«  1  »

 

Landtag, 42. Sitzung vom 28.01.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 50 von 72

 

im Europaparlament erfolgte auf Grundlage eines Berichts einer Abgeordneten der niederländischen GRÜNEN und ist ungenügend, weil er sehr hohe Hürden vorsieht. Dieses Art. 7-Verfahren braucht noch weitere Schritte: Wichtig wäre ein kontinuierliches Monitoring der Rechtstaatlichkeit in all diesen Mitgliedstaaten, und zwar in allen Mitgliedstaaten, denn Salvinis und Orbáns gibt es leider überall und wir müssen uns dagegen mit aller Kraft wehren, dass diese etwas verschieben, was in diesem Europa nicht passieren sollte.

 

Erwähnen möchte ich aber auch, dass die Stimmung in diesen Ländern nicht so monolithisch ist, nicht so eindeutig, wie es immer wieder dargestellt wird, sondern dass es auch zivilgesellschaftlichen Widerstand gibt. Am 13. Oktober vorigen Jahres, also 2019, fielen Budapest und andere großen Städte Ungarns bei den Kommunalwahlen an die Oppositionen. Viktor Orbán war ganz irritiert und die Hauptstädte aller vier sogenannten Visegrád-Staaten, also Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei, haben mittlerweile progressive Bürgermeister, die den oftmals illiberal, autoritär und populistisch auftretenden Regierungschefs ihrer Länder eine alternative Politik entgegensetzen. Hier passieren andere Strömungen, hier zeigt die Bevölkerung, dass sie nicht immer einverstanden mit dem ist, was dort passiert.

 

Wien hat gute Voraussetzungen, über Städtekooperationen diese demokratischen Strömungen, und das sehe ich als eine der Aufgaben von uns allen, aktiv zu unterstützen. Zuvor habe ich die Funktion der EU als Friedensprojekt angesprochen und wie wichtig es war, dass dieses gestartet wurde. Ein wichtiges Element dabei ist auch die Schaffung von Beitrittsperspektiven - wie heute schon von Herrn Schieder und Frau Hungerländer angesprochen - für alle Staaten des Westbalkans. Die Europäische Union ist der beste Garant dafür, dass mörderische Kriege in der Region, wie wir sie von 1991 bis 1992 beziehungsweise dann 1995 gesehen haben, wirklich der Vergangenheit angehören.

 

Aktuell besonders dringend ist eine klare Stellungnahme der EU für Nordmazedonien. Dort ist es in einem schwierigen und wirklich ausgesprochen diplomatisch hochwertigen Prozess endlich gelungen, den immer autoritärer und korrupten agierenden rechten Regierungschef Gruevski nach einer knappen Parlamentswahl im Dezember 2016 durch die Zusammenarbeit aller oppositionellen Kräfte, also Sozialdemokraten, GRÜNE, Liberale, Linke, ethnischen Minderheiten, abzulösen. Die neue Regierung, seit Frühjahr 2017 im Amt - übrigens mit einer grünen Staatssekretärin für Umwelt und Raumplanung, das ist für uns besonders wichtig -, stellt die rechtsstaatlichen Standards und Meinungsfreiheit wieder her. Erst da gab es diese Möglichkeiten in Nordmazedonien tatsächlich wieder, und es schaffte es, einen der heftigsten Widerstände der Nationalisten im eigenen Land, den jahrzehntelangen, für uns außerhalb dieser Region Lebenden vielleicht absurd bezeichneten Namensstreit mit Griechenland zu lösen.

 

Keiner hat verstanden, warum so manche Griechin, so mancher Grieche auf die Straße gegangen sind, um gegen diese Begrifflichkeit von Mazedonien und Nordmazedonien zu demonstrieren. Möglicherweise waren das sogar in vielen Fällen mehr, als es darum gegangen ist, wie es um die soziale Situation der eigenen Griechinnen und Griechen steht. Da zeigt sich, wie absurd manchmal Nationalisten dann auch im eigenen Land agieren.

 

Doch obwohl Nordmazedonien alle Kriterien für einen EU-Beitritt nun erfüllt - rechtsstaatlich, demokratisch, europäisch, solidarisches Denken und Handeln, friedliche Lösung von Konflikten -, gibt es immer noch keine Beitrittsverhandlungen. Ich finde, das ist eine große Ungerechtigkeit der EU, hier muss ich leider vor allem Emmanuel Macron aus Frankreich besonders hervorheben. Wenn man sich nicht bewegt, wird das dazu führen, dass es im Zug der Enttäuschung breiter Teile - denn alle erwarten ganz einfach, dass hier die Bevölkerung Nordmazedoniens auch unterstützt wird - wieder zur Renaissance der Nationalisten und der Rechten kommt. Wenn die Menschen das Gefühl haben, ungerecht behandelt zu werden, obwohl sie Standards besser und korrekter einhalten als viele EU-Mitglieder, wenn sie dieses Gefühl haben, gemobbt zu werden, während mit der Türkei eines Erdogan, die in Nordsyrien in Rojava einen brutalen Angriffskrieg gegen ein demokratisches und multiethnisches Gemeinwesen führt, trotzdem aber noch immer formal Beitrittsverhandlungen laufen, aber mit Nordmazedonien, das sich um alles bemüht, diese nicht sein dürfen, dann darf man sich nicht wundern, wenn einstige AnhängerInnen der Demokratie wieder abwandern und sich eben einem Gruevski zuwenden.

 

Im türkis-grünen Regierungsübereinkommen ist immerhin klar festgelegt, dass sich Österreich für den ehestmöglichen Beginn von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien ausspricht. Ein ebenfalls zentraler Punkt in diesem türkis-grünen Regierungsabkommen ist auch die Feststellung, dass sich Österreich in der im Mai beginnenden Konferenz zur Zukunft Europas für eine weitreichende zivilgesellschaftliche Beteiligung, für die Annahme von Beschlüssen mit qualifizierter Mehrheit, zum Beispiel in der Außenpolitik - dann würde sich so manches wie derzeit mit Nordmazedonien nicht ergeben - und für ein Initiativrecht des Europaparlaments einsetzen wird.

 

Was die Friedenspolitik betrifft, so gibt es unter anderem im Regierungsabkommen ein Bekenntnis zu einer aktiven Neutralitätspolitik als eigenständigen Beitrag Österreichs zu Frieden und Sicherheit in Europa, zu Projekten für zivile Krisenprävention und Konfliktlösung und zur Einhaltung des EU-Verhaltenskodex gegen Waffenlieferungen in kriegsführende Länder.

 

Durch den europäischen Green Deal der Kommission, unterstützt durch einige Mitgliedsstaaten, wie zum Beispiel seit Kurzem eben auch Österreich, kann die EU weltweit eine Vorreiterrolle beim Kampf gegen die Klimakrise einnehmen. Ich wünsche mir, dass sie dies auch bei der Friedens- und Menschenrechtspolitik tut, gerade als einer, der sich intensiv in dieser Menschenrechtsstadt Wien dafür einsetzt, und weiter alles in ihrer Macht Stehende unternimmt, dass diese Stadt uns und Europa

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular