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Landtag, 9. Sitzung vom 21.12.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 9 von 31

 

Persönlich betrifft mich das Thema auch ganz aktuell, denn es war ein Zufall, dass meine letzte Handlung im Nationalrat war, dass ich eine parlamentarische Anfrage an Frau Bundesministerin Gewessler mitunterzeichnet habe. Es war also eigentlich der ideale Umstieg zur Debatte hier im Wiener Landtag. Gleich zu Beginn eine klare Aussage aus meiner Sicht: Der Lobau-Tunnel und der S1-Lückenschluss ist das bestgeprüfte und das meistgeprüfte Straßenprojekt in Österreich, auch in ökologischer Hinsicht.

 

Und weil wir uns immer so schwer erinnern, weil so viel Zeit vergangen ist: Zu den Fakten darf ich daran erinnern, dass bereits 1994 die Volkspartei in Wien den Vorschlag für eine Nordostumfahrung in Wien eingebracht hat. 2005 hat der damalige Landeshauptmann und Bürgermeister Dr. Michael Häupl mit dem damaligen Verkehrsminister Gorbach eine Einigung auf die Lobau-Querung als Tunnel gefunden. Die Asfinag präsentierte damals, das war 2005, bereits erste Pläne. Im März 2006, meine sehr geehrten Damen und Herren, wurde die S1-Lobau-Knotenverbindung im österreichischen Nationalrat als Novelle im Bundesstraßengesetz beschlossen, ein Bundesgesetz, das bis heute gültig ist, ein politisches Versprechen in Gesetzesform.

 

Sie erinnern sich vielleicht noch: Etwa zur selben Zeit, 2006, alles berechtigte Anliegen, hat Global 2000 damals unter Teilnahme der heutigen Umweltministerin Gewessler acht Wochen lang die Lobau blockiert, um die Probebohrungen durch die Asfinag zu verhindern. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bleibe dabei. Ich sage das nicht als Vorwurf, sondern ich sage das, um auch die persönlichen und für mich durchaus nachvollziehbaren Motive von Frau Gewessler zu beleuchten.

 

2009, meine sehr geehrten Damen und Herren, startete dann die Umweltverträglichkeitsprüfung, welche nach sechs Jahren intensiver Prüfung 2015 positiv abgeschlossen worden ist. Im Rahmen dieser Prüfung, meine sehr geehrten Damen und Herren, wurden insgesamt - nicht 1, nicht 2, nicht 5f, nicht 10 - 20 Varianten einer Umsetzung geprüft. 2018 hat dann das Bundesverwaltungsgericht in zweiter Instanz das positive Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung noch einmal bestätigt.

 

Das Ergebnis war der Lobau-Tunnel, ein fertiges, ein umsetzungsreifes Bauprojekt mit einer Vielzahl von wirtschaftlichen, aber auch ökologischen Vorteilen. Und das, meine Damen und Herren, zwischen 2010 und 2020, zehn Jahre, in denen die GRÜNEN hier in der Stadt die Ressortverantwortung getragen haben.

 

Jetzt kommen wir zur überraschenden Wendung der Geschichte: Im Sommer des heurigen Jahres hat die amtierende Bundesministerin Gewessler eine Evaluierung sämtlicher Asfinag-Projekte in Auftrag gegeben, für den Lobau-Tunnel faktisch einen Baustopp verordnet. Das nach mehr als 10 Jahren intensiver Prüfung, mit einem kurzen, 25-seitigen Papier, welches in nur wenigen Monaten erstellt wurde, und jetzt gibt es also eine Weisung der zuständigen Bundesministerin an die Asfinag: Stopp des Lobau-Tunnels.

 

Ich sage es sehr offen, ich verstehe Frau Bundesministerin Gewessler menschlich, persönlich auf Grund ihrer Einstellung, und auch auf Grund der 15 Jahre zurückliegenden Geschehnisse, die ich erwähnt habe, wirklich. Ich verstehe sie, sie will den Lobau-Tunnel persönlich einfach nicht. Ich verstehe das. Sie will den Lobau-Tunnel persönlich nicht. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bundesministerin ist aber - nicht nur meiner Meinung nach, sondern auch laut eines durch die Wirtschaftskammer erarbeiteten vorliegenden Rechtsgutachtens und auch vieler, vieler Expertenmeinungen -, das ist meine Überzeugung, rechtlich einfach falsch beraten.

 

Ich denke, man kann sich nicht einfach über ein im Nationalrat beschlossenes Bundesgesetz hinwegsetzen. Man kann nicht einfach mit einem 25-Seiter eine mehrjährige, umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung inklusive eines Urteiles des Bundesverwaltungsgerichtes ersetzen. Frau Bundesministerin Gewessler schadet damit, wenn es dabei bliebe, zehntausenden Menschen, Bewohnerinnen und Bewohner, in ihrer Lebensqualität. Sie schadet, wenn es dabei bliebe, Menschen, die täglich im Stau stehen und dadurch hohe CO2-Emissionen verursachen. Und sie verhindert ein Projekt, das 4 Milliarden EUR Wertschöpfung und 25.000 Arbeitsplätze bringt. Das halte ich für verantwortungslos.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer mich kennt, weiß aber, ich denke immer an das Positive, und ich glaube, wir sollten Frau Bundesministerin Gewessler jetzt die Chance geben, die sie eigentlich angekündigt hat. Sie hat uns ja Alternativen in Aussicht gestellt. Sie kann und sie muss diese Alternativen also auf den Tisch legen.

 

Auch zum Abg. Mahdalik: Diese Entscheidungen und diese Alternativen muss die Frau Bundesministerin natürlich auch innerhalb der Bundesregierung, insbesondere mit dem Herrn Bundeskanzler und mit dem Herrn Finanzminister absprechen. Ich erwarte mir, ich sage es versöhnlich, ich erhoffe mir eine Einsicht und gemeinsame und intensive Verhandlungen mit Wien und Niederösterreich zu Alternativen, die die Bezeichnung Alternativen auch wirklich verdienen.

 

Klipp und klar, meine Damen und Herren: Wenn es keine sinnvollen Alternativen gibt, ist der Lobau-Tunnel einfach alternativlos, und dann muss er auch gebaut werden. Denn, und jetzt bin ich wieder am Anfang, wir können natürlich immer über alles reden, und nachdem wir zehn Jahre rechtsstaatliche Prüfungen haben und alles erledigt und geordnet ist, dann können wir wieder anfangen zu reden. Das ist aber nicht das Wesen eines Rechtsstaates, wie ich ihn verstehe. Wir leben in einem Rechtsstaat, wir haben uns an den Rechtsstaat zu halten, an Gesetze und Entscheidungen von Gerichten.

 

Ich stehe für konstruktive Politik und ich glaube daher, dass wir an diesem Punkt die Alternativen, die auf den Tisch kommen - wenn sie auf den Tisch kommen -, auch mit dem Landeshauptmann von Wien Dr. Michael Ludwig und der Landeshauptfrau von Niederösterreich Johanna Mikl-Leitner verhandeln sollten. Wenn diese Alternativen nicht kommen, nicht zügig und rasch kommen, dann wird es da Klärungen auch innerhalb der Bundesregierung geben müssen.

 

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