Landtag, 2. Sitzung vom 17.12.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 53 von 85
2010, an dem dieser Notariatsakt – der natürlich kein Notariatsakt im technischen Sinne ist, aber ein Notariatspakt ist er, ein Pakt ist er auf alle Fälle – zwischen mehreren Fraktionen geschlossen worden ist. Und an diesen Pakt will man sich nicht mehr halten, von diesem Proportionalausgleich will man nichts mehr wissen. (Beifall bei der ÖVP.)
Es stimmt schon, selbst ich konzediere Ihnen, dass Sie am Ende der letzten Periode versucht haben, gemeinsam mit uns Ihre Vorstellungen dazu umzusetzen. Es ist eben nicht gelungen. Aber Sie hätten ja die zweite Chance gehabt. Also Sie haben nicht nur heute die Chance, sondern Sie hatten ja die Chance, es mit Ihrem präsumtiven Koalitionspartner zu verhandeln und zu vereinbaren. Ich verstehe schon das Argument, Sie werden jetzt wieder sagen, ja selbstverständlich, wir sind jetzt in einer Koalition und man muss auf den Koalitionspartner Rücksicht nehmen, und es ist jetzt alles ein bisschen anders, und wir würden ja eh so gerne. – Nein, Sie hatten eine hervorragende zweite Chance. Sie hätten nur das, was Sie den Wählern versprochen haben, in die Koalitionsverhandlungen einbringen müssen und hätten sich durchsetzen müssen. Und wenn Sie sagen, wir können uns da nicht durchsetzen und es ist uns wichtig, dann hätten Sie diese Vereinbarung nicht abschließen dürfen. (Beifall bei der ÖVP.)
Aber ein ganz großer Verlierer ist natürlich auch die SPÖ. Allein, was an jenem 27. März dieses Jahres passiert ist, spottet jeder Beschreibung. Kollege Kowarik hat von einer haarsträubenden Debatte schon im Vorfeld gesprochen, als man uns allen Ernstes klar machen wollte, dass 51 von 100 Abgeordneten kein einfaches Gesetz beschließen können. Man hat gemeint, es braucht eine doppelte Mehrheit, nicht nur die 51 im Landtag, auch im Ausschuss. Die Stadträtin könnte blockieren, wenn die Stadträtin keinen Bericht abgibt, dann geht die Initiative nicht weiter in den Landtag, ein Zusatzantrag darf nicht gestellt werden zur Gemeindewahlordnung. All das hat man letztendlich selber nicht geglaubt und hat sich dann für die sichere Variante entschieden, nämlich einen grünen Abgeordneten zu kapern. Ich scheue mich überhaupt nicht, dieses Wort in den Mund zu nehmen, denn ich kann einen Zeugen dafür aus der Regierungsfraktion namhaft machen. Der Herr Kollege Niedermühlbichler sitzt nicht weit von mir entfernt. Er hat am 16. April dieses Jahres gegenüber dem „Kurier“ gesagt: „Warum haben wir das so gemacht? Mit der Wahlrechtsreform hätte man auf einen Schlag vier Mandate verloren. Wenn Akkilic auf einem sicheren Listenplatz bei der Wahl antritt, bleiben noch immer drei gerettete Mandate über. Das ist eine einfache Rechenaufgabe, sagt Niedermühlbichler.“ – Zitat Ende. (Beifall bei der ÖVP.)
Das ist wirklich eine einfache Rechenaufgabe, und es ist mir auch relativ einfach der Nachweis gelungen, wie Sie sich verhalten haben, worum es Ihnen gegangen ist, nämlich ausschließlich darum, dass Sie lediglich ein Mandat verlieren. Letztendlich haben Sie sich dann gedacht, Sie wollen nicht einmal dieses verlieren, daher auch wortbrüchig gegenüber Akkilic und geben ihm das versprochene Mandat nicht; umso besser, hätten Sie vier Mandate und gar keines verloren. Letztendlich verlieren Sie jetzt aber doppelt, denn jetzt verlieren Sie zwei Mandate, sehr geehrte Damen und Herren, wenn Sie jetzt dieser Halbierung dieses mehrheitsfördernden Elements zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)
Mit dieser Novelle ist es nach wie vor so, dass die Mandate recht deutlich unterschiedlich teuer sind, denn auch mit dieser Novelle kostet die SPÖ ab sofort ein Mandat bei diesem Wahlergebnis, wenn ich das jetzt beispielhaft heranziehe, ein Mandat 7.852 Stimmen, die Grünen allerdings 8.966 Stimmen. Das ist eine Differenz von über 1.000 Stimmen pro Mandat. Das ist schon beachtlich. Man hat verloren, man hat letztendlich diese zwei Mandate doch nachgeben müssen. Das Ganze ist gegangen auf Kosten der Stadtverfassung und der Gemeindewahlordnung.
Das erinnert mich ein bisschen an die Debatte, die wir auch beim Stadtrechnungshof hatten, wo die SPÖ-Fraktion allen Ernstes schon drauf und dran war, zu sagen, ja, wir reformieren das Kontrollamt und machen einen Stadtrechnungshof daraus. Aber wenn es keine Zweidrittelmehrheit gibt, bleibt an der Spitze ein Kontrollamtsdirektor bestehen. Von diesem Stadtrechnungshof konnten wir dann in letzter Sekunde dank des Einsatzes des Kollegen Juraczka noch abwenden. Aber eine ähnlich peinliche, weil willkürliche Regelung haben wir, wenn wir in das Gesetz jetzt ganz einfach hineinschreiben, dass bei der Ermittlung der Grundmandate zu den Mandaten der Summand 0,5 zu addieren ist. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Prof. Harry Kopietz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abg. Dr. Kickert. – Bitte, Frau Abgeordnete.
In der Zwischenzeit darf ich noch bekannt geben, dass Frau Abg. Schütz ab 17 Uhr entschuldigt ist.
Abg. Dr. Jennifer Kickert (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Landesrat!
Bevor ich auf die beiden Aspekte eingehe, die mich an dieser Novellierung am meisten interessieren, nämlich die Resolutionen zur Ermöglichung der Änderung des Wahlrechts auf landesgesetzlicher Ebene für EU-BürgerInnen und Drittstaatsangehörige, möchte ich noch kurz auf meine VorrednerInnen eingehen beziehungsweise auf die Verwirrungen zu unterschiedlichen Vorhaben beziehungsweise Arbeitsgruppen.
Was wir vor haben, ist tatsächlich die Weiterentwicklung der Demokratie. Und nein, da denken wir nicht nur an eine interfraktionelle Arbeitsgruppe, sondern schon an einen etwas größeren Prozess der Einbindung interessierter Gruppen und der Zivilgesellschaft, angerissen im Regierungsübereinkommen auf Seite 131. Das halte ich für wesentlich.
Nein, es ist keine interfraktionelle Arbeitsgruppe, sondern tatsächlich ähnlich der Enquete auf Bundesebene, die aber nur im Nationalrat stattgefunden hat; ausgehend von einer Enquete tatsächlich mehrere Runde Tische zu mehreren Themenbereichen. So ist auch die Antwort der Landesrätin heute bei der Fragestunde zu verstehen.
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