Gemeinderat,
3. Sitzung vom 25.6.2001, Wörtliches Protokoll
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und kaufen
scheibchenweise eines nach dem anderen dieser Unternehmen hinaus.
In Kärnten war
es besonders absurd: Diese unglaubliche Verlogenheit, dass eben jene
Landespolitiker, die vehement gegen Temelin protestieren - und ich muss meine
Haltung zu Temelin hier nicht explizit erläutern -, die einerseits wild gegen
Temelin polemisieren und im Grunde die Auseinandersetzung um Temelin nutzen, um
gegen die EU-Erweiterung Stimmung zu machen, im selben Atemzug dort, wo sie
selbst entscheiden können, dann einen großen Atomstromerzeuger, die RWE, zum
Zug kommen lassen und ein gutes Angebot, das vom Verbund vorgelegen ist, in den
Wind schlagen! Das ist verlogen und das ist auch dieser idiotische
Föderalismus, der dafür verantwortlich ist, dass mit einem Schatz, den wir in
Österreich noch haben, so umgegangen wird! - Ich sage bewusst mit meiner
politischen Genese über Zwentendorf und über Hainburg, dass Stromerzeugung weit
über wirtschaftliche Bereiche hinausgeht und dass sie etwas mit
Demokratiepolitik zu tun hat, mit Umweltpolitik zu tun hat. Wenn ich an die
Zukunft des Verbunds, mit dem Zugriff auf Wasserressourcen, die wir heute theoretisch
längst exportieren könnten, denke, so ist das ein Bereich, der sinnvollerweise
in öffentliche Verfügungsgewalt gehört und dort auch bleiben soll. Darum ist es
so wichtig, dass noch einmal ein Anlauf genommen wird, jedenfalls zwischen der
WIENSTROM und dem Verbund, und wenn es möglich ist, auch mit der EVN und der
BEWAG, um zu einem gemeinsamen Kooperationsvertrag oder auch _ ja, warum nicht?
- zu einer Fusion zu kommen, um in einem Wettbewerb, der ab Oktober brutal
werden wird, bestehen zu können.
Da sollten wir
einerseits aus Kalifornien lernen - ohne hier Horrorszenarien zeichnen zu
wollen - und auch von dem Debakel am Telekom-Markt. Wenn - und vieles deutet
darauf hin - ab Oktober dieses Jahres von der österreichischen Elektrizitätswirtschaft
Milliarden versenkt werden, in demselben Preiskampf, in dem die Telekom-Branche
zweistellige Milliardenbeträge versenkt hat, sodass letztendlich nur die, die
über entsprechende Kapitalkraft und Ressourcen verfügen, bestehen können, wenn
dasselbe bei der E-Wirtschaft passiert, dann, glaube ich, wird es die WIENSTROM
sehr schwer haben. Darum appelliere ich noch einmal nachdrücklich insbesondere
auch an den Bürgermeister und an den Finanzstadtrat, noch einmal einen Anlauf
zu nehmen, um zu einer Kooperation dieser Stromgesellschaften zu kommen, um
eine Chance zu haben, dass es hier eine politische - im sachbezogenen Sinn -
Lösung gibt und die öffentliche Einflussnahme auf unsere Ressourcen und auch
auf die Energieversorgung erhalten bleibt. (Beifall
bei den GRÜNEN.)
Einen weiteren
Punkt, den richtigerweise der Herr Stadtrat erwähnt hat, möchte ich nur kurz
ansprechen. Er betrifft die großen Fragen, vor denen Wien in den nächsten
Jahren steht. Eine davon ist die EU-Erweiterung und damit im Zusammenhang auch
die Frage der Zuwanderung und der Integration.
Erstens, man
muss jede Situation nützen, um das, was tatsächlich ist, zu betonen: Österreich
und insbesondere Wien hat aus der Öffnung der Grenzen 1989 maßgeblich
profitiert! Viele der Ansiedelungen, die auch der Herr Stadtrat angesprochen
hat, sind nicht wegen der grandiosen Wirtschaftspolitik Wiens nach Wien gekommen,
sondern einfach deshalb, weil man sich bei diesen internationalen Konzernen die
Karte angeschaut hat und Wien nun einmal eine Lage hat, die zum Glück keine
Regierung ändern kann, auch nicht eine blau-schwarze Regierung - obwohl man manchmal
das Gefühl hat, Haider würde Österreich gerne nehmen und aus dieser bedrohlichen
Nähe zu Mittel- und Osteuropa weg und irgendwohin rücken, wo das Deutsche
vielleicht in allen Bereichen gegeben ist. Wien hat eine riesige Chance bei der
EU-Erweiterung, die es aber noch nicht annähernd genützt hat. Ich erkenne keine
Strategie, die im kulturellen, im bildungspolitischen, aber auch im wirtschaftspolitischen
Bereich die Chancen wahrnimmt, die sich bei der Erweiterung eröffnen werden.
Und die Erweiterung wird kommen! Egal, was die österreichische Bundesregierung
tut: Diese Erweiterung wird kommen und das ist gut so! Die Frage wird nur sein:
Können wir die Erweiterung als Chance nutzen oder stehen wir daneben?
Da waren viele
Hoffnungen auf Österreich gerichtet. Diese Hoffnungen sind nicht mehr sehr
groß, im Gegenteil: In vielen Ländern der Europäischen Union und der Erweiterungsländer
wird Österreich längst als Bremser gesehen, weil es ein Bremser ist. Und hier
könnte Wien einen Kontrapunkt setzen: Wien hat einen Namen, Wien hat Kontakte -
Wien hat aber bisher aus diesem Bereich viel zu wenig gemacht!
Nächster
Bereich - und ich möchte diesen Bereich fast den Kernbereich nennen -: der
Zusammenhang Bildungspolitik und Konjunkturpolitik. Es gibt eine Groteske: Es
gibt keine Partei, die nicht in den letzten Jahren betont hat, wie wichtig
Bildung und Wissensgesellschaft und Informationsgesellschaft und Bildungsgesellschaft
sind. Irgendwie sollte man doch glauben, dass dort, wo alle Parteien meinen,
das sei das Zentrum der Politik, sich das auch im Budgetären niederschlägt.
Jetzt kam, wie alle Jahre wieder, ein OECD-Bericht und der zeigt für
Österreich, dass die Ausgaben für Bildung gemessen am BIP gesunken sind. Zu
einer Zeit, in der alle betonen, wie wichtig Bildung und Wissen sind, sinken in
Österreich die Ausgaben für Bildung! In diesem Bericht sind zwar nur Daten bis
1998 erfasst, aber nach dem, was man darüber hinaus weiß, kann man davon
ausgehen, dass diese Tendenz zugenommen hat.
Was aber geschieht
tatsächlich auf Bundesebene - und ich muss hier die Bundesebene ansprechen,
weil sie höchst relevante Auswirkungen auf Wien hat -: Die katastrophale
Situation auf Österreichs Hochschulen, der wahrscheinliche Rückgang der Zahl
der Studenten
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