«  1  »

 

Landtag, 33. Sitzung vom 19.12.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 9 von 46

 

oder andere skandinavische Stadt, die hier vergleichbar wäre, aber die Stadt Wien ist da schon etwas sehr Besonderes. Also ich möchte Lob und Dank aussprechen, auch an all die Fraktionen, die daran mitgearbeitet haben, natürlich ganz zentral die Sozialdemokratie, meine Kollegen und Kolleginnen von den GRÜNEN, aber auch die Österreichische Volkspartei hat ja hier in dieser Stadt mitgearbeitet. Sie haben eine phantastische Stadt! Lassen Sie sich das nicht schlechtreden, insbesondere nicht von Leuten, die nichts dazu beigetragen haben, dass diese Stadt heute so aussieht, wie sie aussieht! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Anschließend ein wenig an Kollegen Karas, den ich sehr schätze, der ein aufrechter Europäer und ein Kämpfer für die europäische Idee ist - da haben wir sehr viel gemeinsam -: Ich möchte mich auf europäische Gesetzgebung, die gerade unterwegs ist, beziehen. Wir haben ja gehört, es gibt eine Regulierung zu Einwegplastik, zumindest in jenen Bereichen, in denen es bereits Alternativen dazu gibt. Es gab heute Nacht auch einen Kompromiss zur Kohle - darauf komme ich später noch zu sprechen.

 

Oft hört man: Ja, die Europäische Union, die reguliert alles! Bis ins kleinste Detail greift die Europäische Union in unser Leben ein! Und was wollen sie denn noch alles regulieren? Wie viel Kaffee ich zum Frühstück trinken darf, oder was? - Und die Debatte, die ich häufig erlebe, betrifft die Frage: Wie bekommen wir Veränderung in unserer Gesellschaft zusammen? Es gibt Vertreter und Vertreterinnen der Politik, die sagen: Jeder einzelne Konsument, jede Konsumentin treffen jeden Tag mit ihrer Kaufentscheidung eine politische Entscheidung, und die Leute werden es schon richten, die sollen nur einfach das Richtige kaufen! - Ich unterstütze als Biobauer und Direktvermarkter selbstverständlich Konsumenten und Konsumentinnen, die sich überlegen: Wo kommt mein Produkt her, und wem gebe ich mein Geld? Nur: Dass wir von der Seite der Politik her versuchen, diese Entscheidungen und diese Verantwortung auf das Individuum abzuwälzen, halte ich für einen verkehrten Weg.

 

Es braucht politische Regulierungen und politische Regelungen für die großen Zusammenhänge, für die Regeln, unter denen unser Leben tagtäglich abläuft. Ein konkretes Beispiel: Eine Aktiengesellschaft beziehungsweise ein Vorsitzender einer Aktiengesellschaft ist per Gesetz dazu verpflichtet, den Gewinn seines Unternehmens zu maximieren. Er ist deshalb dazu verpflichtet, weil er ja Aktienbesitzer, Mitteilhaber, Mitteilhaberinnen hat, die ein Recht darauf haben, dass ihre Investition möglichst gut eingesetzt wird, um Gewinne zu erzeugen. - Nachvollziehbar. Also wie glauben Sie, dass ein Unternehmen, selbst wenn es einen persönlich verantwortungsbewussten Vorsitzenden hat, hier zum Wohle der Bevölkerung, zum Wohle der Umwelt, zum Wohle des Sozialen Handlungen setzen kann, wenn dieser Vorsitzende auf der anderen Seite vor dem Richter sitzt, wenn ihm nachgewiesen werden kann, dass er nicht alles getan hat, um Gewinne zu maximieren?

 

Ich finde, das ist ein gutes Beispiel dafür, dass es klare Regeln, klare Rahmenbedingungen für alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen an unserer Gesellschaft braucht, die alle einzuhalten haben, und dass es keine Lösung darstellt, die Verantwortung für die Entwicklung in der Zukunft auf das Individuum abzuwälzen. Es ist beides: Wir brauchen Regeln, wir brauchen Regulierungen, und wir müssen an die Verantwortung und Verantwortlichkeit der einzelnen Bürgerinnen und Bürger appellieren, und das in einem gleichen Ausmaß. Ich glaube, ich laufe hier offene Türen ein, immerhin im Wiener Landtag. Ich glaube, Sie beschäftigen sich auch eine Menge mit Regeln und Regulierungen. Ich weiß nicht, ob Sie diese Debatte hier haben, aber wenn Sie diese haben, dann hier mein Beitrag.

 

Zum Europäischen Parlament: Es wurde hier von meinem Vorredner, dem Herrn Amtsführenden Stadtrat, die EU angesprochen. Herr Stadtrat, ich weiß nicht, wen Sie mit „die EU“ meinen. Ich bin hier ein Vertreter des Europäischen Parlaments. Ich wurde von Tausenden, Zehntausenden von Leuten gewählt. Formal repräsentiere ich ungefähr 250.000 Bürger und Bürgerinnen. Wenn Sie unsere Entscheidungen und unsere Entscheidungsfindung im Europäischen Parlament ansehen, dann würde das möglicherweise sehr viel näher dem kommen, was Sie von einer europäischen Politik erwarten. Wer ist Brüssel? Ist Brüssel die Kommission? Ich erlebe die Kommission, auch wenn ich politisch oft unterschiedlicher Meinung bin, als bemüht im Versuch, hier Brücken zu bauen, bemüht im Versuch, gemeinsames europäisches Interesse zusammenzubringen. Ich bin nicht immer zufrieden mit der Leistung, aber ich anerkenne das.

 

Das Problem, das wir in Brüssel haben, ist nicht Brüssel, sondern das sind nationale Regierungen, die in ihrem nationalen Schrebergarten kurzfristige nationale Interessen vertreten und die bereit sind, das gemeinsame europäische Interesse für diese kurzfristigen nationalen Interessen zu opfern, zu torpedieren. Das ist das Brüssel, mit dem wir ein Problem haben! Das findet meistens nicht in Brüssel statt, sondern in den Regierungskanzleien einzelner nationaler Staaten, und das bildet sich dann auch in der Forderung von Othmar Karas ab, in vielen Entscheidungsfindungen zu Mehrheitsentscheidungen überzugehen und weg von einem Vetorecht. Ich weiß nicht, ob wir wirklich der Meinung sind, dass eine Insel wie Malta oder ein kleiner Staat wie Luxemburg den Prozess einer gemeinsamen europäischen Entwicklung nachhaltig behindern können sollte. Ich glaube nicht. Und auch wenn man sagt, die kleinen Staaten müssen entsprechend gut vertreten sein: Ich weiß nicht, ob Ihnen das bewusst ist, aber wenn ein Österreicher oder eine Österreicherin eine Stimme zur Europawahl abgibt, dann wiegt diese Stimme doppelt so schwer wie die einer bundesdeutschen Mitbürgerin oder eines bundesdeutschen Mitbürgers. Das geht bis hin zu einer mehrfachen Wertigkeit einer einzelnen Stimme. Also dass die kleinen Staaten in der Europäischen Union stark vertreten sein sollen und stark vertreten sind, ich glaube, daran besteht kein Zweifel - ich halte das auch für richtig. Nur: Dass einzelne Regierungen das gemeinsame europäische Projekt blockieren können, diesen

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular