«  1  »

 

Gemeinderat, 3. Sitzung vom 25.6.2001, Wörtliches Protokoll  -  Seite 9 von 127

 

und kaufen scheibchenweise eines nach dem anderen dieser Unternehmen hinaus.

 

In Kärnten war es besonders absurd: Diese unglaubliche Verlogenheit, dass eben jene Landespolitiker, die vehement gegen Temelin protestieren - und ich muss meine Haltung zu Temelin hier nicht explizit erläutern -, die einerseits wild gegen Temelin polemisieren und im Grunde die Auseinandersetzung um Temelin nutzen, um gegen die EU-Erweiterung Stimmung zu machen, im selben Atemzug dort, wo sie selbst entscheiden können, dann einen großen Atomstromerzeuger, die RWE, zum Zug kommen lassen und ein gutes Angebot, das vom Verbund vorgelegen ist, in den Wind schlagen! Das ist verlogen und das ist auch dieser idiotische Föderalismus, der dafür verantwortlich ist, dass mit einem Schatz, den wir in Österreich noch haben, so umgegangen wird! - Ich sage bewusst mit meiner politischen Genese über Zwentendorf und über Hainburg, dass Stromerzeugung weit über wirtschaftliche Bereiche hinausgeht und dass sie etwas mit Demokratiepolitik zu tun hat, mit Umweltpolitik zu tun hat. Wenn ich an die Zukunft des Verbunds, mit dem Zugriff auf Wasserressourcen, die wir heute theoretisch längst exportieren könnten, denke, so ist das ein Bereich, der sinnvollerweise in öffentliche Verfügungsgewalt gehört und dort auch bleiben soll. Darum ist es so wichtig, dass noch einmal ein Anlauf genommen wird, jedenfalls zwischen der WIENSTROM und dem Verbund, und wenn es möglich ist, auch mit der EVN und der BEWAG, um zu einem gemeinsamen Kooperationsvertrag oder auch _ ja, warum nicht? - zu einer Fusion zu kommen, um in einem Wettbewerb, der ab Oktober brutal werden wird, bestehen zu können.

 

Da sollten wir einerseits aus Kalifornien lernen - ohne hier Horrorszenarien zeichnen zu wollen - und auch von dem Debakel am Telekom-Markt. Wenn - und vieles deutet darauf hin - ab Oktober dieses Jahres von der österreichischen Elektrizitätswirtschaft Milliarden versenkt werden, in demselben Preiskampf, in dem die Telekom-Branche zweistellige Milliardenbeträge versenkt hat, sodass letztendlich nur die, die über entsprechende Kapitalkraft und Ressourcen verfügen, bestehen können, wenn dasselbe bei der E-Wirtschaft passiert, dann, glaube ich, wird es die WIENSTROM sehr schwer haben. Darum appelliere ich noch einmal nachdrücklich insbesondere auch an den Bürgermeister und an den Finanzstadtrat, noch einmal einen Anlauf zu nehmen, um zu einer Kooperation dieser Stromgesellschaften zu kommen, um eine Chance zu haben, dass es hier eine politische - im sachbezogenen Sinn - Lösung gibt und die öffentliche Einflussnahme auf unsere Ressourcen und auch auf die Energieversorgung erhalten bleibt. (Beifall bei den GRÜNEN.) 

 

Einen weiteren Punkt, den richtigerweise der Herr Stadtrat erwähnt hat, möchte ich nur kurz ansprechen. Er betrifft die großen Fragen, vor denen Wien in den nächsten Jahren steht. Eine davon ist die EU-Erweiterung und damit im Zusammenhang auch die Frage der Zuwanderung und der Integration.

 

Erstens, man muss jede Situation nützen, um das, was tatsächlich ist, zu betonen: Österreich und insbesondere Wien hat aus der Öffnung der Grenzen 1989 maßgeblich profitiert! Viele der Ansiedelungen, die auch der Herr Stadtrat angesprochen hat, sind nicht wegen der grandiosen Wirtschaftspolitik Wiens nach Wien gekommen, sondern einfach deshalb, weil man sich bei diesen internationalen Konzernen die Karte angeschaut hat und Wien nun einmal eine Lage hat, die zum Glück keine Regierung ändern kann, auch nicht eine blau-schwarze Regierung - obwohl man manchmal das Gefühl hat, Haider würde Österreich gerne nehmen und aus dieser bedrohlichen Nähe zu Mittel- und Osteuropa weg und irgendwohin rücken, wo das Deutsche vielleicht in allen Bereichen gegeben ist. Wien hat eine riesige Chance bei der EU-Erweiterung, die es aber noch nicht annähernd genützt hat. Ich erkenne keine Strategie, die im kulturellen, im bildungspolitischen, aber auch im wirtschaftspolitischen Bereich die Chancen wahrnimmt, die sich bei der Erweiterung eröffnen werden. Und die Erweiterung wird kommen! Egal, was die österreichische Bundesregierung tut: Diese Erweiterung wird kommen und das ist gut so! Die Frage wird nur sein: Können wir die Erweiterung als Chance nutzen oder stehen wir daneben?

 

Da waren viele Hoffnungen auf Österreich gerichtet. Diese Hoffnungen sind nicht mehr sehr groß, im Gegenteil: In vielen Ländern der Europäischen Union und der Erweiterungsländer wird Österreich längst als Bremser gesehen, weil es ein Bremser ist. Und hier könnte Wien einen Kontrapunkt setzen: Wien hat einen Namen, Wien hat Kontakte - Wien hat aber bisher aus diesem Bereich viel zu wenig gemacht!

 

Nächster Bereich - und ich möchte diesen Bereich fast den Kernbereich nennen -: der Zusammenhang Bildungspolitik und Konjunkturpolitik. Es gibt eine Groteske: Es gibt keine Partei, die nicht in den letzten Jahren betont hat, wie wichtig Bildung und Wissensgesellschaft und Informationsgesellschaft und Bildungsgesellschaft sind. Irgendwie sollte man doch glauben, dass dort, wo alle Parteien meinen, das sei das Zentrum der Politik, sich das auch im Budgetären niederschlägt. Jetzt kam, wie alle Jahre wieder, ein OECD-Bericht und der zeigt für Österreich, dass die Ausgaben für Bildung gemessen am BIP gesunken sind. Zu einer Zeit, in der alle betonen, wie wichtig Bildung und Wissen sind, sinken in Österreich die Ausgaben für Bildung! In diesem Bericht sind zwar nur Daten bis 1998 erfasst, aber nach dem, was man darüber hinaus weiß, kann man davon ausgehen, dass diese Tendenz zugenommen hat.

 

Was aber geschieht tatsächlich auf Bundesebene - und ich muss hier die Bundesebene ansprechen, weil sie höchst relevante Auswirkungen auf Wien hat -: Die katastrophale Situation auf Österreichs Hochschulen, der wahrscheinliche Rückgang der Zahl der Studenten

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular