Landtag, 17. Sitzung vom 23.11.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 41 von 84
verwehrt sind der Behörde grundloses Zuwarten sowie überflüssige Verwaltungshandlungen, die die Entscheidung nur hinauszögern sollen.“ - Zitat Ende.
So, das heißt jetzt, diese triftigen Gründe, die heute von LR Wiederkehr und auch von Kollegin Bakos genannt wurden, zählen laut Volksanwaltschaft nicht als Gründe für die Verfahrensverzögerung. Das ist schon blöd, da muss man sich in Zukunft andere Argumente für die Verfahrensstillstände, für die Verfahrensverzögerungen und für alle Missstände, die sozusagen in diesen Verfahren passieren, überlegen. Wenn wir nach fast zwei Jahren Reformankündigung immer noch über Verfahrensstillstände, jahrelange Ermittlungen und Verzögerungen, jahrelange Untätigkeiten sprechen, dann können wir sehr wohl davon ausgehen, dass diese große Reformankündigung auf der Strecke geblieben ist. Und dann passiert Folgendes: Dann lesen wir, dass die SPÖ ein enormes Interesse an einer Vereinfachung der Staatsbürgerschaft hat - das hat Bgm Ludwig in den letzten Tagen auch medial verkündet. So, als Verfechterin der Menschenrechte finde ich das natürlich großartig, weil ich denke, im Jahr 2022 ist es ja zeitgemäß, ist es großartig, dass wir mit so einer politischen Position und auch mit so einer politischen Forderung kommen. Wenn ich mir aber anschaue, was Sie tun, dann habe ich das Gefühl, Theorie und Praxis stimmen irgendwie nicht überein. Warum stimmen Theorie und Praxis nicht überein? Das fasse ich Ihnen in drei Punkten einmal kurz zusammen:
Erstens, die ständige Rechtfertigung der Missstände der MA 35 und die bundesgesetzlichen Bestimmungen haben nichts miteinander zu tun. Sie vermischen hier einfach Punschkrapfen mit Faschingskrapfen. (Abg. Mag. Dolores Bakos, BA: Also dass das nichts damit zu tun hat, kann nicht sein!) Diese Argumentation, die Sie vorbringen und die Missstände in der MA 35 haben wirklich nichts miteinander zu tun. Ich sehe es ein, die bundesgesetzlichen Bestimmungen müssen unbedingt geändert werden, no na ned! Wir haben eine der restriktivsten gesetzlichen Bestimmungen europaweit, no na ned. Ich sehe es ein, das Fremdenrecht ist ein kaputtes Recht, ich sehe es ein, das Staatsbürgerschaftsrecht ist ein kaputtes Recht (Abg. Maximilian Krauss, MA: Was ist ein „kaputtes Recht“?), aber dafür muss man auch die gesetzlichen Bestimmungen näher betrachten. Warum gibt es diese Verschärfungen? Diese Verschärfungen gibt es ja nicht erst seit heute, sondern diese Verschärfungen des Fremdenrechtsgesetzes und des Staatsbürgerschaftsgesetzes wurden unter der SPÖ-Kanzlerschaft gemacht - ich erinnere: Regierung Gusenbauer, Regierung Faymann, Regierung Kern -, und für diese Reformtätigkeit braucht man einfach jahrelange Arbeit, das wissen Sie ja. Sie haben leider mit diesen Verschärfungen einen sehr dicken Beton zementiert und jetzt erwarten Sie sich, dass hier jetzt auf einmal Bäume dann wachsen. Das geht sich nicht aus, das passt irgendwie nicht zusammen mit dem, was Sie fordern, und mit dem, was Sie machen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ein zweiter Grund, warum das Ganze nicht zusammenpasst, was Sie sagen, ist: Wenn Ihnen das Thema Staatsbürgerschaftsrecht oder Aufenthaltsrecht wirklich so sehr am Herzen liegt, wenn es wirklich für Sie so wichtig ist, warum haben Sie es den NEOS dann in die Hände gedrückt? Warum haben Sie nicht gesagt: Okay, das ist ein Sorgenkind und wir wollen in diesem Bereich auch etwas machen!? Sie aber haben sich sehr schnell von dem Thema verabschiedet und haben das irgendwie den NEOS in die Hände gedrückt und sich gedacht, na ja, die werden sich wohl weiterhin damit dann quälen.
Ja, und der dritte Grund: Damit die Vereinfachung des Staatsbürgerschaftsverfahrens überhaupt möglich ist, muss man erst einmal die Rahmenbedingungen dafür schaffen, und die Rahmenbedingungen sind primär in der MA 35 zu schaffen. Also bevor Sie das Behördenversagen nicht beseitigen können, geht sich dieses Paradox, dieser Widerspruch, sich gleichzeitig für die Vereinfachung der Staatsbürgerschaft einzusetzen, nicht aus. Das geht sich nicht aus und das Ganze klingt auch wie ein unverstandener Sozialismus, den Sie hier tagtäglich vortragen, wenn es um das Staatsbürgerschaftsverfahren geht und wenn es auch um das aufenthaltsrechtliche Verfahren geht.
Und „sorry to say“, aber Sie haben es jahrelang verabsäumt, in diesen Bereich zu investieren, um das Personal zu entlasten. Sie haben es verabsäumt, in diesen Bereich zu investieren, und jetzt tun Sie so, als würde man mit einer neuen Position kommen, als würde man hier eine Änderung im Staatsbürgerschaftsrecht bewirken. Na, wo waren Sie denn, als diese Verschärfungen gekommen sind? Hat es Sie damals nicht interessiert? Ich glaube nicht. Und jetzt stehen wir vor sehr komplexen Gesetzesmaterien und wissen dann nicht, in welche Richtung wir auch immer diese Reformtätigkeiten in die Wege leiten sollen.
Ja, und ich nehme hier nochmals all die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Schutz, denn alles, was Sie über Personalaufstockung sagen, finde ich prima, großartig, aber das eine schließt das andere nicht aus, gleichzeitig braucht es auch Qualitätsmanagement. Die Probleme der MA 35 sind nicht nur auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dort sind, zurückzuführen, sondern Sie als politisch Verantwortliche haben dafür zu sorgen, dass diese Behörde dann nicht Österreich-weit sozusagen ihren Ruf als Skandalbehörde hat.
Aus diesem Grund, weil wir eben der Meinung sind, dass eine vereinfachte Staatsbürgerschaft nicht, so wie Sie das ständig vortragen, nur durch bundesgesetzliche Bestimmungen gelöst werden sollte, sondern wir auch primär in Wien damit anfangen sollten, haben wir dazu drei Anträge gebracht. Wir wollen auch unseren Beitrag dazu leisten, dass diese Reform, die ja so groß von Ihnen angekündigt wird, dann auch wirklich in die Gänge kommt.
Beim ersten Antrag geht es darum, dass wir einfach Transparenz fordern, die ja von den NEOS immer wieder ganz großgeschrieben wird, weil wir eine halbjährliche Evaluierung wollen, die auch schriftlich der Öffentlichkeit zugänglich wird. Daher stelle ich den Antrag: Der Wiener Landtag ersucht das Mitglied der Wiener Landesregierung für Bildung, Jugend, Integration und Transparenz, die Reformschritte der MA 35 einschließlich der Bearbeitungsdauer von Anträgen und der Aufarbeitung von Altfällen halbjährlich zu evaluieren und über die Ergebnisse dieser
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