Gemeinderat,
3. Sitzung vom 26.6.2001, Wörtliches Protokoll
- Seite 88 von 121
erwähnen - die ich
jetzt nicht hier als Beschlussanträge einbringe, sondern die als schriftliche
Anträge vorliegen -, die auch aus Ihrem Programm sind und die wir auch schon in
der letzten Legislaturperiode eingebracht haben:
Das eine ist
eine niederschwellige Beratungseinrichtung für die so genannten Sexarbeiterinnen,
die ja durch das Auslaufen des Projekts "Schlussstrich" ziemlich, wie
soll ich sagen, in der Luft hängen, da es in Wien keine einzige Beratungsstelle
für Prostituierte mehr gibt und leider auch die Zahl der offiziell gemeldeten
Prostituierten in Wien zurückgeht und sich hier wieder sehr viel im
grau-schwarzen Bereich abspielt. Hier bringen wir einen Antrag ein, der auch in
Ihrem 100-Punkte-Programm - ich bringe das Wort "100-Punkte-Programm"
nie heraus, ich weiß nicht, woran das liegt; ich habe da irgendwie doch gewisse
Berührungsängste mit dem SP-Programm, das geht doch nicht so einfach! -
enthalten ist.
Der zweite
Antrag ist der Antrag auf eine so genannte Expertinnendatenbank, wo Fachfrauen
aus allen möglichen Disziplinen gespeichert und abrufbar werden sollen. Das ist
die Fortführung eines Projekts, das der Wirtschaftsförderungsfonds begonnen
hat. Meines Wissens hat Frau StR Brauner auch immer angekündigt, dass sie diese
grüne Idee unterstützt. Auch dieser Antrag liegt in schriftlicher Form vor, und
ich hoffe auf Ihre Unterstützung und auf Ihr Ja im Ausschuss.
Ich möchte
aber jetzt auf einen Punkt zu sprechen kommen, der uns, den GRÜNEN, und auch
mir persönlich sehr, sehr wichtig ist und der nicht fehlen darf, wenn man über
Frauenpolitik redet, vor allem dann nicht, wenn man - und darum geht es Ihnen
ja auch - von Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von Frauen in dieser Stadt
redet und das ist die Arbeitsmarktpolitik. Da muss ich aber leider, liebe Kolleginnen
und Kollegen von der Sozialdemokratie, ein wirkliches Versagen feststellen, vor
allem dort, wo es darum geht, strukturelle Schwächen des Arbeitsmarkts -
strukturelle Schwächen vor allem für Frauen - zu beheben.
Das ist ein
Bereich, der sich "atypische Beschäftigung" nennt. Sie haben, und auch
Frau Kollegin LUDWIG hat das gestern von hier aus getan, die Frauenerwerbsquote
in Wien als eine der besten, als eine der höchsten gelobt, und Sie haben den
Rückgang der Arbeitslosenquote in dieser Stadt sehr positiv dargestellt.
Statistisch stimmt das natürlich, nur: Leider stimmt das mit der Realität für
Frauen nicht überein, denn das Jobwunder, das die Sozialdemokratie da so hoch
gelobt hat, auch im Wahlkampf, das besteht zu zwei Dritteln nur mehr aus
atypischen Beschäftigungsverhältnissen, von denen ja vor allem Frauen betroffen
sind: aus Teilzeitarbeitsplätzen, aus geringfügigen Beschäftigungen.
Heimarbeit, Telearbeit machen eher einen geringen Prozentsatz aus und sind zum
Teil auch besser bezahlt. Also, die besser bezahlten atypischen Beschäftigungen,
wie zum Beispiel diese freien Dienstverträge, die kommen interessanterweise vor
allem den Männern zugute und sind eigentlich Männerförderungen.
Für die Frauen
schaut es aber nicht so rosig aus: Jede dritte Frau ist bereit atypisch
beschäftigt und was das heißt, brauche ich Ihnen allen an dieser Stelle nicht
zu sagen: niedrigeres Einkommen, schlechte bis gar keine soziale Absicherung,
kaum innerbetriebliche Mitbestimmung, schlechtere Aufstiegsmöglichkeiten und
natürlich weitgehende Diskriminierung am Arbeitsmarkt. Die niedrigeren
Fraueneinkommen setzen sich natürlich bis zur Pension fort. Ich habe mir die
neuesten Daten zu den Einkommensunterschieden zwischen Männern und Frauen, die
das Wifo jetzt neu errechnet hat, angeschaut und das ist wahrlich erschütternd!
Es ist auch erschütternd, dass diesbezüglich - und das ist hier in diesem Saal
auch schon angesprochen worden - unter sozialdemokratischer Regierung weder auf
Bundesebene noch in Wien irgendetwas weitergegangen ist, was die Verringerung
der Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen betrifft, im Gegenteil:
Die haben sich in den letzten Jahren noch vergrößert, und zwar mehr als im
europäischen Durchschnitt!
Die
Bruttoeinkommen von unselbständig erwerbstätigen Frauen betragen weniger als
die Hälfte von jenen der Männer. Frauen verdienen durchschnittlich immer noch
um mehr als ein Drittel weniger als Männer, hat das Wifo jetzt errechnet. Das
Durchschnittseinkommen einer weiblichen Arbeiterin in diesem Land beträgt
9 000 S. Das ist in einem der reichsten Länder der Welt - und das ist
Österreich - und einer der reichsten Städte der Welt - und das ist Wien -
eigentlich ein Armutszeugnis. Jede fünfte Österreicherin verdient schon weniger
als 10 000 S!
Bei den Pensionen setzt sich
das fort: Die Durchschnittspension von Frauen beträgt 9 000 S, von
Männern 15 000 S, und die Kluft wird größer.
Mit der
Arbeitsmarktentwicklung, die wir haben, werden wir das auch nicht verbessern,
wenn wir die Frauen in atypische Beschäftigungsverhältnisse, in schlecht bezahlte
Teilzeitjobs und geringfügige Beschäftigungen abschieben, wie es auch das AMS
teilweise tut. Es ist ja so, wir wissen es ja: Wenn eine Frau mit zwei Kindern
zum AMS kommt und man hat nicht gleich einen Kurs für sie, dann sagt man ihr
schon einmal: Wollen Sie überhaupt noch arbeiten gehen? Oder man schiebt sie
einmal in irgendeinen Kurs ab, den sie gar nicht braucht und der sie schon gar
nicht weiter qualifiziert und nicht höher qualifiziert. Oder man schiebt sie
eben - denn sie hat doch ohnedies zwei Kinder und das ist ja ohnedies so familienfreundlich
- mit dem Hinweis, sie hätte dann auch viel mehr Zeit für ihre Kinder, in einen
Teilzeitjob ab.
Jetzt gestehe ich
schon zu - und auch das anerkenne ich -, dass sich die Sozialdemokratie
langsam, aber sicher dazu aufrafft, ein bisschen etwas zu diesem Thema zu
sagen. Im letzten Jahr sind wenigstens von der Arbeiterkammer und vom ÖGB so
genannte
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular