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Landtag, 26. Sitzung vom 23.11.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 56 von 68

 

Heute wird über das Wiener Mindestsicherungsgesetz gesprochen beziehungsweise dieses novelliert. Normalerweise ist es ja so, dass wir uns doch sehr einig sind zwischen SPÖ, NEOS und GRÜNEN, aber heute können wir dieser Novelle leider nicht zustimmen, und ich werde auch noch ausführen, warum wir dieser Novelle heute leider nicht zustimmen können. Warum gibt es also diese Novelle? Durch das Erkenntnis des VfGH vom März 2023 wurde der § 8 Abs. 2 Z 2 Wiener Mindestsicherungsgesetz aufgehoben, und ich möchte ein bisschen erklären, um was es da geht, weil es natürlich alles sehr technische Ausführungen sind, aber ich glaube, es ist gerade für Armutsbetroffene in Wien wichtig, zu verstehen, was da jetzt gerade passiert.

 

Was hat dieser Paragraph also geregelt? Er regelt den bisherigen Mindeststandard für Paare von 75 Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes. Da das unter Schwarz-Blau beschlossene Sozialhilfe-Grundsatzgesetz eben leider niedrigere Höchstsätze für Paare und Familien vorsieht, nämlich nur 70 Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes, wurde der Paragraph leider aufgehoben. Es ist kein Geheimnis, denke ich, dass alle sozialpolitisch bewegten Menschen natürlich schmerzen muss, dass es hier zu einer Kürzung kommt, denn was bedeutet das konkret? Es kommt zu einer Kürzung von zirka 105 EUR bei Erwachsenen, die mit anderen Personen in einer Ehe, Eingetragenen PartnerInnenschaft oder Lebensgemeinschaft leben. Davon sind - das lässt sich auch dem Antrag entnehmen - zirka 13.000 Paare mit und ohne Kinder betroffen.

 

Was regelt jetzt die rot-pinke Novelle? Das erste Mal vorweg, super! Nämlich sieht das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz vor, dass man eine höhere Leistung für Menschen mit Beeinträchtigungen auszahlen kann. Wir finden das natürlich gut, dass Menschen mit Beeinträchtigungen mit diesen 75 Prozent weiterhin den gleichen Satz bekommen. Was wird jetzt noch geregelt? Zur Abfederung der Kürzung sollen Paare mit Kindern, davon sind 10.000 Paare betroffen, einen Elternzuschlag von 47,41 EUR pro Erwachsenenperson erhalten. Für die 3.000 Paare ohne Kinder, und das ist leider das Schlimme daran, gibt es allerdings keine Lösung. Dabei wird im Antrag vor allem die Kostenneutralität positiv hervorgehoben, wenn man mit den Einsparungen durch die Kürzungen quasi die Zuschläge finanzieren kann.

 

Was ist jetzt unser grüner Zugang dazu, was sagen wir? Prinzipiell muss man sagen, wir anerkennen natürlich, dass die Stadt Wien und LR Hacker sich bemüht haben, eine Lösung für diese schmerzliche Kürzung des schwarz-blauen Sozialhilfe-Grundsatzgesetz-Vermächtnisses zu finden, aber wir können eben einer Novelle, die keine politische Lösung für den Ausgleich von Kürzungen bei zirka 3.000 Paaren ohne Kinder anbietet, nicht zustimmen. Ich weiß nicht, ob Sie das wissen, aber 105 EUR führt bei Menschen, die eh schon sehr, sehr wenig haben und für sozial benachteiligte Menschen wirklich dazu, dass quasi jeder Euro weniger zu einer veritableren Krise führen kann, und auch der sogenannte Elternzuschlag als Ausgleich greift für uns zu kurz. Was es braucht, sind echte Reformen statt Flickwerk und rein kostenneutrale Lösungen, wir brauchen eine erhöhte Kindermindestsicherung, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei den GRÜNRN sowie von Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM und Abg. Ing. Udo Guggenbichler, MSc.)

 

Bevor ich noch einmal auf die inhaltlichen Kritikpunkte eingehe oder sage, was wir besser gemacht hätten, möchte ich noch einmal wiederholen, was ich hier eh schon öfter gesagt habe, ich finde es leider sehr schade, dass wir immer wieder mit Initiativanträgen konfrontiert sind. Mir ist natürlich bewusst, dass gewisse gesetzliche Änderungen sehr schnell vollzogen werden müssen, weil es auch Vorgaben vom Bund gibt, aber es wäre trotzdem sehr wichtig, wenn wir endlich wieder zu dieser Kultur zurückkommen könnten, wo wir ordentliche Begutachtungsverfahren machen, da ich davon überzeugt bin, dass Gesetze wesentlich besser werden, wenn soziale Organisationen drüberschauen können, wenn Menschen, die mit den Armutsbetroffenen arbeiten, ihren Senf dazugeben und das Gesetz besser machen können. Und deswegen hoffen wir, dass diese Unkultur endlich aufhört, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei den GRÜNEN)

 

Warum greift der Elternzuschlag für uns als Wiener GRÜNE zu kurz? Es braucht eben eine echte, nachhaltige Lösung, denn jedes vierte Kind in Wien ist arm oder von Armut gefährdet, und da müssten doch bei einer sozialdemokratisch geführten Stadtregierung trotzdem auch alle Alarmglocken schrillen. Zu Recht sagt zum Beispiel Andi Babler, ihr Parteichef, dass wir alles tun müssen, um Kinderarmut zu beenden und eine Kindergrundsicherung einzuführen. Da stehen wir natürlich Seite an Seite. Am Rathaus hängt gerade auf Grund des Tags der Kinderrechte eine Fahne, wo draufsteht, dass Wien die Stadt der Kinderrechte ist. Und da frage ich mich schon, warum kann man nicht im Einflussbereich der Stadt Wien, wo es eine ganz klare progressive Mehrheit gibt, endlich die Kindermindestsicherung so anheben, dass sie tatsächlich zu einer Grundsicherung wird. Ich verstehe es einfach nicht, und da müssen wir wirklich dringend handeln, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Ja, das ist möglich, auf Grund der Aufhebung der im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz festgelegten degressiv gestaffelten Höchstsätze für minderjährige Kinder, durch die Entscheidung vom 12. Dezember 2019 können die Bundesländer diese Leistungshöhen frei bestimmen. Wenn es also wirklich ein Anliegen ist, dann sollte man diesen gesetzlichen Handlungsspielraum auch wirklich ausschöpfen. Wir schlagen daher vor, und deswegen haben wir auch einen Antrag eingebracht, die Bemessungsgrundlage für minderjährige Kinder in Bedarfsgemeinschaften von 284,48 EUR auf sozusagen die Mindestschwelle bei der EU, die Armutsgefährdungsschwelle anzuheben, und das wären 418 EUR in diesem Fall. Der Zuschlag bei den Eltern orientiert sich lediglich an der Zahl der anspruchsberechtigten Personen, nicht an der Anzahl der Kinder. Nachdem sich der Zuschlag für Bedarfsgemeinschaften mit minderjährigen Kindern nicht an der Zahl der Kinder, sondern eben an der Zahl der anspruchsberechtigten Personen in der Bedarfsgemeinschaft orientiert, wird die Differenz zwischen Armutsgefährdungsschwelle und tatsächlicher Unterstützungsleistung mit jedem weiteren

 

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