Gemeinderat,
1. Sitzung vom 27.4.2001, Wörtliches Protokoll
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lang - ich weiß, das ist ein Bundesproblem, aber wir in Wien
haben diesbezüglich bis jetzt auch nicht wirklich wesentlich etwas vorantreiben
können.
Wir hören sehr wohl jetzt Ihre Ankündigung, dass man
einen neuen Anlauf macht; ich möchte dabei aber eines feststellen, nämlich dass
man jetzt ein Jahr versäumt hat. Dieses Jahr wäre deshalb so wichtig gewesen,
weil diese Studie, die voriges Jahr von der damaligen Finanzstadträtin Ederer
vorgelegt wurde, besagt hat, dass wir in Wien im Jahre 2003 eine Lücke von
ungefähr 9 000 Fachkräften haben werden, und wir damals gesagt haben - und
darin haben wir eigentlich auch übereingestimmt -, dass wir, wenn wir jetzt
gleich anfangen auszubilden, aus eigener Kraft vieles abfangen können und nicht
wieder auf das Thema kommen müssen, Fachkräfte aus dem Ausland zu holen, was
sowieso illusorisch ist, weil Sie ja die Fachkräfte im Ausland auch nicht bekommen.
Das ist ja auch so eine virtuelle Diskussion. Der eine
Reflex ist: Haben wir sie nicht im Land, dann holen wir sie uns aus dem
Ausland. Und dann kommt der andere Reflex - das gebe ich schon zu - von uns, indem
man sagt: Bitte, wieso schon wieder, wo wir jetzt doch ohnedies schon so viel
hinter uns haben, aber von uns selbst wurde nichts gemacht - auch nicht in
Wien!
So darf es nicht weitergehen. Wenn Sie heute in Ihrer
Erklärung ankündigen, Sie wollen hier Schritte setzen, Herr Bürgermeister, dann
tun Sie es bitte gleich, möglichst auf der Stelle, weil wir jetzt ohnedies
schon ein Jahr versäumt haben. Das ist unwiederbringlich verloren! (Beifall bei der FPÖ.)
Ein Thema, das uns sicher auch trennen wird, ist das
Wahlrecht, nicht nur im Bereich des Verhältniswahlrechts. Zu glauben, wie jetzt
die beiden anderen Oppositionsparteien, dass die SPÖ hier auch nur einen Millimeter
nachgeben wird, ist eine Illusion. Wir sind da leidgeprüft, denn wir wissen
seit 1978, seit damals von der Sozialistischen Partei versprochen wurde, ein
Proportionalwahlrecht parallel zum Bund einzuführen, dass wir immer noch darauf
warten. Selbst wenn wir bis zum diesjährigen Wahlergebnis jetzt auch schon ein
bisschen davon profitieren, glauben wir trotzdem, dass es demokratiepolitisch
einfach wichtig wäre. Aber ich weiß, es ist eine Illusion. Sie werden es nicht
machen, denn Sie haben jetzt wieder profitiert, und daher werden Sie jetzt noch
weniger dazu bereit sein als vielleicht in den letzten viereinhalb Jahren.
Wir sind auch nach wie vor vollkommen unterschiedlicher
Meinung, wenn es um das Ausländerwahlrecht geht. Ich habe gehört, dass Sie das,
was Sie noch in Ihrem Wahlprogramm, zumindest im Internet, stehen hatten, heute
nicht mehr angekündigt haben. Sie haben sich heute auf das Wahlrecht für die
Bezirksvertretung, also auf Bezirksebene beschränkt und nicht mehr, wie Sie es
noch im Wahlkampf versucht haben, vom Wahlrecht auf Gemeindeebene gesprochen.
Dabei ist schon klar, dass Sie das alleine nicht durchsetzen können, aber da
werden wir sicher unterschiedlicher Meinung sein, weil wir nach wie vor auf dem
Standpunkt beharren - und das, glaube ich, auch aus gutem Grunde -, dass das
Wahlrecht eben ein staatsbürgerliches Recht ist und auch bleiben muss. Von
diesem Standpunkt werden wir sicher nicht abrücken. (Beifall bei der FPÖ.)
Wir haben das Thema dieses Wahlrechts in einer
Diskussion im Jahr 1988 oder 1989 - denn das ist ja ein ständiger
Diskussionsgegenstand - erstmals hier im Gemeinderat etwas näher erörtert, und
es wäre vielleicht interessant, wenn wir jetzt dort anknüpfen würden, weil auch
damals die Gründe angeführt und diskutiert wurden, warum es eigentlich
zweckmäßig ist, ein staatsbürgerliches Recht, das Wahlrecht in die allgemeinen
Vertretungskörper, als staatsbürgerliches Recht beizubehalten. Tauschen wir
einmal die Argumente aus! Ich glaube, dass wir hier die besseren Argumente
haben und vielleicht können wir Sie davon überzeugen, dass das tatsächlich ein
staatsbürgerliches Recht sein und bleiben sollte.
Wir werden sicher auch die Vergabe von Subventionen
sehr genau unter die Lupe nehmen. Diesbezüglich wird es von uns nach wie vor
sehr klare und auch sehr harte Kritik geben. Wir werden danach trachten, Sie
davon zu überzeugen, von vielen Subventionsvergaben, die aus unserer Sicht eher
dubios sind, abzugehen und damit positive, zum Beispiel familienpolitische
Maßnahmen zu setzen, weil ja das letztlich Subventionen sind, die auch in die
Dimension von Hunderten Millionen S gehen.
Ich glaube jedenfalls, dass wir in den nächsten vier,
fünf Jahren durchaus eine sehr positive Politik machen könnten - trotz des
Wahlrechts -, denn wenn Sie das, was Sie heute in Ihrer Erklärung an Signalen
gesendet haben, von Ihrer Seite aus realisieren und wenn es auch uns gelingt,
das zu realisieren, was wir gesagt haben und auch meinen, dann kann vielleicht
sogar gerade diese absolute Mandatsmehrheit, mit der auch klare Verhältnisse
geschaffen wurden, weil Sie jetzt letztlich die Alleinverantwortung haben, dazu
beitragen, dass man zu einer entspannteren Diskussion in einzelnen Sachfragen
kommen kann.
Wir sagen Ja zu einer sachbezogenen Diskussion und, wo es
geht, zu einer Zusammenarbeit. Es wird natürlich in erster Linie auch an der
Partei liegen, die die absolute Mehrheit hat, wie sie mit politisch Andersdenkenden
umgeht. Es ist ja - ohne sich jetzt in Zahlenspielereien einzulassen - nicht
die absolute Mehrheit der Bevölkerung, die jetzt hinter Ihnen steht, und daher
glaube ich, dass man das, was Sie vorhin in Ihrer Erklärung gesagt haben,
positiv aufnehmen sollte - auch aus diesem Grund, dass eben, wenn man das jetzt
hochrechnet, 70 Prozent der Wienerinnen und Wiener nicht für diese
absolute Mehrheit gestimmt haben. Aber wenn ich davon ausgehe, dass Sie das
vielleicht ähnlich sehen, auch wenn die Realität jetzt eben auf Grund des
Wahlrechts eine andere ist, dass Sie darüber nachdenken, dann sind Sie
wahrscheinlich auch mental durchaus in der richtigen Startposition,
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