Landtag, 30. Sitzung vom 22.11.2018, Wörtliches Protokoll - Seite 36 von 98
Wir wissen aus Anfragebeantwortungen, dass diese §§ 22 bis 34, gut ein Zehntel der Bauordnung, in den letzten fünf Jahrzehnten, also einem halbem Jahrhundert, insgesamt fünf Mal angewandt worden sind, das ist ein Anwendungsfall pro Jahrzehnt. Alleine dafür, dass es hier im Gesetz steht, brauchen Sie aber Beamte, die das lernen müssen, brauchen Sie Beamte, die das in ihrer Postenbeschreibung stehen haben. Auch das verursacht stehende Kosten für nichts. Das wäre eine mögliche Deregulierungsmaßnahme.
Oder zum Beispiel der Ausbau der Nachbarrechte bei Hochhäusern, auch das ist ein lang gehegter Vorschlag. (Der Redner hält ein Messgerät in die Höhe, mit dem er den Sitzungssaal vermisst.) Ich habe hier in meiner Hand ein sogenanntes Laserentfernungsmessgerät und möchte Ihnen hier nur ein Beispiel aus der aktuellen Bauordnung zeigen. Wenn ich hier vom Rednerpult nach hinten visiere, dann haben Sie so ein leichtes rotes Aufflackern über den grünen Köpfen, also eh wie immer. Dann habe ich hier eine Entfernung von 12 m von hier aus. In die Gegenrichtung wird es vermutlich genauso weit sein, schauen wir einmal ganz kurz: Jawohl, 12,0 m geradeaus, das heißt, die Saallänge hier sind in Summe 24 m.
Warum sage ich das? - Einfach ein plastisches Beispiel, 24 m ist dieser Saal lang. Wie weit ist der maximale Abstand in Wien, um Nachbarrechte geltend zu machen? Raten Sie! Wie weit dürfen Sie gerade noch weg sein, damit Sie Ihr Nachbarrecht geltend machen? - 20 m sind es in Wien, und zwar quer durch alle Bauklassen. Das mag im Einfamilienhaus wunderbar sein, aber stellen Sie sich vor, da hinten, hinter dem grünen Klub kommt einer auf die Idee und baut ein Hochhaus, 80 m hoch. Manfred Juraczka, da in der vorletzten Reihe kann schon keinen Einspruch mehr machen, weil er nämlich mehr als 20 m entfernt ist. Alleine diese Saalentfernung hier ist schon zu weit, um ein Hochhausprojekt überhaupt noch beeinspruchen zu können. Wenn da jemand aus der Seitentür hier links herauskommt, weil rechts jemand ein Hochhaus baut, dann kann es schon nicht mehr beeinsprucht werden. Das ist das Bürgerrecht in Wien, wenn es um Bauprojekte geht, und diese Bürgerrechte werden durch die aktuelle Novelle weiter beschnitten.
Auch hier wieder ein kurzes Beispiel dazu, der Herr Kollege Ulm hat es vorher schon erwähnt: Es gibt Nachbarrechte, die werden in der Bauordnung im § 134a beschrieben. Alleine diese Nachbarrechte werden deutlich zurückgenommen. In Zukunft wird in dem ohnehin sehr engen Katalog der Nachbarrechte das Wort ausdrücklich eingeführt, und zwar an einer Stelle, wo aufgezählt ist, wann man denn Nachbarrechte hat. Nachbarrechte hat man nur, wenn … Dann gibt es ein paar Punkte, zum Beispiel, wenn man Emissionen einhält, wenn man Lichteinfallsbestimmungen einhält. In Zukunft wird dort stehen: Nachbarrechte hat man ausdrücklich nur, wenn … Damit fallen nämlich alle anderen Bestimmungen, die Kollege Ulm schon genannt hat, wo sich an anderen Paragraphen vielleicht auch noch Nachbarrechte konstruieren lassen und heute auch immer wieder von den Gerichten anerkannt werden, in Zukunft alle weg, Brandschutz und Ähnliches. Die Nachbarrechte werden mit dieser Bauordnung beschnitten.
Wenn Sie uns erklären, dass die Nachbarrechte angeblich gestärkt werden - das habe ich heute auch schon gehört, in der Bauklasse I soll es das Bauen leichter machen -, dann darf ich Sie auch anhand eines ganz konkreten Beispiels eines Besseren belehren, wieder typisch für die Mogelpackung. Es wird ein neuer § 70b eingeführt für sogenannte Baubewilligungsverfahren für Bauwerke kleineren Umfanges. Erklärt wird das dadurch, dass man sagt, dort, wo viele Gartenhäuser stehen, in Bauklasse I-Gebieten, da soll es in Zukunft viel leichter sein zu bauen. Da steht hier im neuen Gesetz, das gibt es bisher nicht: „Bei Bauvorhaben im Gartensiedlungsgebiet sowie Bauvorhaben in der Bauklasse I mit einer bebauten Fläche von höchstens 150 m² sind der Behörde nur vorzulegen“ - und dann kommt einen Liste an sehr einfachen Maßnahmen, mit der sie schon ihre Baubewilligung bekommen, unter anderem brauchen sie auch keine mühsame Bauverhandlung mehr unmittelbar in der Nachbarschaft, sondern wenn jemand ein Problem hat, muss er extra zur Baupolizei gehen.
Sie sagen, es ist eine Verwaltungsvereinfachung, gerade die kleinen Häuslbauer sollen dadurch entlastet werden. Spielen wir es durch, bei Bauvorhaben in der Bauklasse I mit einer bebauten Fläche von höchstens 150 m²: Was ist eine bebaute Fläche? - Da liegt nämlich jetzt der Hund begraben. Bebaute Fläche ist die Projektionsfläche, das heißt, wenn Sie von oben auf das Haus draufsehen, die maximale Ausdehnung aller Mauern. Das ist, wenn Sie so wollen, die Erdgeschoßfläche bei einer bebauten Fläche von 150 m², bis dahin bekommen Sie ein erleichtertes Verfahren. Wie hoch ist die Bauklasse I? - 2,50 bis 9 m. Da können wir vielleicht einmal ein Seminar dazu machen. Bei 9 m Bauhöhe kommen Sie, wenn Sie es dann durchrechnen, abzüglich der Mauerwerke, et cetera auf eine Wohnfläche von über 400 m², die Sie da noch hinstellen können. Jetzt frage ich Sie: Welcher private Häuslbauer, der angeblich hier so erleichtert werden soll, baut ernsthaft 400 m² Wohnfläche für sich, plus Keller, der kommt dann noch extra dazu? Wie viele Leute kennen Sie, die das machen? Während Sie nämlich auf der anderen Seite die Wohnungsgröße zuerst einmal auf 25 m² reduzieren wollten? Wie viele private Personen kennen Sie, die 400 m² Wohnfläche haben? - Ich muss gestehen, ich kenne keinen Einzigen. Vielleicht gibt es sie, ich kenne keinen.
Tatsächlich erleichtern Sie mit dieser Bestimmung ganz maßgeblich das Bauen in der Bauklasse I und in Gartensiedlungsgebieten, aber genauso, wie wir es in den letzten Wochen und Monaten auch in den Zeitungen gelesen haben. Das sind dann nämlich genau die Bauträger, die sich auf die Gartensiedlungen spezialisiert haben, die sich auf Gebiete spezialisiert haben, wo derzeit eben kleine Häuser stehen und dort dann die Bauklasse exzessiv bis auf den letzten Quadratmillimeter ausnutzen. Das sind genau die sogenannten Monsterbauten, von denen die Zeitungen schreiben, entlang der Alten Donau und in anderen Bereichen. Die werden in Zukunft massive Erleichterungen haben, die werden die Nachbarn nicht mehr so ohne Weiteres fragen müssen,
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