Gemeinderat,
2. Sitzung vom 23.5.2001, Wörtliches Protokoll
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gestellt, und deshalb bin ich all denen dankbar - von der
Kunsthalle bis insbesondere zu den Wiener Festwochen -, die hier sozusagen eine
Vorreiterrolle übernommen haben. Vor allem die Wiener Festwochen sind ein
großes Risiko eingegangen. Die haben nämlich zu einem Zeitpunkt, zu dem man
immer noch damit rechnen musste, dass sich eine Verzögerung ergibt, dass etwas
nicht ganz so läuft, wie man es sich vorgestellt hat, beschlossen, eine Reihe
von Veranstaltungen der Wiener Festwochen schon im neuen Museumsquartier
vorzusehen.
Mit großem Erfolg ist das geglückt. Die Wiener
Festwochen sind schon drinnen. Jeder, der dabei war bei den Veranstaltungen -
Theateraufführungen, Chinesische Oper und so weiter -, der weiß, was für eine
unglaublich begrüßenswerte neue Dimension an Präsentationsmöglichkeiten für
unsere Stadt gelungen ist, meine Damen und Herren.
Es sollte uns eigentlich einmal insgesamt mit Freude
erfüllen und nicht mit kleinlicher Kritik an allfälligen noch zu behebenden
Unzulänglichkeiten, denn Sie werden es ja, so wie ich auch, erleben, wenn Sie
herumreisen in der Welt: Das Museumsquartier ist Gesprächsthema in seinen
ganzen Dimensionen, die es wirklich nur in wenigen anderen Städten gibt.
1,1 Millionen Besucher pro Jahr. Das ist viel,
da gebe ich Ihnen schon Recht, aber ich kenne niemanden, ehrlich gesagt - man
kann Ängste in den Raum stellen, ohne dann argumentieren zu müssen, warum man
das eigentlich tut -, ich kenne niemanden, weder im Bund noch im
Museumsquartier noch in der Stadt, der sagt, das soll ein Touristenzentrum
sein. Ich habe das noch nie gehört, das haben Sie jetzt eigentlich in den Raum
gestellt. Ich kenne niemanden, daher ist meine Sorge auch gering, dass es ein
solches werden wird. Selbstverständlich freuen wir uns aus ganzem Herzen, wenn
viele Besucher aus Wien, aus den Bundesländern, aus den Nachbarländern, aus
Europa und weit darüber hinaus zusätzlich vielleicht auch aus diesem Grund nach
Wien kommen und sich mit einem der aufregendsten Kunstzentren auseinander
setzen werden. Aber selbstverständlich - allein das Wort; vergessen Sie das
schnell wieder -, ein Touristenzentrum oder Touristenbesucherzentrum, das kann
es wohl in keiner Weise sein.
Trotzdem: 1,1 Millionen Besucher pro Jahr; einer
der zehn größten Kulturkomplexe - ich zitiere nur aus Zeitungen der letzten
Tage -; 2 Milliarden S, 60 000 Quadratmeter Nutzfläche,
rund 20 Kulturinstitutionen; das Leopold Museum als weltweit bedeutendste
Sammlung moderner österreichischer Kunst mit rund 5 000 Meisterwerken; als
Gegenstück das Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig als Heimat der klassischen
Moderne; die Kunsthalle - alles Zitate aus den Medien - als Experimentierstätte
der Gegenwart und Abgrenzung zum 7. Bezirk.
Meine Damen und Herren! Allein wenn man diese Fakten,
Statistiken und Daten liest, weiß man, dass hier tatsächlich etwas sehr Großes
zu glücken scheint.
Natürlich ist so etwas Anlass - und muss es auch sein
-, darüber nachzudenken, wie man sozusagen auch ein Maximum an Erfolg
sicherstellen kann. Und eines ist auch in den Wortmeldungen in früheren
Gemeinderatssitzungen immer sehr gut zum Ausdruck gekommen, und zwar, dass das
Museumsquartier schon auch für eine Idee steht, für eine ganz konkrete Idee,
die in Wien wie in kaum einer anderen Stadt Bedeutung hat, nämlich die große
Tradition, auf die wir uns berufen, vor der wir übrigens, Frau Kollegin
Ringler, wirklichen Respekt haben sollen. Das ist nur ein Ratschlag. Einfordern
kann man ja nichts in der Politik, schon gar nicht von anderen Fraktionen. Aber
ein Ratschlag ist - auch weil dieses "NEWS"-Interview das damals so
stark zum Ausdruck gebracht hat -: Wir haben Respekt zu haben vor dem, was uns
ausmacht. Die Ikonenstürzlerei kann nicht Innovation ersetzen. Sie kann nicht
ersetzen, dass man sich auseinander setzt - wir haben das Glück, in einer Stadt
zu leben, die das so leicht möglich macht - mit dem, was wir als Tradition
empfinden, als Klassik, als Auftrag schon bei der Geburt, in die wir
hineinerzogen werden, aus der wir uns zum Teil wieder emanzipieren beim
Erwachsenwerden.
Ich würde Sie wirklich einladen, auch sprachlich
diesem unglaublichen Vorteil, den dieses Land und diese Stadt unserem Leben zu
bieten hat, mit Respekt und mit Anerkennung zu begegnen und nicht mit
Heruntermacherei, meine Damen und Herren. (Beifall
bei der ÖVP.)
Das ist natürlich - und dem sollten wir uns ruhig
stellen - ein Weltbild, das nicht jeder vertreten muss. Wir von der Volkspartei
vertreten dieses Weltbild. Wir vertreten das Weltbild, dass Tradition nicht
etwas ist, worüber man sich lustig macht, nicht etwas ist, das man respektlos
an den Rand stellt oder in die Seitengänge dieses herrlichen Kunsthauses
Österreich, sondern das wir zum Anlass nehmen wollen - wirklich als Vorsprung,
den wir vor anderen Ländern und insbesondere vor anderen Städten haben -, uns
in ernster Weise damit zu befassen, wie die Innovation, das Neue, das Junge,
das Zeitgenössische in Bezug auf diese Tradition besonders maximal zur
Entfaltung gebracht werden kann.
Gewiss - ich glaube, darüber sind wir uns einig, und
ich stehe auch nicht an, das zu sagen - hätte es im Anbeginn der ganzen
Entwicklung des Museumsquartiers auch städtebaulich durchaus hochinteressante
und auch visionäre Alternativen gegeben, und ich glaube, dass es in Ordnung
war, damals darüber nachzudenken. Ich glaube aber, dass ein Bau wie das
Museumsquartier genau das reflektiert, was ich vorhin versucht habe, zum
Ausdruck zu bringen: dieses Aufeinanderprallen von dem, was uns etwas wert ist,
was uns ausmacht, was uns wichtig ist, und dem, was uns künftighin ausmachen
wird, indem wir sozusagen die Tradition von morgen schon mitgestalten.
Deshalb schlage ich vor, dass wir uns nicht in
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