Gemeinderat,
1. Sitzung vom 27.4.2001, Wörtliches Protokoll
- Seite 55 von 65
von vielen Betrieben von einer Deindustrialisierung
betroffen ist, so war auch die Steiermark vor zehn Jahren noch eine industrielle
Krisenregion, durch die Krise der Grundstoffindustrie damals. Erst als sich in
der Steiermark vor vielen Jahren dieses Bewusstsein des Strukturwandels in
allen Parteien durchgesetzt hat, konnte wirklich ein erfolgreiches Gegenkonzept
entwickelt werden. Die Steiermark hat mittlerweile diesen wirtschaftlichen
Strukturwandel erfolgreich bewältigt, etwa durch die Schaffung des steirischen
Automobilclusters oder durch den Bau von Technologiezentren.
Es ist heute die Arbeitslosigkeit in Wien, bei uns,
leider bereits höher, als etwa in der Steiermark. Dieses erfolgreiche Konzept
konnte auch in der Steiermark erst nach langem Streit verwirklicht werden,
nachdem man diese Idee über den Parteienzank gestellt hat. Dieses steirische
Modell war erfolgreich, weil es gemeinsam mit der Wirtschaft, unabhängig von
der Parteipolitik, aber gemeinsam mit Experten aus der Wissenschaft und aus der
Forschung verwirklicht wurde. Dieses Modell in der Steiermark war erfolgreich,
weil man dort bei guten Ideen auf Grund der Krise damals gar nicht erst nach
der Parteifarbe gefragt hat.
Meine Damen und Herren! Vielleicht ist es jetzt auch
in Wien möglich, in diesem Klima der Zusammenarbeit Oppositionsvorschläge
umzusetzen. So haben wir etwa als neues Instrument eine Wiener Technologiemarketinggesellschaft
vorgeschlagen. Diese neue Gesellschaft soll internationalen Vorbildern - etwa
Paris, aber auch Berlin - folgend die Errichtung von Technologieparks und von
Gründerzentren in der Stadt in Angriff nehmen. Wir haben dazu auch bereits
einen ersten Standortvorschlag präsentiert, nämlich ein Favoritner Technologie-
und Gründerzentrum im Bereich des geplanten Hauptbahnhofs für 6 000 bis
7 000 hochwertige Arbeitsplätze.
Meine Damen und Herren! Vielleicht werden jetzt auch
bei uns in Wien neue Vorschläge nicht nur deswegen abgelehnt, weil sie von der
Opposition kommen. Wir werden die Arbeit dieses neuen Planungsstadtrats, der
heute gewählt worden ist, auch daran messen, wie offen er auf solche neuen
Vorschläge von anderen Fraktionen zugeht. Wir werden ihn daran messen, ob er
bei der Planung in Wien auch Räume für Technologiezentren vorsieht und dadurch
Chancen für junge Unternehmen in Wien schafft.
Meine Damen und Herren! Der Herr Bürgermeister hat
betont, dass sich Wien zur Osterweiterung bekennt. Natürlich bekennt sich auch
die freiheitliche Fraktion in diesem Hause zur Erweiterung der Europäischen
Union. Wir dürfen aber in unserer Verantwortung für diese Stadt nicht nur die
Vorteile dabei sehen. Es werden gerade viele unserer kleineren und mittleren
Betriebe, unsere Baufirmen, unsere Installateure, unsere Tischler, unsere
Maler, durch die Osterweiterung unter einen gewaltigen, teils ruinösen
Preisdruck kommen. Es hat daher erst gestern der Wirtschaftskammerpräsident
einen Schutz dieser sensiblen Branchen in diesem Prozess verlangt.
Es werden vor allem die Löhne unserer Arbeitnehmer in
Wien durch diese Osterweiterung unter Druck kommen und sinken. Es sind daher
heute gerade die Interessenvertreter der Arbeitnehmer, die Arbeiterkammer, aber
auch die Gewerkschaft, die auf ihrer restriktiven Linie beharren und vor einer
weiteren Zuwanderung warnen. Es ist in Deutschland der sozialdemokratische
Bundeskanzler Schröder, der heute unser stärkster Verbündeter in dieser Frage
ist. (GR Dr Kurt Stürzenbecher: Na ja!)
Meine Damen und Herren! Auch der Herr Bürgermeister
hat heute festgestellt, dass wir den Standortwettbewerb in diesem größeren
Europa nicht durch Sozialdumping gewinnen können, nicht dadurch, dass auch die
Löhne in Wien sinken. Das kann nicht der richtige Weg für diese Stadt sein. Wer
sich zur Lebensqualität und zum Lebensstandard in Wien bekennt, muss daher für
eine behutsame Erweiterung eintreten und er muss auch für sehr lange Übergangsfristen
eintreten. (Beifall bei der FPÖ.)
Meine Damen und Herren! Der Herr Bürgermeister hat
heute in der Bildungspolitik alle möglichen Fragen an die Bundesregierung
gerichtet. Er hat das aber in jenem Bereich, wo wir selber zuständig sind,
nämlich bei den Fachhochschulen, nicht so stark betont, weil das genau jener
Bereich ist - das hat auch Kollegin Rothauer eben angesprochen -, wo Wien nicht
gerade der Spitzenreiter unter den Bundesländern ist. In Niederösterreich, aber
auch in Oberösterreich, wird viel mehr Geld in die Fachhochschulen investiert,
als bei uns in Wien. Auch die Steiermark ist uns hier voraus. In der Steiermark
läuft eine große Werbekampagne unter dem Motto "Nimm deine Zukunft in die
Hand, ergreife das Angebot zur Ausbildung", wie in der Informationstechnologie.
Bei uns in Wien passiert hier etwa bei der Werbung in der Jugend viel zu wenig
in diese Richtung. Bei uns rufen viele Politiker ganz einfach und leicht nach
neuen ausländischen Arbeitskräften, dabei wäre es genau die Aufgabe dieser
Politiker, für eine entsprechende Ausbildung der Jugend zu sorgen.
Meine Damen und Herren! Das wäre meiner Überzeugung
nach eine wichtige Aufgabe für den Wiener Stadtschulrat. Genau das wäre auch
die wichtigste Aufgabe seiner neuen Präsidentin. Wir werden diese neue Stadtschulratspräsidentin
daher auch an ihrem Erfolg messen, wie stark sie es schafft, unsere Wiener
Jugend für die Ausbildung in solchen Zukunftsberufen zu begeistern. Wir werden
den neuen Finanzstadtrat auch daran messen, wie stark er unsere Wiener Fachhochschulen
in Hinkunft fördern wird.
Meine Damen und Herren! Der Herr Bürgermeister hat heute ein
sachpolitisches Angebot unterbreitet. Wir Freiheitliche nehmen dieses Angebot
gerne an, das Angebot zu einer Zusammenarbeit in Sachfragen für die Stadt.
Dort, wo die Freiheitlichen - etwa auf Bundesebene - Regierungsverantwortung
tragen, hat
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular