Gemeinderat,
3. Sitzung vom 26.6.2001, Wörtliches Protokoll
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Also, da wäre allem
voran die Öffnung des Gemeindebaus. Eine Öffnung ohne Wenn und Aber, eine
wirkliche Öffnung. Wir haben bereits im letzten Jahr der Öffentlichkeit unser
Konzept vorgestellt, wie man innerhalb von fünf Jahren die völlige Öffnung des
Gemeindebaus für Migrantinnen und Migraten ohne österreichische
Staatsbürgerschaft erreichen könnte. Wir könnten uns darüber auseinander setzen
in den nächsten Jahren und stufenweise tatsächlich erreichen, dass es
irgendwann einmal keine zahlenmäßige Einschränkung beim Zugang zu
Gemeindewohnungen gibt.
Da wäre aber
auch der Plan einer Vereinheitlichung der Fünfjahresfrist, wie lange
MigrantInnen sich in Wien aufgehalten haben müssen, damit sie Sozialleistungen
beziehen können. Derzeit haben wir, ich sage es ganz einfach, einen Salat in
den Bestimmungen. Für manche Sozialleistungen muss man fünf Jahre lang hier
gewesen sein, also siehe Wohnbeihilfe, für manche muss man acht Jahre lang hier
gewesen sein, für manche muss man zehn Jahre lang hier gewesen sein, manches kann
man überhaupt nicht beziehen oder nur in Ausnahmefällen. Also ich finde, ein
gutes Vorhaben wäre, hier Klarheit zu schaffen. Klarheit zu schaffen und in
einem allerersten Schritt festzuhalten und klarerweise auch die legistischen
Änderungen vorzunehmen, dass Migrantinnen und Migranten für sämtliche
Sozialleistungen nach einem fünfjährigen Aufenthalt in Wien berechtigt sind.
Ich möchte
übrigens in diesem Zusammenhang betonen, dass das für uns nicht unbedingt das
Gelbe vom Ei ist. Bekanntlich treten die Wiener GRÜNEN dafür ein, dass alle
Menschen, egal woher sie kommen, sofern sie ihren Lebensmittelpunkt in Wien gefunden
haben, EU-Bürgern und österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt werden
müssen, was natürlich dem Wegfall aller Wartefristen gleichkommen würde.
Aber
nichtsdestotrotz, ich denke, wie gesagt, ein erster wesentlicher Schritt wäre
die Vereinheitlichung dieser Fünfjahresfrist. Und in diesem Zusammenhang könnte
man das Ganze zu einem Paket schnüren und abrunden und man könnte tatsächlich
die Wohnbürgerschaft, also die viel diskutierte Wohnbürgerschaft, in dieser
Stadt ins Leben rufen. Mit allem was dazugehört, auch mit einem kleinen
symbolischen Akt, wo man als Wohnbürger, als Bürger dieser Stadt, willkommen
geheißen wird und, wie gesagt, auch mit dem symbolischen und feierlichen
Festhalten, dass man nun zum Bezug aller Leistungen gleichberechtigt ist.
Eine
Qualifizierungsoffensive hat bereits in kleinen Ansätzen stattgefunden. Doch
hier wäre auch noch einiges zu tun. Nach wie vor haben wir zwar in Wien einen
sehr hohen Anteil von Migrantinnen und Migranten, die sehr qualifiziert sind.
Wenn man sich das aber anschaut, wo findet man diese Menschen dann, wenn es um
Führungspositionen geht, wenn es um Einflusspositionen geht in der Wiener Gesellschaft?
Und auch nicht zuletzt unter dem Wiener Personal, so sieht man, dass ihr Anteil
verschwindend gering ist. Wenn man das messbar ändern und verbessern möchte,
braucht man eben eine Qualifizierungsoffensive in den nächsten Jahren und das
könnten wir auch angehen und in diesem Zusammenhang übrigens wäre auch ein
gescheites Projekt zur Förderung der Selbständigkeit unter Migranten ins
Treffen zu führen.
Wie man weiß,
ist es nicht zuletzt auf Grund der sehr - da werde ich wahrscheinlich wieder
einmal die Kollegen von der ÖVP schockieren, aber doch - rassistischen und
unmenschlichen Bestimmungen, die es auf Bundesebene gibt, für Menschen ohne
österreichische Staatsbürgerschaft sehr schwer und teilweise auch unmöglich,
den Zugang zum Arbeitsmarkt zu finden. Also, wie man weiß, ist es auf Grund
dieser Situation für viele Migrantinnen und Migranten in Wien der letzte Ausweg,
selbständig zu werden und kleine Betriebe zu gründen. Und bei diesen kleinen
Betrieben haben sie natürlich jede Menge Schwierigkeiten.
Nun gibt es
auch Forschungsprojekte, es gibt auch Broschüren, es gibt übrigens
hervorragende Broschüren. Es gibt immer wieder auch kleine Kurse, die vom CSI
angeboten werden. Aber nichtsdestotrotz denke ich, dass wir hier vielleicht
gleich Nägel mit Köpfen machen und eine eigene Beratungsstelle ins Leben rufen
sollten, die hier niederschwellig und mehrsprachig und vor allem
bedarfsorientiert Beratung anbietet. (Beifall
bei den GRÜNEN.)
In diesem
Zusammenhang möchte ich übrigens erwähnen, dass Österreich nach wie vor im
EU-Schnitt an vierter Stelle bei der Armutsgefährdung unter
Nicht-EU-Bürgerinnen steht. Und das ist ein Faktum, das, so denke ich, zeigt,
wie groß der Nachholbedarf ist, den wir hier haben, wenn wir tatsächlich von
einer gelungenen Integrationspolitik sprechen möchten, denn momentan können wir
eigentlich nur von Integrationsbestrebungen reden. Gelungen ist etwas anders.
Da wäre dann
noch der Bereich Sanierung und Viertelrevitalisierung kurz zu erwähnen. Es ist
auch aus integrationspolitischer Sicht dringend notwendig, den Schwerpunkt von
der Neubautätigkeit hin zur Sanierung zu verlagern. Nicht nur, weil Gemeindewohnungen,
wie wir immer diskutiert haben, nicht der Schluss aller Weisheit sind und weil
es nicht Ziel sein sollte für uns, dass wir es für Migrantenfamilien notwendig
machen, letztendlich auf eine Gemeindewohnung angewiesen zu sein, sondern weil
es vielmehr unser Ziel sein sollte, es den Menschen möglich zu machen, dort wo
sie jetzt sind, so sie es wünschen, zu bleiben und dort unter menschenwürdigen
Umständen zu wohnen.
Also, nicht nur
deswegen, auch aus verteilungspolitischer Sicht wäre es erforderlich, den
Schwerpunkt in die Sanierung zu verlagern, denn es kann und darf nicht unser
Ziel sein, Migranten an den Stadtrand zu verbannen. Dann hätten wir nämlich
längerfristig jede
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