Landtag, 34. Sitzung vom 19.06.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 26 von 79
Sie sind hier für das gesamte Team, es sind ungefähr 80 Personen, die bei Ihnen arbeiten - den Ausdruck Vollzeitäquivalent lernt man, glaube ich, erst, wenn man in der Politik ist -, RichterInnen, LandesrechtspflegerInnen, juristische MitarbeiterInnen, Verwaltungs- und Kanzleipersonal und ein Präsident. Sie alle sind nicht nur für den Bericht, sondern für die viele Arbeit, die dahintersteht, verantwortlich. Vielen Dank zuerst einmal für die geleistete Arbeit. (Beifall bei den GRÜNEN und von Abg. Dr. Kurt Stürzenbecher.)
2023 ist das 10. Jahr, es waren in Summe 172.000 Aktenstücke, Geschäftsfälle, mit denen Sie sich beschäftigen mussten, und es sind, glaube ich, nur ungefähr 200 auf anderer Ebene als bei Ihnen anders entschieden worden. Das ist ganz wenig. Von 593 Säumnisbeschwerden aus dem Magistrat, weil der Magistrat nicht schnell genug entscheidet, sind 521, das sind 88 Prozent, alleine von der MA 35, das finde ich für uns hier eine interessante Zahl. Ich weiß, dass bei der MA 35 haufenweise fleißige Leute arbeiten, dass das wichtige Arbeit ist, aber da braucht es einfach noch mehr und noch mehr und noch mehr Leute, damit die ihre Arbeit machen können und es nicht so viele Säumnisbeschwerden gibt. Ich rege mich gar nicht auf über die einzelnen Leute, die dort arbeiten. Ich glaube, mit dieser Last an Quantität der Arbeit ist es kein Wunder, dass nicht alles so schnell geht, wie es gehen sollte.
Ich möchte aber jetzt nicht die Zahlen besprechen, die hat der Kollege Weber vorher alle durchreferiert, sondern ein konkretes Beispiel. Was macht das Verwaltungsgericht eigentlich und was hat das mit uns zu tun? Ich gehe auf einen Fall ein, der das Verwaltungsgericht mehrfach beschäftigt hat, wo wir dann auch darüber reden müssen, wie man eigentlich Kosten verursacht als Politik oder Landesregierung. Ich nehme die Verschlussakte Volkertviertel, die das Jahr 2023 auch betrifft, aber viel früher anfängt und erst heuer, sagen wir einmal, zwischenabgeschlossen oder vielleicht abgeschlossen wurde.
Worum ist es da gegangen? Der „Falter“ hat beschrieben, was da passiert ist: Es wurde eine Befragung gemacht, Volkertviertel 2020, damals gab es eine grüne-Bezirksvorsteherin. Die Idee war: Wir machen ein verkehrsberuhigtes Supergrätzl und machen Befragungen, wir fragen die Leute, was sie wollen. Diese Studie hat man gemacht. Der „Falter“ schreibt dann und macht einen Vergleich mit dem Vatikan: „Im Kirchenstaate zu Rom gibt es hinter hohen Mauern und dicken Türen verborgen das Vatikanische Geheimarchiv.“ Der Unterschied zu diesem Vatikanischen Geheimarchiv, und zwar der Art und Weise, wie vom Magistrat mit der Studie Volkertmarkt verfahren wurde, ist: Es heißt zwar Geheimarchiv, aber es ist offen. Also das im Vatikan ist offen, da können Forscher und Forscherinnen hineingehen und alles durchlesen, können Sachen damit machen. Es heißt halt noch Geheimarchiv. Jetzt sind sie darauf gekommen, dass das nicht so ein Spitzenname ist, und ich glaube, es heißt jetzt deshalb Vatikanisches Apostolisches Archiv. Aber nichtsdestotrotz, dort kann man Akten einsehen.
Was kann man nicht einsehen in der Stadt Wien? Die Studie zum Volkertviertel. Warum nicht? Weil der neue Bezirksvorsteher im Zweiten gesagt hat: Ja, ich kenne die Studie, die hat meine Vorgängerin in Auftrag gegeben, Mist, die Leute wollen Verkehrsberuhigung, weniger Autos, weniger Lärm, bessere Luft. Das will ich nicht, also werde ich die Studie nicht vorlegen, sondern geheim halten. Fertig. Die Studie wurde bezahlt mit Steuergeld von den Menschen, die arbeiten gehen, die Studie wurde in Auftrag gegeben und niemand konnte sie anschauen.
So. Was macht jetzt eine Zeitung? Ein Journalist sagt, ich möchte es wissen. Der geht her und landet dann am Ende bei einem Entscheid des Verwaltungsgerichts, was sich dahinzieht über etwas längere Zeit. Noch einmal: Angefangen hat das am 14. Mai 2021. Dieser „Grätzl-Blattl“-Redakteur verlangt per Anfrage Auskunft über die Studie. Die MA 18 sagt, er soll zur Bezirksvorstehung gehen. Die Bezirksvorstehung teilt dann ein paar Tage später, am 20. Mai 2021, mit, die Studie wird nicht veröffentlicht, weil wir es sowieso nicht so machen. Das richtige Zitat wäre: „Die Studie wurde nicht veröffentlicht, da das Projekt nicht in der Form umgesetzt wird.“ 17. August: Der Redakteur sagt, Moment, wir haben ein Wiener Auskunftspflichtgesetz, ich würde gerne die Studie lesen. 27. August: Die Bezirksvorstehung sagt, da die Studie noch nicht ganz fertig ist, können wir sie nicht hergeben. - Also eine neue Argumentationslinie, jetzt ist sie nicht fertig.
Zwei Monate später sagt der Herr Bezirksvorsteher Alexander Nikolai zu dem Redakteur, „dass wir von zukünftigen Inseratenschaltungen mit sofortiger Wirkung Abstand nehmen beziehungsweise die bereits in Auftrag gegebenen hiermit widerrufen“. Außerdem wollen sie keine weiteren Zusendungen mehr von diesem „Grätzl-Blattl“, die Bezirksvorstehung will es also auch nicht mehr lesen. - Das kennen wir von woanders - mit Inseraten Wohlwollen erkaufen wollen oder eben umgekehrt sagen, ihr kriegt kein Geld mehr von uns ...
2022: Es geht weiter - Säumnisbeschwerde. Man muss sich vorstellen, wie lange das läuft! Alles, was der will, ist eine Studie, die man in Auftrag gegeben hat, lesen, sonst nichts! In Rom hat er es nicht gefunden, er muss es im 2. Bezirk suchen. 28. Jänner: Säumnisbeschwerde, weil die Bezirksvorstehung wieder nicht weitergemacht hat. 22. März: Statt die Beschwerde dem Verwaltungsgericht vorzulegen, schickt sie der Bezirk an die MA 18 - nächster Fehler, übrigens. Also, der Bezirk ist nicht sehr kooperativ, nennen wir es einmal so. 1. April 2022: Die MA 18 sagt, die Studie muss gemäß Bestimmung des Wiener Auskunftspflichtgesetzes nicht übermittelt werden. Außerdem steht eh alles auf der Website der Stadt Wien. - Falsch, da steht natürlich nix davon.
5. April: Der Redakteur gibt nicht auf - zweite Säumnisbeschwerde, diesmal geht er direkt zum Verwaltungsgericht. 28. April: Die MA 18 argumentiert gegenüber dem Verwaltungsgericht, die Studie sei zum Zeitpunkt der Anfrage in Überarbeitung gewesen und deswegen nicht herausgegeben worden. 5. Oktober: Der Fall wird am Verwaltungsgericht verhandelt, und jetzt sagt der Bezirksvorsteher, ich sehe überhaupt keinen Grund, warum ich die Studie nicht rausgeben soll, selbstverständlich könnt ihr das lesen. Selbstverständlich! (Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN.) Also darf er sie lesen!
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