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Gemeinderat, 4. Sitzung vom 27.6.2001, Wörtliches Protokoll  -  Seite 75 von 121

 

zwischen Vertretern der Republik Österreich auf der einen Seite und Vertretern jüdischer Opferorganisationen, Klageanwälten auf der anderen Seite, unter Vermittlung des amerikanischen Vizefinanzministers Eizenstat, abgeschlossen worden sind, ausdrücklich festgehalten haben, dass sämtliche in der Vergangenheit durchgeführten Restitutions- und Entschädigungsmaßnahmen in vollem Umfang bei den nachfolgenden Verhandlungen Berücksichtigung finden werden.

 

Das Entschädigungsfondsgesetz kam daher unter Berücksichtigung der von Österreich schon bisher erbrachten Leistungen in dieser Frage zu Stande. Neu am Entschädigungsfondsgesetz ist aber das erklärte Ziel einer umfassenden und abschließenden Rechtssicherheit in diesem Zusammenhang. Die Mittel an den Entschädigungsfonds werden nämlich erst dann überwiesen, wenn alle in den USA anhängigen Klagen gegen die Republik Österreich und gegen österreichische Unternehmen abgewiesen worden sind. Ich halte auch das für richtig und angemessen.

 

Das Entschädigungsfondsgesetz ist damit der Schlussstrich unter Klagen und Gerichtsprozesse über finanzielle Entschädigungen von Opfern des Nationalsozialismus. Die begründeten Ausnahmen, die es in diesem Zusammenhang gibt, sind im Entschädigungsfondsgesetz abschließend geregelt.

 

Was ich nicht verstanden habe, ist die Diskussion, die in diesem Haus gestern von Seiten der GRÜNEN geführt worden ist. Hier wurde gestern versucht, den Beweis zu führen, dass beispielsweise Homosexuelle vom Geltungsbereich des Entschädigungsfondsgesetzes ausgenommen sein sollen. Ich halte fest, das ist nicht der Fall. Gemäß § 6 des Entschädigungsfondsgesetzes sind nämlich Personen antragsberechtigt, und ich darf das wortwörtlich zitieren, "die vom nationalsozialistischem Regime aus politischen Gründen, aus Gründen der Abstammung, der Religion, der Nationalität, der sexuellen Orientierung, auf Grund einer körperlichen oder geistigen Behinderung oder auf Grund des Vorwurfs der so genannten Asozialität verfolgt wurden oder das Land verlassen haben, um einer solchen Verfolgung zu entgehen und die als Folge von oder im Zusammenhang mit Ereignissen auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich während der Zeit des Nationalsozialismus Verluste oder Schäden erlitten haben."

 

Ich habe mir auch die Richtlinien besorgt, die vom Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, der mit dem Vollzug des Entschädigungsfondsgesetzes beauftragt ist, inzwischen herausgegeben worden sind.

 

Auch daraus geht klar hervor, dass Personen, die vom Nationalsozialismus wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt wurden und in weiterer Folge Vermögenseinbußen erlitten haben, selbstverständlich nach dem Entschädigungsfondsgesetz anspruchsberechtigt sind.

 

Ich glaube, es ist wert, dass die Säulen des Entschädigungspaketes dieser Bundesregierung auch hier in diesem Gemeinderat noch einmal umfassend dargestellt werden. Die Bundesregierung hat mehrere Milliarden Schillinge aufgebracht, um einen finanziellen Beitrag für die Entschädigung von Opfern des Nationalsozialismus zu leisten.

 

2,2 Milliarden S werden für die Entschädigung für entzogene Mietrechte aufgebracht.

 

3,11 Milliarden S wandern in den allgemeinen Entschädigungsfonds und dienen dort der Entschädigung für größere Vermögensverluste.

 

Darüber hinaus ist eine Naturalrestitution für enteignete Objekte im Eigentum der öffentlichen Hand vorgesehen.

 

Schließlich werden mit einem Sozialpaket, das insbesondere Verbesserungen beim Pflegegeld und bei den Nachkaufmöglichkeiten von Pensionsmonaten vorsieht, weitere 1,66 Milliarden S dotiert.

 

Der Nationalrat hat auch die politischen Motive, die diese Bundesregierung und das Parlament bei der einstimmigen Beschlussfassung im Nationalrat geleitet haben, in Form eines Entschließungsantrags dokumentiert.

 

Der Nationalrat hat sein Bedauern darüber ausgedrückt, dass in den seit 1945 gesetzten umfangreichen Maßnahmen der Restitution, der Entschädigung und der Sozialleistungen für Opfer des Nationalsozialismus Lücken und Unzulänglichkeiten festzustellen waren und hat begrüßt, dass die Restitutions- und Entschädigungsgesetzgebung jetzt mit diesem Akt abgeschlossen werden konnte.

 

Wir halten diese Vorgangsweise für richtig und angemessen.

 

Wir halten die Wiener Beschlüsse für richtig und angemessen und wir werden diesen Beschlüssen selbstverständlich unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Als Nächster ist Herr GR Dr LUDWIG zum Wort gemeldet. - Bitte.

 

GR Dr Michael LUDWIG (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

 

Restitutionsfragen waren in der Zweiten Republik immer ein Thema. Es hat bereits in der Zeit von 1946 bis 1949 insgesamt sieben Rückstellungsgesetze gegeben, die sich mit den verschiedensten Bereichen jenes Eigentums beschäftigt haben, die von Opfern des Naziregimes enteignet wurden und in den Besitz des damaligen Deutschen Reiches gekommen sind.

 

Es hat auch in den sechziger und siebziger Jahren immer wieder auch Versuche gegeben, dieses Unrecht wettzumachen und den Opfern aus dieser Zeit materielle Sicherstellungen zu geben und ihnen auch entgegenzukommen.

 

Wir wissen allerdings, dass die gesetzliche Theorie und die Praxis nicht immer in einem Einklang gestanden sind und dass sehr vieles in der bürokratischen Praxis an Menschlichkeit gefehlt hat und viele Opfer

 

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