Landtag, 8. Sitzung vom 24.11.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 42 von 68
Ja, Wien ist eine Großstadt, und ja, da gibt es andere Voraussetzungen als am Land. „Faktum ist aber, dass Wien sehr wenige ambulante Hilfen im Vergleich zu anderen Bundesländern gewährt und dieses Angebot unbedingt ausgebaut werden sollte.“ Es wäre gerade Aufgabe des Kinder- und Jugendhilfeträgers, auf den besonderen Bedarf der Stadtbevölkerung durch präventive Angebote gezielt einzugehen. Für belastete Herkunftssysteme müssten im Rahmen der Frühen Hilfen mehr und passgenauere Möglichkeiten geschaffen werden, um Familien zu erreichen, die zu anderen Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe nicht leicht Zugang finden.“ - Das sind Zitate aus dem Bericht der Volksanwaltschaft.
Wie schon in der Aktuellen Stunde liegen hier Verbesserungsvorschläge für die Situation auf dem Tisch, und ich werde sie hier wiederholen. Wir als GRÜNE schlagen vor:
Erstens: Ausbau der Frühen Hilfen zur Prävention und Begleitung besonders belasteter Familien. Zweitens: Ausbau der ambulanten Betreuung durch ExpertInnen der MA 11. Drittens: Entlastung der MitarbeiterInnen der MA 11 - das heißt, weniger zu betreuende Familien pro Sozialarbeitende. Das kann nur durch Personalaufstockungen erreicht werden. Nur so kann Fehleinschätzungen von problematischen Situationen, wie sie im Bericht der Volksanwaltschaft beschrieben werden, in Zukunft vorgebeugt werden. Viertens: Regelmäßige, strukturierte Supervisionen für alle MitarbeiterInnen als Teil der Arbeitszeit statt nur auf Anfrage. Fünftens: Entwicklung von unterschiedlichen Aufgabenprofilen in der Wohngemeinschaftsbetreuung. So können MitarbeiterInnen sich spezialisieren, und es gibt dann vermehrte Möglichkeit für Qualitätszeiten von Kindern und Jugendlichen mit ihrer jeweiligen Betreuungsperson in der Einrichtung der Stadt Wien durch bessere Betreuungsschlüssel. Sechstens: Angepasste Personalplanung, das heißt, mindestens zwei Betreuungspersonen pro WG. Siebentens: Um Krankenstände, et cetera auszugleichen, braucht es dafür mehr SpringerInnen und mehr Überlappungszeiten. Achtens: Mehr WG-Plätze. Neuntens: Mentoringskonzepte für NeueinsteigerInnen durch erfahrene PädagogInnen, sodass nicht immer unerfahrene BerufseinsteigerInnen in den Krisenzentren allein gelassen werden.
Zehntens: Kontinuierliche Begleitung für Jugendliche auf dem Weg ins Erwachsenenleben. Das heißt: Ausbau der Konzepte für Careleaver und - ganz wichtig - Ausbildungsbegleitung auch über den 18. Geburtstag hinaus, damit Jugendliche, junge Erwachsene den Start ins Leben wirklich selber finden können.
Wir wissen, was es braucht. Alle ExpertInnen, Stadtrechnungshof, Volksanwaltschaft, Kinder- und Jugendanwaltschaft gehen in eine selbe Richtung. Sie, Herr Wiederkehr, wissen es auch. Bitte kümmern Sie sich um die Umsetzung.
Präsident Mag. Manfred Juraczka: Vielen Dank. Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Abg. Gasselich. Ich erteile es ihm hiermit.
Abg. Mag. Patrick Gasselich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Volksanwälte! Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ja, wie schon vielfach erwähnt wurde, ist der Bericht der Volksanwaltschaft natürlich ein unfassbar wichtiges Instrument für die Opposition: Als Grundlage, um viele Missstände hier aufzuklären und einfach die Verwaltungsführung gut zu überprüfen. Leider nimmt auch im diesjährigen Bericht die MA 35 wieder einen sehr großen und prominenten Teil ein, und gerade in den letzten Wochen und Monaten haben die Negativschlagzeilen leider wieder einmal überwogen.
Was ist die Basis für unsere Kritik? - Das sind direkt Betroffene, das sind Anfragebeantwortungen, aber eben vor allem auch der Bericht der Volksanwaltschaft. Was darin wieder an Missständen berichtet wurde, ist wirklich dramatisch, und auf einige von den Kritikpunkten möchte ich kurz eingehen.
Es beginnt beim Thema der Staatsbürgerschaft. Da gibt es unbegründete Verfahrensstillstände. Normalerweise sollte die MA 35 in sechs Monaten entscheiden. Oftmals fehlt auch einfach eine Begründung, wieso das nicht der Fall ist. Es gibt jahrelange Ermittlungen und Verzögerungen, berichtet wird zum Beispiel von einer Gesamtverzögerung von sechs Jahren. Was den Verfahrensbeginn betrifft, werden erste Verfahrensschritte teilweise erst nach fünf Monaten gesetzt, und auch dafür fehlt eine Begründung. Die Mitwirkung im Verfahren zeigt keine Wirkung. Es werden Unterlagen zum Beispiel ein halbes Jahr einfach liegen gelassen.
Das alles gibt es auch noch in einem zweiten Block, nämlich beim Niederlassungsrecht. Dort gibt es zum Beispiel einen Beschwerdeanstieg um mehr als 100 Prozent, und die Zahl der berechtigten Beschwerden ist sogar um das Dreifache gestiegen. Trotz des Vorliegens aller Unterlagen gibt es zum Beispiel auch eine sehr lange Untätigkeit, wo einfach ein halbes Jahr lang wieder keine Verfahrensschritte gesetzt werden. Die Volksanwaltschaft beschwert sich über die Untätigkeit trotz einer klaren Rechtslage: Es werden für 2 Jahre keine Verfahrensschritte gesetzt, und der Rechtsanwalt bekommt überhaupt erst nach 100 Tagen einen Termin für eine Akteneinsicht. Weiters geht es in der Beschwerde um eine fehlerhafte Aktenablage, wodurch übermittelte Unterlagen verlegt wurden und überhaupt erst nach zehn Monaten wieder gefunden wurden.
Wie kann man all diese Missstände zusammenfassen? - Es herrscht dort leider einfach absolutes Chaos vor, und das ist einer Weltstadt wie Wien nicht würdig.
Neben dieser allgemeinen Kritik, die aus meiner Sicht beinahe schon fast Alltag ist - leider Gottes -, gibt es im Bericht auch noch zwei spezifische Aussagen, die besonders spannend sind und die durchaus auch mit einer gewissen Härte getätigt wurden. Und zwar sagt die Volksanwaltschaft, wenn ich es zitieren darf: „Nicht nachvollziehbar bleibt, dass trotz jahrelanger Kritik und Aufzeigen dieser Missstände keine geeigneten Maßnahmen zur Abhilfe dieses Problems gesetzt werden. Des Weiteren läuft die Argumentation, dass die längere Bearbeitungsdauer sowie die Dauer der Beschaffung der
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