Gemeinderat,
1. Sitzung vom 27.4.2001, Wörtliches Protokoll
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hafte und ernst zu nehmende Gesprächspartner finden, wenn es
um Europa geht. Auch dafür bin ich dankbar, dass das vorrangig erwähnt wurde.
Ich bin überzeugt, dass Wien wie kaum eine andere Stadt in Europa diese
Verantwortung, die urbane Mitverantwortung am europäischen Integrationsprozess
vorrangig behandeln und zunehmend in den Vordergrund stellen muss. Wir sind nicht
irgendeine deutschsprachige Stadt, die halt irgendeine Verantwortung als
Kulturzentrum auf diesem Kontinent hat, sondern wir haben eine ganz spezifische
Verantwortung.
Ich freue mich auch, dass es die Volkspartei war,
vertreten durch mich, die - und zwar zum Wohle dieser Stadt - im Jahre 1996
unter der österreichischen Präsidentschaft das erste große
Kulturstadträtetreffen Europas arrangiert und veranstaltet hat, und dass sich
tatsächlich die gesamten urbanen Kulturverantwortlichen - der Bürgermeister hat
ja gesagt, dass 80 Prozent der Europäer in Städten wohnen - hier in Wien
zusammengefunden haben, um darüber nachzudenken, was unsere spezifische
Verantwortung im zukünftigen Europa zu sein hat. Wir von der Volkspartei sind
da zu jeder Zusammenarbeit bereit, weil wir glauben, dass diese
Weichenstellungen in vielfacher Hinsicht von besonderer Bedeutung für die
nächsten Generationen sind.
Meine Damen und Herren! Es ist schon spät, ich will
es nicht zu lange machen, und ich weiß auch, dass wir noch genug Gelegenheit zu
ernsthaften kulturpolitischen Auseinandersetzungen haben werden. Ich habe auch
den Eindruck und bin zuversichtlich, dass wir versuchen werden, mit diesem
Grenzgang zwischen Fairness und Bestimmtheit umzugehen und damit auch mit einer
neuen Form der kulturpolitischen Auseinandersetzung in unserer Stadt. Wir haben
in den letzten Jahren eines versucht, und das kann man nicht wegdiskutieren,
und man kann auch gar nicht versuchen, das nicht auch in den Zusammenhang mit
der Ideologie, mit dem Weltbild der Volkspartei zu bringen, die die Einladung
angenommen hat - und das war gar nicht leicht, mit 15 Mandaten den Versuch
zu machen, in Wien Kulturpolitik weiterzubringen -, gerade in diesem Bereich
unterwegs zu sein: nämlich immer wieder - und ich würde mir wünschen, dass es
darüber auch eine Übereinstimmung gibt - über die Relevanz der Kunst und die
Relevanz des kulturellen Grundsatzanliegens innerhalb unserer Gesellschaft
nachzudenken. Wenn das einmal geschieht, dann werden auch die Einzelnen darüber
nachdenken, was die Musik in ihrem Leben bedeutet, was das Theater in ihrem
Leben bedeutet. Viele von den Dingen, die wir in den letzten Jahren diskutieren
mussten, weil wir gemerkt haben, dass da etwas nicht stimmt - ob das die Theaterbesuche,
die Filmproblematik, der Tanz oder die elektronische Musik war -, haben
unmittelbar damit zu tun, dass wir gemerkt haben, dass die Relevanz der
künstlerischen Auseinandersetzung im Leben der Einzelnen, die in dieser Stadt leben
und wohnen, nicht mehr in diesem Ausmaß gegeben war, wie es vielleicht noch in
den früheren Generationen der Fall war.
Wenn es um die Relevanz der Kunst im Leben des
Einzelnen geht, dann geht es natürlich in der Gesamtüberlegung um die Relevanz
der Kunst in der Gesellschaft insgesamt. Wir von der Volkspartei - und da weiß
ich mich einig mit vielen in diesem Haus - sind überzeugt davon, dass eine
Gesellschaft, die sich ernsthaft mit der Kunst und damit mit dem Neuen, mit dem
Ungewohnten, mit dem nicht Vertrauten auseinander setzt, auch eine Gesellschaft
sein wird, die sich bereitwilliger mit dem Fremden insgesamt auseinander setzen
wird.
Meine Damen und Herren! Ich halte das für ein
vorrangiges Anliegen in dieser Stadt. Wir haben heute viel von
Ausländerwahlrecht und Integration und dem Zusammenleben der verschiedenen
ethnischen Gruppen in dieser Stadt gehört, und ich halte es, wenn das gelingen
soll, für eine Voraussetzung, dass wir mit größter Intensität diese
Herausforderung annehmen, dass die Menschen sich mit der Kunst tatsächlich
befassen, weil ja jedes Stück neuer Kunst auch ein Stück neuer Freiheit ist.
Wenn wir uns diese Freiheit nehmen, dann werden wir uns auch die Freiheit nehmen,
uns innerhalb der Gesellschaft mit dem nicht Vertrauten glaubhaft und ernsthaft
auseinander zu setzen.
Ich habe der Erklärung des Herrn Bürgermeisters sehr
aufmerksam zugehört. Es war auch der Anteil der kulturpolitischen Aussagen,
gemessen an der Gesamtlänge und an der Gesamtsubstanz des Referats, durchaus
angemessen. Aber ich sage auch in aller Offenheit eines: Es ist ein
Unterschied, ob man programmatische Erklärungen abgibt oder ob man dann im
Alltag den Offenbarungseid des täglichen Bekenntnisses zur Umsetzung ablegen
muss. Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, die Sie jetzt
alleine und ohne große Gefahr eines Überstimmtwerdens - außer wenn irgendein
organisatorisches Unglück passiert - die Verantwortung tragen: Darauf, dass das
auch umgesetzt wird, darauf, dass es nicht nur bei Ankündigungen und
Erklärungen bleibt, darauf, dass nicht Programm anstatt Aktivität das Sagen
hat, meine Damen und Herren, werden wir von der Österreichischen Volkspartei in
der Opposition mit großer Nachhaltigkeit achten, und wir werden alles dafür
tun, dass das nicht der Fall sein wird.
Ich sage Ihnen zum Schluss noch etwas, weil ich
glaube, dass es dieses Zusammenspiel von Zusammenarbeit, Fairness und harter
Auseinandersetzung zum Wohle dieser Stadt auch in Zukunft geben soll: Ich
glaube, dass wir sagen können, dass wir, seit von der letzten Stadtregierung auch
die kulturpolitischen Weichen gestellt wurden, ohne Wenn und Aber, und zwar in
allen Bereichen - das lässt sich ganz leicht argumentieren -, in der obersten
Liga des europäischen Kulturwettbewerbs mitspielen können. Die Volkspartei wird
alles tun, damit das auch in Zukunft so bleibt, meine Damen und Herren.
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