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Landtag, 35. Sitzung vom 04.09.2024, Wörtliches Protokoll  -  Seite 8 von 23

 

Einkommen einfach so gering ist oder die eine so geringe Pension bekommen. (Anhaltender Widerspruch bei der ÖVP.) Das ist die offizielle Zahl vom Juni. Das sind Menschen, die einfach unter dem Existenzminimum arbeiten. (StR Dominik Nepp, MA: Wir können gleich 60 Prozent rausstreichen!)

 

Es sind aber auch Menschen - das ist in dieser Debatte einfach wirklich unerträglich -, die in dieser Debatte nicht zu Wort kommen. Hinter dieser Worthülse der Mindestsicherungsdebatte, wie sie hier geführt wird, verbergen sich nämlich Menschen. Dahinter verbergen sich Kinder, Familien und oft Schicksale und Familiengeschichten. Da werden oft in einer extrem unsachlichen Art und Weise einzelne Familien herausgezogen, die in einer gehässigen Diskussion einfach verschwinden und weggewischt werden. Wir wissen etwas über Armut: Wir wissen über soziale Ausgrenzung, dass sich die finanzielle Not, die Not der Menschen, oft im Verborgenen abspielt. Es ist nämlich eine Not, die Menschen verstecken. Es ist eine Not, die Menschen beschämt, weil wir wissen, dass Armut stigmatisiert. Genau durch solche Debatten stigmatisieren Sie Armut immer weiter, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN. - Abg. Anton Mahdalik: 4.600 EUR!) Arme Menschen werden von Ihnen beschämt, weil sie arm sind. Es ist das Geschäft der Beschämung und der Spaltung, das die FPÖ und Sie hier betreiben. Das lehnen wir ganz klar ab, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Wir wissen nämlich ganz genau: Armut kann jeden und jede treffen. Schicksalsschläge, Krankheit, Arbeitsunfähigkeit: Das kann jeden und jede treffen. Armut trifft Menschen, die hier leben. Viele sind hier geboren, viele sind hier aufgewachsen, andere sind vor Krieg und Elend hier her geflüchtet. Armut trifft Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet, aber einfach zu geringe Pensionen haben. Armut trifft Menschen mit niedrigen Einkommen. Armut trifft Kinder, die in arme Familien hineingeboren werden. Wir wissen, wie sehr Armut vererbt und an Kinder weitergegeben wird. Armut trifft Kinder, die oftmals in Gewaltverhältnissen und unter schlechten Wohnbedingungen aufwachsen.

 

Armut trifft das kleine Mädchen in der Straßenbahn, das auf ihre eine Packung Buntstifte gut aufpasst, weil sie weiß, dass sie wahrscheinlich das ganze Schuljahr damit auskommen muss. (Heiterkeit bei Abg. Dr. Markus Wölbitsch, MIM.) Armut trifft die alte Frau, die auf Essensrationen angewiesen ist, die sich im Sozialmarkt anstellt und sich schämt, dass sie im Sozialmarkt gesehen wird, und sich lieber einmal um die Ecke stellt, weil sie nicht will, dass man merkt, dass sie im Alter auf Mindestsicherung angewiesen ist. Armut trifft auch den Jugendlichen mit Behinderung, der trotz seiner Träume nicht arbeiten kann. Armut trifft - ich habe es schon gesagt - aber auch Menschen, die arbeiten. Armut trifft den Vater, der mit seinem Hilfsarbeiterjob seine Familie kaum ernähren kann und deshalb aufstocken muss. Armut trifft vielleicht eine Mutter, eine alleinerziehende Frau, die in einem sogenannten Frauenberuf nur Teilzeit arbeitet.

 

Deshalb noch einmal: Die Mindestsicherung ist ein überlebensnotwendiges soziales Netz. Die Mindestsicherung ist eine sozialpolitische und auch eine zivilisatorische Errungenschaft. Die Mindestsicherung ist ein Akt der Solidarität. Wir GRÜNE stehen ohne Wenn und Aber für ein modernes soziales Netz, das sich durch Grundrechte statt Almosen, durch Chancen statt Abstieg und durch sozialen Ausgleich und Achtung statt Beschämung auszeichnet, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Was wir sicher nicht zulassen, ist, dass wir uns durch diese medial gespielte und wirklich unterirdische Debatte gegeneinander ausspielen lassen. Wir wehren uns dagegen, dass hier MitbürgerInnen gegeneinander ausgespielt werden. Wir wehren uns vor allem dann, wenn es um Vorschläge zu einer Nivellierung nach unten geht, um Vorschläge, bei denen nicht jedes Kind gleich viel wert ist, oder um Vorschläge, die eine Gruppe von Menschen komplett ausschließen wollen. (Abg. Anton Mahdalik: Sie wollen den Syrern noch mehr Geld geben!)

 

Es wurde vom Kollegen Konrad heute schon gesagt: Die katastrophalen Auswirkungen solcher Vorschläge sehen wir in Wirklichkeit an Ihrer Reform der Sozialhilfe unter Schwarz-Türkis (Heiterkeit bei der ÖVP.) - unter Türkis-Blau, Entschuldigung -, die ihren Zweck vollkommen unzureichend erfüllt. Dieses Gesetz ist intransparent, dieses Gesetz hat eine völlig falsche Logik. Es geht nämlich von Höchstsätzen anstatt von Mindestsätzen aus. Dieses Gesetz ist komplett danebengegangen. Darunter leiden wir jetzt noch.

 

Es ist einfach erschreckend, wie verroht diese ganze Debatte geführt wird. Wir wissen es ja. Von der FPÖ erwarten wir auch gar nichts anderes. In Niederösterreich zeigt die FPÖ ja gerade, wohin ihre Phantasien dann im Vollausbau gehen. Mit der Bezahlkarte für AsylwerberInnen haben Sie ja jetzt dafür gesorgt, dass man nicht einmal mehr in Sozialmärkten einkaufen kann. Man kann in den Apotheken nicht einkaufen, man kann keine Öffi-Fahrscheine kaufen. (StR Dominik Nepp, MA: … in der Grundversorgung mit Essen und Medikamenten? Das erklären Sie mir mal!) Was macht die FPÖ? Sie spielt bei genau dieser Farce einfach mit. Wissen Sie, wie man das nennt? Rohe Bürgerlichkeit nennt man das, nämlich das Hintreten auf die Allerschwächsten von oben herab. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Wir GRÜNE setzen uns für eine Verbesserung des bestehenden Systems ein. Wir setzen uns für eine Versachlichung der Debatte ein. Ja, es gibt Gerechtigkeitslücken, die geschlossen werden müssen. Das System ist intransparent, es ist lückenhaft, es ist in jedem Bundesland anders geregelt. Wir setzen uns außerdem für eine Kindergrundsicherung ein. Es ist höchst an der Zeit, dass Kinder aus der Mindestsicherung, aus der Sozialhilfe, herausgenommen werden und eine Kindersicherung eingeführt wird. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Zum Abschluss: Wirksame Armutsbekämpfung setzt immer an vier Punkten an. Das eine ist das existenzsichernde Einkommen. Das ist der erste Punkt. Der zweite wesentliche Punkt ist aber auch der Zugang zu sozialen

 

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