Gemeinderat,
1. Sitzung vom 27.4.2001, Wörtliches Protokoll
- Seite 38 von 65
darüber hörte, dass es im Vorarlberger Wahlrecht gar keine
amtlichen Stimmzettel gibt, während Sie, Herr Klubobmann Görg, hier zur
Diskussion stellen, dass das Wiener Wahlrecht undemokratisch wäre.
Wir haben uns auch für das Wiener Wahlrecht einige
Veränderungen vorgenommen, die uns sinnvoll erscheinen: Wahlrecht mit 16,
Einbindung von jungen Menschen, um diesen die Möglichkeit zum Mitgestalten zu
geben. Wir haben auch über die Mitbestimmung auf der kommunalen Ebene intensiv
nachzudenken. Demokratie entwickelt sich immer weiter. Es ist auch im
regionalen Bereich über die Demokratie zu diskutieren. Es gibt immer Bereiche,
wo Diskussionen notwendig sind. Anlassdiskussionen aber halte ich nicht für den
richtigen Weg. Man muss sich grundsätzlich immer mit der Weiterentwicklung des
demokratischen Systems auseinander setzen. Ich glaube, es gibt auch eine
Vielzahl von guten Gründen, warum in Österreich und in der Welt demokratische
Systeme so gestaltet sind, wie sie gestaltet sind. Solange es hier nicht zu
völlig veränderten Voraussetzungen kommt, halte ich es für unangebracht, nur
auf Grund des Wahlergebnisses, das Wahlrecht zur Diskussion zu stellen, so wie
dies jetzt meine drei Vorredner getan haben.
Wir haben - und man muss sich das, glaube ich, schon
auch vor Augen führen - im vergangenen Wahlkampf in dieser Stadt durchaus
einiges erlebt. Wir Wiener Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben uns bemüht,
ein klares Programm vorzulegen. Bei einigen anderen Parteien haben wir das
durchaus vermisst; da ist man eher an der Oberfläche geblieben. Wir haben
versucht, hier klare Vorgaben zu machen und wir stehen auch zu diesen
Wahlversprechen. Wir laden von dieser Stelle aus auch alle hier im Wiener
Landtag und Gemeinderat vertretenen Parteien dazu ein, mit uns über diese
konkreten Vorhaben, die durch den Bürgermeister präsentiert wurden und die sich
auch in verschiedensten Publikationen finden, zu diskutieren. Wir hoffen - auch
wenn die ersten Anzeichen nicht gerade zu Optimismus Anlass geben -, dass
dieses Angebot letztendlich angenommen wird und dass wir gemeinsam eine gute
Arbeit für die Wienerinnen und Wiener zustande bringen.
Ich möchte aber, weil damit vielleicht die eine oder
andere gegenwärtige Situation klarer wird, schon auch noch auf etwas anderes,
das sich im Zuge der Wahlauseinandersetzung in Wien zugetragen hat, Bezug
nehmen.
Es ist in diesem Wahlkampf von Seiten der Freiheitlichen
Partei leider ein Thema ins Spiel gekommen, das sich viele von uns in diesem
Wahlkampf nicht gewünscht hätten. Es ist von einem Mann gekommen, von dem man
seit einem Gerichtsurteil von letzter Woche auch durchaus sagen kann, dass er
ein bisschen ein Verharmloser des Nationalsozialismus ist, der sich in den
Wiener Wahlkampf geworfen hat und sich in diesem Wahlkampf auch des
Antisemitismus bedient hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben
gesehen, wir können auf unser Wien stolz sein, gerade auch darauf, wie es
reagiert hat: Die Wienerinnen und Wiener haben dieser antisemitischen Kampagne
von Herrn Haider eine klare und eindeutige Absage erteilt. (Beifall bei der SPÖ sowie des GR Mag Christoph Chorherr und der StR
Mag Maria Vassilakou.)
Im Gegensatz zu diesem Kärntner hat Wien aus seiner
Vergangenheit gelernt und es übernimmt für seine Vergangenheit auch die
Verantwortung. Die Einsetzung eines Restitutionsbeauftragten der Stadt Wien ist
hiefür ein klares Signal. Wir bekennen uns zu unserer Vergangenheit, wir
bekennen uns zur Aufarbeitung unserer Geschichte und zur Übernahme der
Verantwortung dafür und wir bekennen uns zu unseren jüdischen Mitbürgern und
zur jüdischen Kultur in dieser Stadt, ohne die Wiens Ruf als Weltstadt von Rang
ganz anders aussehen würde und letztendlich undenkbar wäre.
Ich glaube, es ist mit diesem Schritt, mit der Einsetzung
einer anerkannten Persönlichkeit als Restitutionsbeauftragten, eine gute
Entscheidung getroffen worden, und Wien trägt damit auch seiner Verantwortung
für die Geschichte entsprechend Rechnung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind mit
einem Programm in die Wahlauseinandersetzung gegangen, bei dem es um die
Zukunft der Stadt geht. Die Zukunft Wiens und der gute, anerkannte Wiener Weg
waren das Hauptthema. Von der ÖVP sind in dieser Wahlauseinandersetzung auch
nicht die großen Zukunftsthemen gekommen, obwohl sie einen Stadtrat gehabt
hätte, der durchaus dieses Thema besetzen hätte können. Hier ist uns in erster
Linie die gesamte Debatte rund um die Privatisierung in Erinnerung geblieben:
Wienstrom, Wiengas, Wiener Wasser, Gemeindewohnungen verkaufen und vieles
andere mehr. Das, denke ich, ist die Zukunft, wie Sie sie definiert haben, aber
nicht die Zukunft, die den Vorstellungen der Wähler davon entspricht, in
welchen Bereichen eine Privatisierung erfolgen soll.
Es geht eben nicht um den Fetisch Privatisierung,
sondern es geht um sinnvoll überlegte Privatisierungen. Ich glaube, wenn man
sich hier die Bundespolitik anschaut, dann gibt es dort schon den Zugang
"Fetisch Privatisierung", aber nicht "sinnvolle Privatisierung",
sehr geehrter Herr Görg! (Beifall bei der
SPÖ.)
Wir haben immer gesagt: Privatisieren ja, aber dort, wo es
sinnvoll ist. Ich brauche jetzt gar nicht noch einmal die internationalen
Beispiele aufzuführen, ob es Kalifornien ist oder ob es die Entwicklungen in
England sind, wo gerade ein Premierminister mit den Folgen der hemmungslosen
Privatisierung zu kämpfen hat: mit einem Schienensystem, das ein Sicherheitsrisiko
darstellt, mit einer unzuverlässigen Wasserversorgung, mit einer veralterten
Infrastruktur, einer verrotteten U-Bahn, einer Gesundheitsversorgung, in der
sich letztendlich nur mehr Begüterte die entsprechenden Operationen leisten
können oder wo nur mehr
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular