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Landtag, 36. Sitzung vom 15.01.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 25 von 26

 

haben und auch in letzten Tagen sehr oft zu Recht gesagt worden ist, dass das ein Angriff auf die französische Demokratie und Republik ist: Da ist auch immer wieder gesagt worden, dass Frankreich sozusagen die Geburtsstunde der modernen Demokratie ist, des Rechtsstaates, der Menschrechte. Die Menschenrechte wurden in Frankreich 1789 verkündet und Frankreich hat bis zu einem gewissen Grad in der demokratischen Entwicklung immer eine Vorreiterrolle gehabt. Was hat Frankreich für ein Wahlrecht? Ein Mehrheitswahlrecht. Die 577 Abgeordneten der Assemblée nationale werden mit Mehrheitswahlrecht gewählt und niemand würde auf die Idee kommen, dass die Französische Republik nicht demokratisch ist. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Genauso, was den Parlamentarismus betrifft, ist Großbritannien die älteste europäische Demokratie. (Abg Mag Dietbert Kowarik: Griechenland!) Und dann gibt es Griechenland, das vorgeschichtliche ist ein eigenes Kapitel. Großbritannien hatte schon vor Jahrhunderten ein parlamentarisches System, wie wir in Österreich das leider nicht hatten. Die Habsburger wollten es nicht und wir waren da leider immer ein bissel hinten nach. Großbritannien hat natürlich ein Mehrheitswahlrecht, ein noch deutlicheres als Frankreich, und niemand würde auf die Idee kommen zu sagen, das ist kein demokratisches Parlament oder die in Westminster sitzen, sind nicht legitimiert oder so irgendwas. Niemand würde auf diese Idee kommen. Die USA haben genauso ein Mehrheitswahlrecht. Und, um es abzukürzen, Italien, Spanien, Griechenland, Ungarn haben ein Proportionalwahlrecht mit sehr deutlichen mehrheitsfördernden Elementen.

 

Deutschland und Österreich und beispielsweise auch unser Wiener Wahlrecht haben ein Proportionalwahlrecht mit geringfügig mehrheitsfördernden Elementen, in Deutschland beispielsweise durch die Überhangmandate und bei uns durch die Faktoren, die Kollege Ellensohn aufgezählt hat, am stärksten die 5-Prozent-Klausel und dann dieser geringe mehrheitsfördernde Charakter.

 

Aber jedenfalls zu sagen, das Wahlrecht wäre undemokratisch oder ungerecht, ist einfach absurd - das hat aber auch der Kollege Aigner heute fairerweise gesagt -, sondern es ist so, dass wir innerhalb der mehrheitsfördernden Elemente vom Wahlrecht noch ziemlich dort sind, wo das Proportionalwahlrecht sehr deutlich durchgesetzt worden ist. Es ist das Wahlrecht, das wir jetzt haben, voll demokratisch und fair und wir werden uns bemühen, noch weitere Veränderungen und Verbesserungen in anderen Bereichen auch durchzusetzen. Aber das mit den Stimmen „nicht gleich viel wert“ würde ja nur dann der Fall sein, wenn wir zum Beispiel so ein Wahlrecht hätten, wie es auch in Österreich bis 1970 auf Nationalratsebene war, dass die zweitstärkste Partei am meisten Mandate hatte. Das war 1953 und 59 im Nationalrat der Fall. Die ÖVP hat die zweitmeisten Stimmen gehabt, aber am meisten Mandate. Das war ein ungerechtes Wahlrecht, das würde ich durchaus sagen. In Wien ist es so, dass die stärkste Partei - und da werden bei jeder Wahl die Karten neu gemischt, und bei jeder Wahl haben die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit zu entscheiden, wer stärkste Partei (Aufregung bei Abg Mag Wolfgang Jung.) wird. Es ist eben so, dass bei 4 Wahlen in der Ersten Republik und bei 15 Wahlen in der Zweiten Republik die Wienerinnen und Wiener jedes Mal so gewählt haben, dass die SPÖ am meisten Stimmen hatte. Und das ist kein Zufall (Abg Mag Wolfgang Jung: Hatte! Hatte!), sondern die Politik der SPÖ hat immer dieses Vertrauen gerechtfertigt, und so wird es auch bei der nächsten Wahl aller Voraussicht nach sein. Deshalb ist es so, dass nicht das Wahlrecht dazu geführt hat, dass die SPÖ stärkste Partei ist, sondern dass die SPÖ stärkste Partei ist, war immer so, weil sie am meisten das Vertrauen der Wienerinnen und Wiener hatte. Das sei Ihnen einmal ins Stammbuch geschrieben! (Beifall bei der SPÖ. – Abg Mag Dietbert Kowarik: Darum geht es ja nicht!)

 

Es ist von unserem grünen Koalitionspartner insofern auch vollkommen falsch zu sagen, die grünen Stimmen sind weniger wert als die freiheitlichen. Wenn beispielsweise (Abg Mag Wolfgang Jung: Das hat ja die Vassilakou gesagt!) die Freiheitlichen 7 Prozent verlieren und sie 7 Prozent dazugewinnen, unsere geschätzten Koalitionspartner, dann wäre das schon pari. Also es entscheiden die Wählerinnen und Wähler, wer hier von diesem System ohnehin nur sehr geringfügig profitiert. Da ist es eben so, dass ein geringer mehrheitsfördernder Effekt für die Parteien da ist, die mehr Vertrauen beim Wähler haben und sozusagen mehr bei den Grundmandaten. Aber trotzdem, wir haben uns dazu bekannt, wir handeln ein faires Verhältniswahlrecht, ein modernes Verhältniswahlrecht aus, und da sind wir gut in der Diskussion und das werden wir schaffen. Es ist an sich für den Gang der Geschichte und für das Leben der Menschen in Wien relativ irrelevant, ob man das jetzt bis 2012 beschlossen hätte oder ob man das relativ knapp vor der nächsten Wahl macht. Es ändert sich daran überhaupt nichts. Trotzdem sind wir dafür, dass man das jetzt bald und zügig abschließt (Abg Mag Dietbert Kowarik: Zügig! – Abg Mag Wolfgang Jung: Ja, zügig!). Ich meine, dass man natürlich die anderen Dinge auch mitbeschließt, das ist schon gesagt worden: Die Wahlausschließungsgründe müssen wir aus Verfassungsgründen machen, auch das Briefwahlrecht und die Fristen wollen wir ändern, und wir wollen bei den Vorzugsstimmen Verbesserungen schaffen. Und ohne mich jetzt zu viel zu wiederholen, schiene es mir auch wichtiger, dass wir für die EU-Bürger endlich auch ein Wahlrecht auf Landtagsebene schaffen. Das geht nur mit dem Bundesverfassungsgesetzgeber.

 

Dass man für die Drittstaatsangehörigen endlich ein Wahlrecht auf Bezirksebene schafft, geht nur mit dem Bundesverfassungsgesetzgeber. Dass man alle Lebensbereiche mit Demokratie durchflutet, wie das die Sozialdemokratie in ihrer gesamten Geschichte gemacht hat, dass man auch im Bereich der Mietermitbestimmung was schafft, dass man Studenten und Schüler und Betriebsräte mitbestimmen lässt, das sind auch wichtige Formen der Demokratie. Dass man die Bürgerbeteiligung ausbaut und dass man auf allen Ebenen mehr Demokratie schafft, das ist wichtig. Das sind die wirklich großen Themen auch der Zukunft, auch Demokratie über die

 

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