Trauerakt
vom 16.03.2006 - Seite 2 von 4
Ich werde nur versuchen, mit wenigen Worten auch einem Freund zu danken, der für sehr viele - auch die seines Alters, aber auch die Jüngeren - bereits politischer Lehrmeister mit Gesinnungsstärke, Charakterfestigkeit und offenen Herzen gewesen war und man hat ihm gerade in diesem Haus für vieles Dank zu sagen.
Die parlamentarische Demokratie des
Wiener Landtages und Gemeinderates wurde gerade von ihm während seiner
Tätigkeit als Landeshauptmann und Bürgermeister beziehungsweise als
Vorsitzender der SPÖ-Wien gewaltig ausgebaut und erweitert. Mehr Rechte für den
Bürger, Volksbefragung, Volksabstimmung, die Volksanwaltschaft auch für Wien
zuständig, entsprach seiner Grundhaltung, die Meinung der Bürgerinnen und
Bürger zu hören und verstärkt in Entscheidungsprozesse einzubinden, war ihm
immer ein wichtiges Anliegen.
Erinnern wir uns doch an seine Antrittsrede
als Bürgermeister vor dem Wiener Gemeinderat 1973, die ich damals auch schon
erleben durfte, und sein starkes Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie,
vor allem aber sein persönliches Bekenntnis, in welchem er meinte, dass „Wien
an der Schwelle eines neuen Zeitalters“ stehe, sowie: „Wenn Politik bedeute,
auf Grund klarer Zielvorstellungen Entscheidungen zu treffen, Probleme zu
lösen, Prioritäten zu setzen und die Vorhaben Zug um Zug zu verwirklichen, dann
sei gerade die Kommunalpolitik der Teil der Politik, der am unmittelbarsten in
das Leben des Einzelnen eingreife.“ Das hat er in seinen Funktionen und
Aufgaben nie vergessen.
Leopold Gratz verstand Wien als
eine Stadt mit völkerverbindender Funktion und daher auch sein Engagement im
Bereich für eine europäische UNO-Stadt. Nach seiner Aussage "Wien ist die
Stadt aller Wiener" hat er dies nicht nur ausgesprochen und gemeint,
sondern auch nachweisbar danach gelebt und Wiener waren für ihn nicht nur
österreichische Staatsbürger, sondern die hier eine Heimat gefunden haben.
Die Liste der großen
Veränderungen unserer Stadt in seiner Amtszeit - beeinflusst durch seine
Innovation, Initiative oder Mitentscheidung - ist gewaltig. Denken wir an den
U-Bahn-Bau, die Donauinsel, an die Stadterneuerung, an neue Spitäler oder
wesentliche Umweltmaßnahmen. Besonders aber, und das ist beeindruckend für mich
immer gewesen, war auch sein Vertrauen in die Menschen und Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter und ich will nicht verhehlen, dass es gelegentlich auch Phasen gegeben
hat, wo es missbraucht wurde. Seine Loyalität, seine Freundschaftsstärke und
seine Treue, zu jemandem zu stehen, waren eine Stärke, die ergänzt wurde, auch
jemandem verzeihen zu können. Für mich ging gelegentlich dieses Verzeihen und
die Erduldung von Vertrauensbruch und die doch oftmals in einer bestimmten
Phase seines Lebensabschnittes durchaus bewusste falsche öffentliche
Darstellung seiner Person und seiner Eigenschaften und seines Charakters viel
zu weit. Er hat aber verziehen, darüber geschwiegen und ist trotzdem auf die
Menschen zugegangen.
Ich bin auch heute noch
überzeugt, dass er damals weit an die Grenze des Zumutbaren seines eigenen
Herzens gegangen ist und so erfreulicher war es dennoch, immer wieder die ihm
sichtbar entgegengebrachte Zuneigung der Wienerinnen und Wiener und der
Österreicherinnen und der Österreicher erleben und spüren zu können.
Wir haben nunmehr Abschied vom
Poldi Gratz zu nehmen. Lasst mich nochmals festhalten: Es gibt, und dafür bin
ich auch dankbar, weil ich es weiß, auch manche, die gelegentlich gelächelt
haben über ihn oder anders geredet haben, die sich nachher dafür geschämt haben
und ihn in der Stille um Verzeihung und gelegentlich auch persönlich und
öffentlich um Verzeihung gebeten haben. Das war wichtig, auch für seine Seele
und für seinen Glauben an die Menschen.
Du, lieber Freund Poldi, warst
ein Bürgermeister und ein Parteiobmann, großartig mit Leistungen und reich an
Ideen, zurückhaltend in der Darstellung deiner persönlichen Erfolge,
unerbittlich aber in der Schaffung und Verteidigung parlamentarischer
demokratischer Notwendigkeiten. Natürlich fühlen wir uns schuld gegenüber der
Familie für so vieles, wo wir ihn, dich Poldi, in Anspruch genommen haben und
du vielleicht zu Hause gefehlt hast. Und natürlich können wir das nicht wieder
gutmachen, aber wir wissen, du wolltest unter den Menschen sein und du wolltest
mithelfen und einen Beitrag für deine Heimatstadt und für die Republik
Österreich leisten.
Das ist dir gelungen und du hast
Vorbildwirkung und so bleibt heute nichts anderes übrig, als zu sagen, ein
Danke dem Bürgermeister, ein Servus dem Freund, ein Freundschaft dem Genossen.
Poldi, du bist uns sehr oft einen Weg vorausgegangen, glaube mir aber heute,
dieses Mal war es zu früh und weit vor der Zeit. Du wirst völlig in unserer
Erinnerung und in unseren Herzen verbleiben.
Landeshauptmann und Bürgermeister
Dr Michael Häupl: Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Werte
Trauergemeinde! Liebe Familie Gratz! Liebe Evi!
Ich möchte zunächst Leopold Gratz
selbst zu Wort kommen lassen:
„Wenn
es Anzeichen von Verdrossenheit gibt, dann gelten sie politischen
Erscheinungen, die nicht auf Parteien eingrenzbar sind. Ich glaube, in der
Kommunalpolitik, wo der nahe Kontakt des Bürgers mit der Politik stattfindet, gibt
es nach wie vor für Politiker und Parteien die große Chance, die Menschen für
politische Vorgänge, seien sie jetzt im Bezirk oder in der Stadt, zu gewinnen
und diese Menschen in die Vorgänge
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