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Landtag, 28. Sitzung vom 05.10.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 23 von 28

 

bekommen werden. Es geht darum, die Zukunft dieser Stadt zu bilden, das heißt, unsere Kinder zu bilden. (Abg. Mag. Dietbert Kowarik: Fangt einmal an damit!) In diesem Sinne bitte ich auch um Zustimmung zu unserem Antrag. Danke schön. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Präsident Dipl.-Ing. Martin Margulies: Herr Abg. Ornig, Sie sind der Nächste. Bitte sehr.

 

11.15.44

Abg. Markus Ornig, MBA (NEOS)|: Vielen Dank, Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

 

Die Diskussion neigt sich dem Ende zu, und ich möchte hier ein Thema ansprechen, das ich so ein bisschen immer als Stiefkind bezeichne in der Bildungsdiskussion, nämlich das gesamte Thema der Lehre. Die Lehre hat ja, ich glaube, da sind wir uns alle einig, ein extrem großes Potenzial, vor allem in Zeiten, wo wir eine doch auch sehr hohe Arbeitslosenrate bei den weniger gebildeten Menschen in dieser Stadt haben. Ich bin auch der Meinung, dass Fachkräfte im Allgemeinen eine wichtige Säule unserer Gesellschaft sind. Da wird aber immer ein bisschen die Verantwortung so hin- und hergeschoben. Wer ist denn eigentlich für die Lehrlingsausbildung zuständig? Sind das die Betriebe? Sind das die Schulen? Sind das die Berufsschulen? Ist es das Polytechnikum, oder wo wird eigentlich die Entscheidung getroffen, wohin es mit den Lehrlingen in Österreich gehen soll?

 

Ich versuche, hier einige Ideen dazu einzubringen, wie wir hier auch als Stadt Wien in dem Bereich vielleicht handeln könnten. Wir haben, wie schon gesagt, einen enormen Fachkräftemangel in Österreich. Harald Mahrer spricht von insgesamt 162.000 Personen, die hier am Arbeitsmarkt gesucht werden. Bereits 87 Prozent der österreichischen Unternehmerinnen und Unternehmer sagen: Wir spüren das, wir finden keine Mitarbeiter mehr, die eine gute Fachausbildung haben. Ich finde das gut, dass sich die Wirtschaftskammer dieser Thematik widmet und dem mehr Aufmerksamkeit schenkt. Andererseits ist es schade, denn die Ideen, die bis jetzt hier am Tisch liegen, sind so ein bisschen halb gar, würde ich einmal sagen, und keiner weiß so recht, wohin mit dem Thema.

 

Was wir fix wissen, ist, dass die Bundesregierung Asylwerber, die eine Lehre machen, abschiebt, anstatt Lösungen zu erarbeiten, um hier auch die Wirtschaft durchaus pragmatisch zu unterstützen. Hier gibt es ja auch zwischen der ÖVP und ihrem Wirtschaftsbund große Unterschiede, was eigentlich fast ein Unikum ist, muss man sagen. Aber ich halte den Zugang für völlig falsch. Wir NEOS haben ja hier 2013 schon sinnvolle Maßnahmen gefordert, indem wir zum Beispiel gesagt haben, es braucht dringend eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte oder die Einführung eines 3+2-Modells nach deutschem Vorbild, einem sehr erfolgreichen 3+2-Gesetz. (Beifall bei den NEOS. - Abg. Blind: Nicht machbar, die Forderung!)

 

Aber zurück zur Kernfrage: Warum möchten junge Menschen keinen Lehrberuf mehr ergreifen, und warum haben wir einen Fachkräftemangel? Der Fachkräftemangel beschränkt sich natürlich nicht nur auf die Lehrberufe, aber dort ist das Problem am größten. Wir wissen, dass die Lehre in Österreich kein sehr hohes Ansehen genießt, immer weniger Jugendliche den Lehrberuf ergreifen wollen und auch die Anzahl der ausbildenden Betriebe kontinuierlich sinkt. Vereinfacht gesagt, ist die Lehre in Österreich unattraktiv.

 

Jetzt kann man auch sagen, das ist vielleicht ein Generationenthema. Leute in meinem Alter, irgendwo zwischen 35 und 45, werden wahrscheinlich von ihren Eltern immer gehört haben: Du musst studieren, mach eine Matura, damit etwas wird aus dir. Das ist auch ein Thema, das wir in dieser Generation immer schon geglaubt haben: Du musst studieren, um es tatsächlich zu etwas zu bringen.

 

Was ich derzeit in der Gesellschaft sehe, ist ein komplett anderes Bild. Handwerker haben tatsächlich einen goldenen Boden. Jemand von Ihnen, der schon einmal eine Wohnung renoviert hat, weiß, wie schwierig es ist, Handwerker im zeitlichen Rahmen überhaupt zu kriegen, die Zeit haben, weil sie mit Aufträgen überfüllt sind. Das sind sehr erfolgreiche Unternehmer, die sehr, sehr gute Leute ausbilden, aber es werden immer weniger. Diesen Zugang halte ich für falsch. Wir haben hier, glaube ich, im Kern die Aufgabe, dieses Ansehen zu erhöhen und auch mehr Möglichkeiten in der Lehrlingsausbildung zu bilden.

 

Da möchte ich kurz eine Idee ansprechen, da spreche ich von einem modularen System. Das bedeutet, mit einem modularen System könnte man garantieren, dass genau zum Lehrberuf passende Inhalte besser vermittelt werden. Wenn jetzt zum Beispiel im Rahmen einer Lehre der Lehrling draufkommt, er würde gerne den Beruf wechseln, müsste er nur gewisse Module nachholen und nicht wieder bei null anfangen mit der Lehrlingsausbildung beziehungsweise der Berufsschule. Dieses modulare System sollte alle fünf Jahre von Experten aus der Wirtschaft hinterfragt und evaluiert werden. (Beifall bei den NEOS.)

 

Zudem braucht es eine bessere Weiterbildungsmöglichkeit. Die Lehre mit Matura und Vorbereitungsmodule für die Gründung von Unternehmen sind derzeit leider noch Randerscheinungen. Ich halte es für extrem wichtig, hier auch Entrepreneurship schon ein bisschen mehr in Berufsschulen, aber natürlich auch ins Polytechnikum mit einzubauen. Man sagt, es braucht ja Mut, ein Unternehmen zu gründen, und einem Lehrling oder vor allem einem sehr jungen Menschen wird ja sehr oft vermittelt: Na ja, du bist ein Lehrling, du kannst das ja nicht. Ich sehe das aber genau anders. In Wirklichkeit sind diese Menschen die Arbeitgeber der Zukunft, und diese Menschen muss man auch motivieren, nach abgeschlossener Lehre ein Unternehmen zu gründen.

 

Wir brauchen natürlich eine Steigerung der Qualität in den Berufsschulen, das wissen wir, das ist ein Riesenproblem, da muss man ansetzen, und es braucht auch eine Vereinfachung der rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Anstellung von Lehrlingen und eine Erneuerung der Ausbildungsverordnungen. Wir alle oder jeder Unternehmer hier im Raum weiß: Es ist gar nicht so einfach, einen Lehrling anzustellen, da muss man sehr, sehr viel erfüllen, und das ist nicht immer machbar.

 

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