Landtag, 11. Sitzung vom 26.04.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 23 von 24
jene, die am meisten verdienen, am meisten profitieren. Es ist gerade jetzt befremdlich, dass ein solcher Vorschlag von der SPÖ-Wien kommt. Was Ihr Antrag vorsieht, benachteiligt systematisch das unterste Einkommensdrittel, also jene, die erwerbstätig sind und keine oder wenig Lohn- und Einkommenssteuer zahlen. Das ist so, weil Ihr Antrag nur auf die Steuertarifstufen abstellt. Von Ihrem Antrag haben jene, die auf Transferleistungen angewiesen sind, überhaupt nichts, im Gegenteil, Ihr Antrag hilft den GeringverdienerInnen kein bisschen und würde den budgetären Spielraum für die Unterstützung von Gruppen wie MindestpensionistInnen massiv einengen. Alle, die weniger als 11.000 EUR im Jahr verdienen, haben von diesem Vorschlag überhaupt nichts. Alle Absetzbeträge, der Verkehrsabsetzbetrag, der auch negativsteuerfähig ist, der Kinderabsetzbetrag, aber auch die Negativsteuer, also der Sozialversicherungsbonus, wären von der Inflationsanpassung, die Sie in Ihrem Antrag fordern, nicht betroffen. Das ist ungerecht und es ist in der aktuellen Situation der völlig falsche Weg.
Um es auf den Punkt zu bringen: Je weniger jemand verdient, desto weniger hat er von Ihrem Vorschlag. Das ist die schlimmste Art der Ungerechtigkeit, nämlich die vorgespielte Gerechtigkeit.
Ich versuche es für die KollegInnen der Sozialdemokratie noch einmal plastischer: Von Ihrem Antrag würden hochbezahlte Manager, der Bürgermeister, die StadträtInnen und auch wir als gut bezahlte Landtagsabgeordnete voll profitieren, während Menschen mit niedrigem Einkommen wenig bis gar nichts davon haben. Es mag sein, dass die NEOS das angemessen finden, sozial ist dieser Vorschlag nicht, gerecht ist er schon gar nicht.
Und wenn Sie es von mir nicht hören wollen, dann hören Sie doch auf die ExpertInnen. Der Präsident des Fiskalrats und ehemalige Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Christoph Badelt hat sich gerade am Freitag gegen einen Automatismus bei der Anpassung der Steuertarife an die Inflation ausgesprochen. Er plädiert dafür, die Möglichkeit der Politik zu erhalten, mit regelmäßigen Steuerreformen Schwerpunkte und Akzente zu setzen, etwa bei bestimmten Gruppen oder beim Klimaschutz. Oder der renommierte Steuerexperte Werner Doralt: Er hält nichts von einer automatisierten Inflationsanpassung der Steuertarife, wie Sie das fordern, und auch Doralt sagt, Profiteure einer generellen Abschaffung der kalten Progression wären eindeutig die Besserverdiener, denn deren Einkommen bewegen sich in den höheren Tarifstufen. Oder, vielleicht für die SPÖ besonders interessant, der Chefökonom der Arbeiterkammer Markus Marterbauer sagt: Die von der Inflation Hauptbetroffenen haben von der Abschaffung der kalten Progression nichts - Armutsgefährdete, Arbeitslose, HilfsarbeiterInnen, Alleinerziehende, Mehrkindfamilien, MindestpensionistInnen. Hilfe für sie muss jetzt Vorrang haben und, so Marterbauer weiter, die Priorisierung der Abschaffung der kalten Progression zeigt, wie sehr Neoliberale in der sozialen Frage auf der falschen Spur sind. - Vor vier Tagen wusste Markus Marterbauer wohl noch nicht, dass er damit die Wiener SPÖ kritisiert.
Selbst Ihre eigene Parteichefin sagte in der „Pressestunde“ am Sonntag, sie sei zwar für die Abschaffung der kalten Progression mit einem Automatismus, aber nur bei den unteren Tarifstufen. Ich sage Ihnen, da bin ich eher auf der Seite Ihrer Bundesparteivorsitzenden und nicht auf der Seite Ihres ungerechten Antrages.
Werner Kogler hat das im „Mittagsjournal“ am Samstag zur Frage der kalten Progression sehr treffend formuliert: Es hilft nichts, wenn wir uns jetzt alle hinter einem Schlachtruf versammeln. Wir brauchen jetzt sozial treffsichere Maßnahmen, mit denen wir jene, die wenig verdienen und die es am meisten brauchen, stärker entlasten beziehungsweise mit Zuschüssen unterstützen. Wir brauchen jetzt nicht nur die Entlastung über Tarifstufen, die wir mit der Steuerreform auf den Weg gebracht haben, wir brauchen auch Maßnahmen, die besonders betroffene Gruppen treffsicher unterstützen. Zum Beispiel Maßnahmen wie den Teuerungsausgleich, zum Beispiel Maßnahmen wie den Klimabonus, zum Beispiel Maßnahmen wie eine zweimalige Erhöhung der Mindestpension und der Mindestsicherung über der Inflationsrate, zum Beispiel Maßnahmen wie eine Negativsteuer, auch Sozialversicherungsbonus genannt. All das und vieles mehr hat die Bundesregierung bereits auf den Weg gebracht, und dieser Weg muss konsequent weitergegangen werden.
Ich gebe jedem recht, die oder der sagt, dass es auf Grund der massiven Teuerung weitere Maßnahmen brauchen wird, in Wien und im Bund. Aber bitte treffen wir diese in einer wirtschaftlich extrem schwierigen Situation so, dass wir zielgenau denen helfen können, die jetzt dringend Unterstützung brauchen. Sehr geehrte Damen und Herren, treffen wir nicht Maßnahmen, von denen hier im Raum der Bürgermeister, die StadträtInnen und die Abgeordneten am meisten profitieren, aber nicht die Reinigungskraft, die hier nachher zusammenräumt, der Kellner, der uns morgen im Buffet wieder bewirten wird, die Feuerwehr, die am Eingang für unsere Sicherheit sorgt! Maßnahmen wie diese entsprechen diesem Anspruch nicht. Die schlimmste Art der Ungerechtigkeit ist die vorgespielte Gerechtigkeit, sehr geehrte Damen und Herren.
Sie können auch in Wien mehr dafür tun, dass wir treffsicher unterstützen, zum Beispiel, indem Sie die erwähnten Rekordgewinne der Wien Energie an die Bevölkerung zurückgeben, zum Beispiel mit einer zumindest befristeten Senkung der Kosten für den öffentlichen Verkehr, zum Beispiel mit einem Aussetzen der Mieterhöhung bei Wiener Wohnen, zum Beispiel, indem alle Menschen mit Einkommen unter der Armutsgefährdungsgrenze in die Wiener Energieunterstützung einbezogen werden, zum Beispiel mit einer Ausweitung der Wohnbeihilfe. Machen Sie das, wofür Sie verantwortlich sind und schauen Sie sich an, ob Ihre Vorschläge wirklich sozial treffsicher sind! - Danke für die Aufmerksamkeit.
Präsident Mag. Manfred Juraczka: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Ich schaue zur Sicherheit zu den Schriftführern, aber es ist in der Tat so. Die Debatte ist geschlossen.
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