Gemeinderat,
2. Sitzung vom 23.5.2001, Wörtliches Protokoll
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mehr als 20-jährigen
Prozesses, eines Prozesses, der verschiedene Etappen des Stillstandes und der
Bewegung umfasst hat. Man könnte meinen, das ist ein Nachteil. Genau das
Gegenteil ist der Fall. Dieser lange, wechselhafte Prozess ist ein Vorteil und
eine Stärke dieses Museumsquartiers, und zwar deshalb, weil nicht, wie in den
siebziger und achtziger Jahren üblich, ein riesiger, schwer beweglicher,
zentralistischer Kulturtanker gebaut wurde, sondern ein vielfältiger Mix
unterschiedlicher Einrichtungen entstanden ist, unterschiedlicher Einrichtungen
in der Größe, im Inhalt, in der Organisationsform, ein unterschiedlicher Mix,
der sich perfekt ergänzt, der aber auch miteinander im Wettbewerb steht,
nämlich kein Zentrum, sondern ein Quartier, ein Ort der zeitgenössischen Kunst.
Und das ist gut so. Es ist auch gut so, dass nicht eine - wie auch gesagt wurde
- Shopping-City der Kunst entsteht, sondern ein international visionäres
Vorzeigemodell des kulturellen Pluralismus.
Durch diesen
langen, wechselhaften Prozess des Entstehens des Museumsquartiers ist es auch
möglich gewesen, Fehler der siebziger und achtziger Jahre nicht zu machen,
sondern auf aktuelle Entwicklungen der Kunst zu reagieren. Es war von Vorteil,
dass nicht irgendwann zu einem Zeitpunkt X in den siebziger und achtziger
Jahren eine Planung festgeschrieben wurde und von diesem Zeitpunkt X dann
eins zu eins umgesetzt wurde, ohne dass man überprüft hat, wie es weitergeht,
sondern das Museumsquartier ist quasi als "work in progress"
entstanden, und das ist der Grund für dieses hervorragende Ergebnis.
Das
Museumsquartier war schon vor dem eigentlichen Baubeginn ein pulsierendes
künstlerisches Zentrum. Ich erinnere nur an die Wiener Festwochen, ich erinnere
an das Architekturzentrum, an das Kindermuseum, an Kleineinrichtungen, die
heute gar nicht mehr im Museumsquartier sind, wie die Lomografische
Gesellschaft, die alle schon vor Baubeginn jahrelang für Lebendigkeit und
künstlerisches Leben im Museumsquartier gesorgt haben.
Durch diese
Art des Entstehens ist es möglich gewesen, auf die aktuellen Einflüsse und
Entwicklungen der Kunst immer wieder Rücksicht zu nehmen. Und das waren vor
allem - und das muss man auch sehr stolz als Wiener Politiker sagen - die
Wiener Einrichtungen. Das waren die Wiener Festwochen, das war das
Architekturzentrum, das war das Tanzquartier, das jetzt im Museumsquartier
geschaffen wurde.
Und genau das
Tanzquartier ist ein sehr gutes Beispiel dafür, dass erst durch den Prozess der
Planung und der Baudurchführung gewisse Entwicklungen möglich geworden sind.
Und es war natürlich eine völlig richtige Entscheidung, vor wenigen Jahren zu
sagen, das Tanzquartier soll im Museumsquartier untergebracht werden. Aber,
Kollege Marboe, es war tatsächlich so, dass es die Bautechniker waren, die uns
das im Zusammenhang mit dem Bau der Halle E gesagt haben.
Und, Herr Kollege Ebinger,
niemand hat jemals daran gedacht, die alte Winterreithalle wegzureißen, also da
sind Sie schlecht informiert. Es war immer klar, die bleibt stehen, aber es war
notwendig, dass in der Winterreithalle aus technischen Gründen Schlitzwände
gebaut werden müssen, die so tief hinuntergehen, dass unten ein Hohlraum
entstanden ist, wo uns dann die Bauleute gesagt haben: Da entsteht ein Raum für
350 Leute. Und da haben wir gesagt: Wenn schon ein Raum entsteht für
350 Leute, dann nützen wir ihn als Tanzquartier. Das war eine jener
Entwicklungen, die zu diesem positiven Mix geführt haben, und es war natürlich
richtig, das Tanzquartier dort unterzubringen.
Eine jener
Einrichtungen, die eigentlich vorgeführt haben, wie man im "work in
progress" im Museumsquartier arbeitet, war und ist das Kindermuseum. Da
kam ein ganz kleiner Verein, der nur eine großartige Idee hatte, und hat
gesagt: Wir machen ein Kindermuseum. Und sie hatten ganz schlechte
Voraussetzungen, sie hatten die schlechtesten Voraussetzungen, die es gab, und
haben jahrelang trotzdem unter den widrigsten Bedingungen hervorragende Arbeit
geleistet. Sie haben sich auf Grund des Faktums ihres Erfolgs als Fixnutzer
noch vor Baubeginn etabliert. Das ist eine jener Einrichtungen, die die
Entwicklung des Museumsquartiers sehr geprägt haben. Und wenn heuer das
Kindermuseum im Museumsquartier im Definitivum eröffnet wird, dann ist das sehr
erfreulich. Dann heißt das, dass mehr als doppelt so viel Flächen zur Verfügung
stehen mit so wichtigen Einrichtungen wie WC’s und Nassräumen - das hat es
alles bisher nicht gegeben -, dass es möglich ist, einen wesentlich größeren Raum
für Wechselausstellungen zu haben, dass es aber auch möglich ist - und das ist
weltweit einmalig -, einen fixen Kleinkinderbereich für acht Monate alte bis
sechsjährige Kinder zu haben, ein Multimediazentrum und Kinderateliers, in
denen das ganze Jahr über gearbeitet werden kann und nicht nur während der
Ausstellungen. Und man muss wirklich jenen Damen danken - es waren
ausschließlich Frauen -, die das Kindermuseum geführt haben. Das ist vor allem
Frau Dr Claudia Haas, der man bei dieser Gelegenheit einfach einmal Anerkennung
und Dank aussprechen muss. (Beifall bei der SPÖ, bei der ÖVP und bei den
GRÜNEN.)
Es waren aber auch Politikerinnen. Der Kollege Marboe hört
das sicher jetzt nicht gern, daher sage ich es noch einmal: Das Kindermuseum ist
ein gutes Beispiel, dass es durchaus von großem Vorteil sein kann, wenn sich
PolitikerInnen in Kulturvereinen engagieren. Und diese Ära, in der das
umstritten war, ist jetzt Gott sei Dank wieder vorbei. Wir sind sehr froh, dass
sich damals Maria Rauch-Kallat, Friedrun Huemer, Renate Winklbauer, jetzt Sonja
Wehsely und Gertrude Brinek als Politikerinnen über die Parteigrenzen hinweg
für diesen Verein eingesetzt haben. Und wir alle wissen: Wenn sich hier
Politikerinnen nicht so stark gemacht hätten, dann hätte es diese Entwicklung
des Kindermuseums nicht gegeben. Das ist das Ergebnis
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