über die Parteipresse zu einem politischen Thema - und dass das ein politisches Thema ist, glaube ich, kann niemand bestreiten - eine Aussendung macht. Es ist eine Auseinandersetzung, die wir im Stil natürlich nicht teilen und verurteilen, aber es ist ein politischer Zusammenhang gegeben. Der Vorredner Akkilic hat ja auch in keiner Silbe bestritten, dass ein politischer Zusammenhang bestehen würde.
Das Immunitätskollegium war also einstimmig der Auffassung: Es besteht ein politischer Zusammenhang! Wenn ein politischer Zusammenhang besteht, dann hat nach Gesetz und Verfassung - und der Rechtsstaat ist das höchste Gut, das wir haben - eine Auslieferung zu unterbleiben. Das ist die Rechtslage.
Man kann mit dieser Rechtslage unzufrieden sein, und es gibt ja auch Bestrebungen auf Bundesebene, beim Verfassungsgesetzgeber, die außerberufliche Immunität abzuschaffen. Wäre das der Fall, dann wäre es etwas anderes, dann würde die Verfolgung stattfinden. Aber die gegebene Rechtslage ist, dass es die außerberufliche Immunität gibt und dass deshalb, wenn dieser Landtag verfassungskonform und gesetzeskonform entscheiden will, nur die Entscheidung möglich ist, nicht auszuliefern.
Eines sei auch hinzugefügt: Es ist damit ein prozessuales Verfolgungshindernis bewirkt. Das heißt, solange Herr Jenewein Bundesrat ist oder anderweitig der Immunität unterliegt, darf er nicht verfolgt werden. Sobald er das Mandat verliert, kann Herr Pollak klagen, und es wird das Gericht feststellen, ob § 115 Strafgesetzbuch, Beleidigung, gegeben ist oder auch nicht. Und die Verjährung wird während dieses Zeitraums der Immunität gehemmt. Es ist das also nur sozusagen ein zeitliches Hinausschieben.
Infolgedessen ist das, glaube ich, durchaus korrekt. Die Immunität dient grundsätzlich dem Schutz der gesetzgebenden Körperschaften. Wir haben sie in unserer Verfassung.
Bei aller Wertschätzung von SOS Mitmensch und seinen Bestrebungen: Das hat damit hier nichts zu tun. Wir haben - wie ich es, glaube ich, jetzt schon plausibel darstellen durfte - ausschließlich diese eine Frage zu entscheiden: Ist ein politischer Zusammenhang gegeben? Dieser ist gegeben, und deshalb empfehle ich, dass wir hier wie das Immunitätskollegium entscheiden. - Danke schön. (Beifall bei SPÖ, GRÜNEN und FPÖ.)
Präsidentin Marianne Klicka: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. Die Frau Berichterstatterin hat das Schlusswort.
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