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Landtag, 12. Sitzung vom 28.04.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 46 von 101

 

der Menschen Europas lebt in Städten und hat sich daher ein Gehör verdient! Und das ist kein Appell, meine Damen und Herren, das ist eine Forderung, weil es das Recht der Menschen in den Städten und Regionen ist, auf europäischer Ebene gehört zu werden, weil wenn das nicht geschieht, wird es kein demokratisches Europa sein, und das wäre sehr, sehr schade!

 

Europa ist mehr. Wir treffen uns heute mit den Abgeordneten zum Europäischen Parlament. Aber Europa ist ja, wenn man den Raum des Europarates betrachtet, deutlich größer als die Europäische Union. Die momentan existierende Krise oder die von der Russischen Föderation erzeugte Krise durch ihren Angriffskrieg betrifft Europa im Sinne des Kongresses von Europa der nichteuropäischen Union. Und der Europarat, ich habe das in dem Haus schon einmal gesagt, ist noch mehr als die Europäische Union durch diese Aggression betroffen. Ich rufe in Erinnerung, der Europarat ist ein ähnlich großes, wenn nicht ganz so nachhaltiges, aber jedenfalls sehr ambitioniertes Friedens- und Menschenrechtsprojekt, an dem wir beteiligt sind. Ich sage das jedes Mal, wenn wir Europadebatte haben, wenn ich Sie erinnere, wir haben eine gewisse Tendenz, eurozentristisch zu agieren im Bereich der Europäischen Union. Das ist schon richtig und wahr, aber darüber hinaus gibt es eben auch noch etwas anderes. Darauf sollten wir Rücksicht nehmen, dass in der nahen Nachbarschaft eben Länder sind, sei es jenseits des Mittelmeers, mit denen wir eine Patenschaft haben, sei es außerhalb der Europäischen Union, unsere Nachbarländer, eines davon ist die Ukraine, mit denen wir uns ein gutes Verhältnis und gute Nachbarschaft wünschen. In dem Zusammenhang auch in Zukunft, ich werd’s sagen, in Zukunft mit einer anders verfassten Russischen Föderation. Die Russische Föderation ist natürlich auch ein Teil Europas, und unser Ziel muss es sein, auch an den guten Entwicklungen, die hoffentlich bald stattfinden, der Russischen Föderation anzudocken und diese zu stärken und zu unterstützen.

 

Das haben einige Redner im Vorfeld schon gesagt: Wir müssen die Kräfte in der Russischen Föderation, die für liberale Demokratie, Menschenrechte und für den Frieden stehen, stärken. Wie wir das konkret machen können, kann ich Ihnen jetzt nicht beantworten, aber ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir das versuchen sollten. Wir sollten in diese Richtung agieren und sollten jedenfalls die kulturellen und sonstigen Kontakte zu Russland oder zur Russischen Föderation nicht abbrechen. - In diesem Zusammenhang merke ich an: „Krieg und Frieden“ ist ein russisches Werk, und kein schlechtes übrigens.

 

Meine Damen und Herren! Es ist - zu meinem Kummer - unmöglich, hier zu sprechen und nicht auf den Krieg in der Ukraine einzugehen. Ich darf Ihnen sagen, dass ich mir das lange überlegt habe. Ich komme nämlich aus der Tradition einer Friedensbewegung, und unser Credo war ursprünglich: Frieden schaffen ohne Waffen. - Zu diesem Spruch stehe ich nach wie vor, was ich momentan erlebe, ist jedoch das Gegenteil. Ich verurteile das nicht, ich sage nur: Das ist ein Bruch in unserer Identität, und ich bin nicht sicher, ob das gut ist

 

Meine Damen und Herren! Es gibt viele Redner hier und anderswo, die über den Krieg sprechen und die auch darüber sprechen, dass wir Waffen hinschicken müssten. Ich vermisse aber ein Wort, nämlich das Wort „leider“, dass man also sagt: Leider müssen wir das machen, wenn wir es schon machen müssen. Was aber nicht geschehen soll, ist, dass wir in diese komische Begeisterung verfallen: Es taucht jetzt so eine Stimmung auf: Wir alle gemeinsam gegen die Bösen. - Und immer, wenn eine solche Stimmung aufkommt, dann ist mir das verdächtig, das muss ich Ihnen schon sagen. Das bedeutet nicht, dass ich nicht Schuld und Verantwortung zuordnen kann. Insgesamt ist aber die Stimmung, die jetzt auf diesem Kontinent herrscht, eine gespenstische.

 

Das macht mir Sorgen, wenn ich jetzt auch wieder an unsere Kinder denke. Aus Verzweiflung kann allerdings auch Kraft wachsen. Das heißt, wir müssen etwas tun, und dann stellt sich die Frage: Wo stehen wir? Mit „wir“ meine ich jetzt Wien und Österreich. - Die Antwort ist klar: Wir stehen auf der Seite der Menschenrechte, auf der Seite des Friedens, und so weiter, und so fort.

 

In diesem Zusammenhang erhebt sich auch die Frage: Wer sind wir? - Im Hinblick darauf stelle ich Ihnen hier Fragen, die ich nur schwer beantworten könnte: Was ist das: Der Westen? Wer ist das: Wir, „die Guten“? Verschwimmen jetzt die Unterschiede? Ist es jetzt so, dass alle Länder der Europäisch Union ein Team sind? Ziehen wir jetzt alle ohne Wenn und Aber gemeinsam an einem Strang, auch mit Polen und seiner No-Choice-Ideologie oder auch mit Ungarn mit seinen antidemokratischen, korrupten Tendenzen?

 

Das beantwortet überhaupt nicht die Frage, wie ich zum Ukraine-Krieg stehe. Ich fürchte mich nur davor, dass wir in der Euphorie des Krieges unter Umständen alle Unterschiede verwischen. Da müssen wir vorsichtig sein! Ich habe es nicht miterlebt, doch ich weiß, dass ein deutscher Kaiser einmal gesagt hat, dass er nur noch Deutsche und keine Parteien kennt. - Das ist ein gefährlicher Spruch, meine Damen und Herren! In diese Situation möchte ich nicht kommen.

 

Nun höre ich schon wieder auf damit, denn zu nachdenklich darf man heutzutage nicht sein, weil man sonst böse Unterstellungen erntet. Ein Held meiner Jugend, der Liedersänger und Poet Konstantin Wecker, erlebt das gerade mit. Er hat sich geäußert, dass er nicht dafür ist, dass wir Waffen liefern. Das kann man sagen oder auch nicht. Der Shitstorm, der über ihn drübergefahren ist, ist jedoch unbeschreiblich. Dennoch hat der Konstantin seine Meinung nie geändert. Das war seine Meinung vorher, und das ist jetzt seine Meinung. Es mag dies eine falsche Meinung sein. Ich glaube das nicht, aber man kann das schon so sehen.

 

Die Frage lautet jedenfalls: Kann man seine Meinung nicht trotzdem äußern, und kann man nicht trotzdem nachdenklich sein? Darum geht es mir hier und heute in dieser Wortmeldung zum Krieg, wodurch natürlich leider das andere überstrahlt wird. Wofür stehen wir? - Wir stehen dafür, dass wir keinen Angriffskrieg wollen beziehungsweise dass wir gar keinen Krieg führen wollen. Wenn wir einen Krieg führen müssen, dann nur deshalb,

 

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