Landtag, 35. Sitzung vom 27.11.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 19 von 62
recht. Unrecht ist es, dass wir in einem Land leben, wo Jahr für Jahr Flüchtlingskinder in Schubhaft kommen. Unrecht ist es, dass in unserem Land Kinder tagtäglich von Gewalt bedroht sind. 50 Prozent aller Eltern finden eine sogenannte gesunde Watsche, Watschen können nicht gesund sein, als mögliches Erziehungsmittel. Unrecht ist es, dass 234 000 Kinder in Österreich von Armut betroffen sind. Unrecht ist es, dass in Österreich bis zu einem hohen Grad Bildung nicht eine Frage von Leistung oder von Einsatz oder von Interesse ist, sondern Bildungszugänge noch immer vererbt sind. Ich wüsste nicht, welche gesellschaftspolitische Aufgabe wichtiger ist als die Beseitigung solchen Unrechts, denn Kinder sind nicht unsere Zukunft, Kinder sind unsere Gegenwart. Sie sind jetzt schon da. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Deshalb, nach dem Feiern kommt nicht der Kater, nach dem Feiern kommt das Arbeiten, und natürlich gibt es auch in Wien viel zu tun. Ich bin sehr stolz darauf, dass Wien in vielen Bereichen sehr, sehr engagiert ist wie zum Beispiel bei der Umsetzung aller Kinderrechte, bei der Armutsbekämpfung durch die erhöhte Mindestsicherung, durch den beitragsfreien Kindergarten, durch den Kulturpass, den Gratiseintritt in Museen, durch Elternberatung und vieles mehr wie zum Beispiel für unseren Einsatz für Bildung, die allen Kindern gleich zur Verfügung stehen soll durch unseren Einsatz für eine gemeinsame Schule, den Ganztagsschuleausbau, wie zum Beispiel für gewaltfreies Aufwachsen und Kinderschutz und durch eine Jugendwohlfahrt, die österreichweit die besten Standards hat. Bezirksjugend- und Parlamentpartizipationsschwerpunkt in der außerschulischen Jugendarbeit und die Mitsprachemöglichkeiten beim Wohnen sind Beispiele dafür, dass insbesondere das Recht junger Menschen an Mitbestimmungen sie betreffende Belange in Wien sehr ernst genommen wird. Aber auch da gibt es noch einiges zu tun. Ich meine, alleine die Tatsache, dass wir heute eine Aktuelle Stunde zu Kinderrechten haben und Kinder und Jugendliche hier nicht mitreden können, ist ein Grund, dass ich jetzt die letzten 4 Minuten 20 symbolisch Kindern und Jugendlichen schenken möchte. Ich war bei der Enquete im Parlament, da waren Kinder und Jugendliche. Denen möchte ich jetzt einfach die Zeit widmen oder hier auch ihre Beiträge bringen.
Da war zum Beispiel der 16-jährige Rollstuhlfahrer Benjamin Kasper aus Oberösterreich. Der hat erzählt oder hat gefragt, warum er eigentlich in der weiterführenden Schule in den EDV-Zweig gehen musste, obwohl er Medizintechnik viel interessanter gefunden hätte, weil die Werkstatt nicht barrierefrei war. Oder da war der Afghane Mustafa Nori, der mit 16 Jahren nach Österreich geflüchtet ist und bis zu seinem 18. Geburtstag Unterstützung durch eine WG, durch Schule, durch Deutschkurs und Versicherung, et cetera bekommen hat. Der hat gesagt: „Ich habe in Österreich bekommen, was ich in meinem Land nie hatte. Für mich ist Österreich meine Heimat. Ich will Ihnen unbedingt meinen Dank zeigen. Als ich ganz einsam war, hat mir Österreich geholfen und jetzt will ich auch etwas Positives für Österreich machen. Anstelle sich ewig über die vermeintliche Faulheit der Asylwerber zu beklagen, sollten Sie uns ermöglichen, schnell arbeiten zu gehen.“, sagt Mustafa.
Oder zum Thema Gesundheit. Viele Jugendliche haben dort erwähnt, dass Gesundheit nicht nur das Bekämpfen von Krankheiten ist, sondern dass sie ermächtigt und gebildet und unterstützt werden müssen dabei, selber zu erkennen, was gut und was schlecht ist. Jugendliche haben dort zum Beispiel das Pflichtfach Ernährungslehre gefordert, oder dass in der Volksschule das Erlebnis Kochen geübt werden kann. Sie haben aber auch gesagt, dass Schülerinnen und Schüler in Österreich tagtäglich unter enormem Leistungsdruck stehen, wo viele Schülerinnen und Schüler kaputt gehen. Daniel Breglau hat gesagt, dass die Belastung von SchülerInnen Ursache vieler psychischer und physischer Erkrankungen sei. Für ihn wäre es ein Lösungsansatz, die Schulnoten ersatzlos zu streichen und anstatt dessen ein individuelles Leistungsprofil für alle Schüler einzuführen.
Oder da war Natascha Prinz, die daran erinnert hat, dass eine g‘sunde Watsche nie gesund sein kann und dass es nie genug an Information gibt, nie genug an Aufklärungsarbeit bis zu dem Moment, wo jeder merkt, dass das nicht okay ist und dass jede Form von Gewalt Schaden an Kindern hinterlässt.
Oder Muhamat Madomagov. Der hat von Verletzungen von Kindern erzählt, die in Kriegsgebieten aufwachsen müssen. Und er appellierte an uns, über den Tellerrand zu schauen, und an die Teilnehmer der Enquete, sich für Kinder zu engagieren, die mit Todesstrafe, Folter und Missbrauch bedroht werden.
Oder das Thema Schule. Natürlich war das ein großes Thema und die Möglichkeit, dass man in der Schule, sagen wir mal, was Mitbestimmung betrifft, Luft nach oben hat. Politische Bildung als Grundprinzip oder die Ausbildung mündiger BürgerInnen als Pflichtfach, das hat Nikolaus Hofbauer gesagt. Oder Magdalena Trauner hat vorgeschlagen, dass politische Bildung schon in Volksschulklassen als Unterrichtsprinzip Platz haben sollte. Mathias Rudischer hat sich gewünscht, dass eine Stärkung der Schülervertretung dringend notwendig sei, zum Beispiel durch eine gesetzliche Verankerung einer Schülervollversammlung.
Eine andere Jugendliche hat gesagt, dass es schlicht und einfach unfair ist, dass sie so wie alle anderen Kinder in Österreich mit neun eine Entscheidung treffen muss oder eine Entscheidung getroffen wird, ob sie in die Hauptschule oder AHS geht, die so viel für die Zukunft aussagt und vorwegnimmt in einem Alter, wo ganz sicher kein Kind allein diese Entscheidung treffen kann und hat gemeint, das soll doch passieren, wenn Kinder mitreden können und alt genug dafür sind.
Das Fazit über den ganzen Tag, an dem ich im Parlament sein durfte, möchte ich auch einem Jugendlichen nicht in den Mund legen, sondern er legt es mir in den Mund. Ich möchte ihn mit den Sätzen zitieren: „Ich bin der Meinung, dass in Kindern und Jugendlichen sehr viel Potenzial steckt. Dieses kann aber nur genutzt werden, wenn man die entsprechenden Möglichkeiten bietet. Daher ist es besonders wichtig, uns allen eine Stimme zu
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