Gemeinderat,
1. Sitzung vom 27.4.2001, Wörtliches Protokoll
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dem ich zu seiner Wahl gratulieren darf - Diskurse über das
Ausmaß des Einflusses, den die Politik in der Kulturverwaltung haben soll,
gehabt. Ich habe auch nichts dagegen, dass man diese Ideologie vertritt, nur:
Dann soll man sie auch nach außen hin tatsächlich so definieren. Dann soll man
nicht Vereine schaffen und dann alles tun, damit diese Vereine nicht wirklich
unabhängig sind, indem man selbst wieder die Präsidentschaften übernimmt und
die politischen Organe in die Kuratorien und Gremien dieser Vereine
hinübertransferiert, meine Damen und Herren!
Ich glaube, dass es, wenn wir uns so gerne als
Großmacht Österreich oder als große Kulturstadt Wien bezeichnen, tatsächlich
notwendig ist, dass die Politik weiß, welchen Stellenwert sie dabei hat -
nämlich tatsächlich nur einen sekundären -, dass wir dieses Wort überhaupt nur
in den Mund nehmen dürfen, weil die, für die wir da sind und arbeiten, nämlich
die Künstlerinnen und Künstler, es uns erlauben, von uns als Kulturstadt zu
denken und zu sprechen und uns als solche zu empfinden - gleichgültig, ob das
jetzt die Musikstadt Wien, die Theaterstadt, die Filmstadt, die Tanzstadt oder
was immer ist. Darüber sollte es einen Grundkonsens geben.
Ich glaube, dass es kein Zufall ist, dass jene
Partei, die sich in der letzten Legislaturperiode aus diesem Grundkonsens
ausgeschlossen hat - ich habe die heutigen Töne auch als einen neuen Anlauf
verstanden, das zu verändern, und ich sage das daher sozusagen rückblickend, in
der Hoffnung, dass das in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr so sein
wird -, die einzige Partei, die sich von dieser grundsätzlichen Verpflichtung
der Politik den Künstlern gegenüber ausgeschlossen hat, meine Damen und Herren,
auch die einzige Partei in diesem Haus ist, die ein Minus vor ihrem
Wahlergebnis hat. Ich glaube, darüber sollten auch Sie noch einmal näher
nachdenken und aus Ihren heutigen Wortmeldungen hatte ich auch den Eindruck,
dass Sie das tun.
Viel hat man jetzt gehört von einem "Zurück ins
rote Wien". Diese Angst gibt es, Herr Bürgermeister und meine Damen und
Herren von der Sozialdemokratie, die gibt es wirklich, weil niemand zurück will
ins rote Wien. Und noch - auch weil wir die Erfahrungen der Zusammenarbeit noch
in uns tragen - sind wir bereit, hinter diesem Satz ein Fragezeichen zu
stellen. Noch wollen wir sagen: zurück ins Rote Wien?, Fragezeichen, und noch
sind wir bereit, die Signale fair, aber mit Bestimmtheit zu interpretieren, die
es allenfalls in diese Richtung geben mag.
Aber erinnern Sie sich doch mit mir an die medialen
Stichworte des Jahres 1996 nach dem Wechsel im Kulturressort: Kulturhegemonie,
Feudalherrschaft, Cliquenwirtschaft und, und, und. Alle diese Worte kamen
tatsächlich - und zwar als ernst gemeinte Kommentare - in den Medien vor. All
das, meine Damen und Herren, stand am Ende einer sozialdemokratischen
Alleinregierung, und zwar nicht in der bürgerlichen Presse, sondern quer durch
alle Medien bis hin zum "Standard" und zum "Falter".
Das sollte uns, die wir jetzt an einer neuen Wende
für diese Stadt und in verschiedenen Positionen stehen, auch nachdenklich
werden lassen, und es berechtigt sehr wohl zur Frage: Was wird da in den
nächsten Jahren zu sehen und zu hören sein, meine Damen und Herren? Wird es die
Unvereinbarkeiten weiter geben? Werden wieder Gemeinderätinnen und Gemeinderäte
als Finanzreferenten der großen Kulturvereine unterwegs sein? Wird man wieder
in den Kuratorien und Gremien sitzen? Wird es wieder, Herr Klubobmann, fraktionelle
Vorbesprechungen geben, um im Klub zu bestimmen, wie in den Kulturvereinen
abgestimmt werden darf? - Ich stelle das einmal nur als Fragen in den Raum und
nicht als Vermutungen, aber ich würde Sie bitten, das ernst zu nehmen.
Wenn man die Rolle eines kontrollierenden Stadtrates
ernst nimmt, dann muss man diese Fragen stellen dürfen - noch als Fragen, aber
mit der Bereitschaft, auch Antworten darauf zu geben, sollten sich diese Fragen
tatsächlich als beabsichtigte Veränderungen herausstellen. Sind das - wenn es
dazu käme, meine Damen und Herren - die "natürlichen Verhältnisse",
von denen ein ehemaliger hoher sozialistischer Funktionär gesprochen hat?
Für uns und im Weltbild der Volkspartei sind die
natürlichen Verhältnisse, meine Damen und Herren, unabhängige
Programmverantwortung, Minimierung der Abhängigkeiten und Maximierung der
kreativen Entfaltung in unserer Stadt. Das sind die kulturpolitischen
Stichworte, die sich aus unserem Weltbild ergeben, für die wir gekämpft und
gearbeitet haben und für die wir in unserer Stadt weiterhin eintreten werden. (Beifall bei der ÖVP. - GR Mag Christoph
Chorherr: Umbildung beim ORF! Das war ein "ernst gemeinter" Beitrag!
- Zwischenruf des GR Godwin Schuster.) - Herr Chorherr! Sie sitzen im
Wiener Gemeinderat und nicht im Parlament! Wenn sieben von Ihren Zwischenrufen
mit der Bundespolitik zu tun haben, dann bewerben Sie sich doch einmal um ein
Nationalratsmandat! Das wäre ja wirklich der richtigere Weg.
Für zwei Punkte in seiner Erklärung bin ich dem
Bürgermeister dankbar und diesbezüglich wird er auch unsere volle Bereitschaft
zur Zusammenarbeit haben und auch unsere Zusage, in dieser Richtung in Wien
gemeinsam zu arbeiten: Zum einen, was die Vorrangigkeit des Umgangs mit der
geschichtlichen Wahrheit betrifft. Ich stehe nicht an zu sagen, dass ich im
Judenplatz sozusagen symbolhaft eine Lösung sehe, die nur durch einen
unglaublich ernsthaften politischen Konsens und Umgang mit diesem Thema möglich
war. Ich empfinde den Judenplatz wirklich als Einladung, darin nur eine
Wegmarkierung zu sehen, um sich dieser Debatte weiterhin mit großer
Ernsthaftigkeit zu stellen.
Sie werden auch, meine Damen und Herren von der
Sozialdemokratischen Fraktion, aber auch von allen anderen Parteien, in der
Volkspartei ganz glaub-
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