Gemeinderat,
3. Sitzung vom 25.6.2001, Wörtliches Protokoll
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Verbindung und Integration. Kultur ist Auseinandersetzung und Provokation.
Die Stadt Wien trägt dem in ihrer Kulturpolitik Rechnung.
Der vorliegende Kulturbericht 2000 zeigt, wie breit die Palette der
geförderten Projekte ist, oder, um es frei nach unserem Kulturstadtrat zu
sagen: Für die Kunst kann es nicht gelten, dass sie die Hand, die sie füttert,
nicht beißen darf. Der Kärntner Landeshauptmann, der dieses Kulturverständnis
der Abhängigkeit der Künstler vom Förderungsgeber geprägt hat, hat am Samstag
Abend die Rechnung ja wieder einmal präsentiert bekommen. Ich habe hier (Beifall bei der SPÖ.) eine
APA-Aussendung, dass das Konzert abgebrochen worden ist und Pfiffe jedes Wort
des Landeshauptmanns übertönt hätten. Haider habe schließlich sichtlich
betroffen die Bühne verlassen.
Die Kulturpolitik in Wien ist anders als in Kärnten oder auf der
Bundesebene. Kultur ist nicht dazu da, um gefällig zu sein. Auch Unangepasstes
muss gefördert werden. Damit soll traditionelle Kunst und Kultur, für die Wien
weltweit bekannt ist, keinesfalls in Abrede oder hinten angestellt werden. In
einer weltoffenen Kulturstadt wie Wien müssen aber auch Mittel und Wege
gefunden werden, um den Dialog mit dem Anderen und mit dem Neuen zu fördern.
Apropos Neuem und Anderem. Heuer hat Wien von der Vereinigung der
Europäischen Veranstalter der Regenbogenparade den Zuschlag für das
Europride-Festival bekommen. Damit wurde Wien für den Monat Juni, zumindest
aber für das Wochenende der Regenbogenparade, die temporäre Hauptstadt der
europäischen Homosexuellen-Bewegung. Das Kulturprogramm in Wien ist das bisher
größte in der Geschichte der Europride und das kann auch kein Zufall gewesen
sein. Wien ermöglicht dies durch finanzielle Unterstützung und durch ein
tolerantes Klima und das soll auch so bleiben! (Beifall bei der SPÖ.)
Ich bin überzeugt davon, dass mit unserem neuen Kulturstadtrat das
Verständnis für einen umfassenden Kulturbegriff in der kommunalen Kulturpolitik
garantiert wird. Der Beginn ist bereits gemacht.
Stichwort Frauen. Dem Kosmos-Frauenraum, der durch Subventionskürzungen des
Bundes akut gefährdet war, wurde rasch geholfen. Er soll auch weiterhin
unterstützt werden und eine Plattform für Frauenkunst und Kultur sein.
Eine zweite kulturpolitische Entscheidung unseres Andi Mailath-Pokorny:
Seit kurzem sind drei Frauen für das Projekt "Theater in den
Bezirken" verantwortlich. Gerade wir SPÖ-Frauen freuen uns sehr über diese
Entscheidung! (Beifall bei der SPÖ.)
Sehr geehrte Damen und Herren! Ohne jemals den Titel "Europäische
Kulturhauptstadt" verliehen bekommen zu haben, ist Wien eine der größten
europäischen Kulturhauptstädte. Die Wienerinnen und Wiener und vor allem die
Touristen schätzen die einzigartige Mischung aus Hochkultur und
zeitgenössischer autonomer Kunst- und Kulturszene. Dass es ein
gleichberechtigtes Nebeneinander beider Formen auch in Zukunft geben kann, das
wird unsere große Herausforderung sein. - Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
Vorsitzende GR Josefa Tomsik:
Ich danke der Frau Gemeinderätin. - Als nächster Redner ist Herr GR Mag Ebinger
zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.
GR Mag Gerald Ebinger (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr
geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Meine Damen und Herren!
Bei der heutigen Rechnungsabschlussdebatte sollen wir uns über das letzte
Kulturjahr unterhalten. Wir sollen auf Kulturausgaben von
2,4 Milliarden S im Jahr 2000 zurückblicken. Wir sollen aber auch auf
ein Jahr der Wende zurückblicken. Auf ein Jahr des sozialistischen
Identitätsverlustes. Auf ein Jahr, wo es speziell in Wien en vogue wurde, ein
demokratisches Wahlergebnis nicht zur Kenntnis zu nehmen. Auf ein Jahr, wo das
Wort "Widerstand" seiner Würde beraubt wurde und wo das absolute Maximum
einer möglichen Repression die Kürzung einer Subvention darstellt und selbst
hier die Gemeinde Wien in beispielloser Solidarität mit den unterdrückten
Mitstreitern und Handlagern gegen die böse, böse Bundesregierung mit ihren
Subventionen einspringt. Auf ein Jahr, in dem das Wort "Widerstand"
nichts weiter mehr bedeutet als Event (GR
Ernst Woller: Sie sprechen von Künstlern als Handlanger! Als Handlanger! Sie
sprechen von Künstlern als Handlanger!), das für gewisse Kreise schick ist
- ich komme schon noch drauf, warten'S ein bissel! (GR Ernst Woller: Sie sprechen von Künstlern als Handlanger!) -,
und wo unter dem Mäntelchen der Kunst stereotyp die Regierung beschimpft wird,
ohne jemals ernsthaft auf Dialog aus zu sein. Es ist ja auch so viel bequemer,
Herr Woller! Es ist immer das gleiche Vorgehensmuster. Zuerst wird uns mehr
oder weniger offen und unter Negierung aller existierenden Gesetze in
Österreich unsere demokratische Gesinnung abgesprochen. Ich komme dann gleich
mit einem Beispiel.
Ich will auch mit einem praktischen Beispiel vorgehen. Frau Ringler war
heute so freundlich und verbindlich. Trotzdem
habe ich hier die Homepage von Public Netbase, und da sehe ich gleich:
"government-austria.at. offers a virtual alternative to Austria's far
right government by proposing models and concepts for a truly democratic
information society." Truly democratic! Man unterstellt uns also quasi, dass
wir nicht "truly democratic" sind. Und das hat zur Folge, dass man
uns ungestraft als Parias behandeln kann. Wenn man immer von weltoffenem
Miteinander und von Toleranz redet, dann ist es klar, dass die sich so selbst
ernannten Gutmenschen, die, wie sie sich nennen, die echten Demokraten, die
linken Aktivisten freiheitlich ... (Heiterkeit
bei der SPÖ.) Na, Sie wollten ein bissel Fundamentalopposition. Jetzt haben
Sie es, damit ein bissel Schwung in die Debatte kommt, net, nachdem sich alle
gegenseitig ... Freiheitliche nicht eingeschlossen, meine Damen und Herren!
Aber Spaß beiseite, das ist nicht tolerant! Das ist vor allem auch nicht
demokratisch. Das ist diskriminierend.
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