Gemeinderat,
4. Sitzung vom 27.6.2001, Wörtliches Protokoll
- Seite 99 von 121
vorbehalten bleibt. Die Ehe ist etwas, mit dem wir alle
heterosexuelle Menschen, die hier sitzen, selbstverständlich aufwachsen. Das
heißt nicht ... (StR Dipl Ing Dr Herlinde Rothauer: Alle?)
Da möchte ich übrigens einräumen, ich möchte hier
nicht so verstanden werden, dass ich gemeint hätte, dass alle, die hier sitzen,
heterosexuell sind. Ich habe "wir alle heterosexuelle Menschen, die hier
sitzen" gesagt, was nicht heißt, dass ich nicht annehme, ja sogar hoffe
und mich sehr freue, dass womöglich manche von uns sehr wohl auch homosexuell
sein könnten. Das ist aber bei jedem "sein Kaffee", wie auch immer.
Die Ehe ist etwas, mit dem wir alle ... (GR
Gerhard Pfeiffer: 10 Prozent!) Sie haben Recht, Kollege Pfeiffer! Das
haben Sie sich gemerkt, 10 Prozent - das heißt, zumindest statistisch
gesehen, könnten zehn von uns gleichgeschlechtlich lieben. Das wäre aber toll!
Da könnte ich mir auch vorstellen, dass sich das bei der Abstimmung womöglich
zusätzlich positiv auswirken könnte. (Zwischenruf der StR Dipl Ing Dr
Herlinde Rothauer.)
Wie auch immer, die Ehe ist etwas, mit dem wir
selbstverständlich aufwachsen. Sie ist etwas, von dem wir - fast schematisch -
so ausgehen, dass es sich womöglich einmal in unserem Leben ereignen wird. Sie
ist etwas, worauf wir uns freuen, schon als kleine Kinder oder in der Pubertät.
Sie ist auch etwas, wovon manche von uns sich bereits längst distanziert haben,
weil sie die Möglichkeit hatten, sich damit auseinander zu setzen und für sich
selbst zu entscheiden, dass es eine Institution ist, die sie für sich selbst
ablehnen.
All das bleibt homosexuellen Menschen verwehrt. Sie
wissen von Haus aus, dass sie hier zu Lande nicht die Möglichkeit haben, jemals
zu heiraten. Damit bin ich beim emotionalen Aspekt dieser Geschichte. Das
heißt, für sie ist ein vielleicht wichtiger Moment im Leben, der mit viel
Freude und mit einem großen Fest zusammenhängt, aber auch mit dem
Sichtbar-Werden, dem Offiziell-Werden der eigenen Beziehung, nicht möglich und
nicht denkbar. Das finde ich für traurig.
Darüber hinaus hängen aber mit dieser Institution Ehe
natürlich auch jede Menge Rechte zusammen. Zu diesen Rechten und zu diesen
Pflichten haben homosexuell lebende Menschen ebenfalls keinen Zugang. Das
heißt, sie bleiben auch hier ein Leben lang diskriminiert und sind mit einer Reihe
von Problemen konfrontiert, die ich hier nicht aufzuzählen brauche. Aber ich
glaube, jeder kann sich ausmalen, was es heißt, wenn ein homosexuelles Paar 10,
15 oder 20 Jahre lang zusammenlebt, dann ein Todesfall oder eine Scheidung
kommt und man trotzdem keinen Erbanspruch, keinen Anspruch auf Unterhalt und so
weiter hat.
Ich denke, das ist ein Zustand, den wir in diesem
Land nicht weiterhin aufrechterhalten sollten, zumal es in Österreich bereits
mehrere Länder gibt, die eine solche Ehe- oder Partnerschafts-Registrierungsmöglichkeit
geschaffen haben, jeweils mit allen oder fast allen Rechten und Pflichten, und
zumal wir jetzt sogar so weit sind, dass bereits Deutschlang, ja sogar die
Schweiz, die nicht unbedingt, sage ich jetzt einmal, traditionell als das progressivste
und modernste Land in Europa wahrgenommen wird, kurz davor stehen, eine solche
Ehe zu beschließen. Aus diesem Grund ist es, denke ich, längst an der Zeit, den
Bund aufzufordern, eine solche Partnerschafts-Registrierungsmöglichkeit zu schaffen.
Meine Damen und Herren! Nach diesen Ausführungen
denke ich, dass es hier vielleicht nicht notwendig, nicht dringend notwenig
ist, mich an die Wiener SPÖ zu richten. Ich glaube, ich brauche Sie nicht zu
überzeugen, ich brauche Sie auch keinesfalls anzuagitieren, Sie bringen ja
heute diesen Resolutionsantrag gemeinsam mit uns ein.
Was die Wiener FPÖ betrifft, brauche ich mich, denke
ich, auch nicht groß an Sie zu wenden, zum einen, weil ich von da - mag sein,
dass ich Ihnen Unrecht tue - keine besondere Unterstützung erwarte, zum anderen
aber auch, weil zuletzt immer wieder Abgeordnete der FPÖ in den Medien zu hören
und zu lesen waren, die gemeint haben, dass sie sich vielleicht mit dem einen
oder anderen Schritt anfreunden könnten oder dass sie sich das eine oder andere
gut vorstellen könnten, darunter übrigens auch die Abschaffung des § 209.
Insofern möchte ich mich zum Schluss mehr und primär
an die Wiener ÖVP wenden, die nach wie vor, nicht als Wiener ÖVP, sondern als
ÖVP im Allgemeinen - ja, ich sage es ganz einfach so, wie ich es wahrnehme -,
stur den Zepter der Homophobie in diesem Land vor sich herträgt und immer dann,
wenn es um Besserungen für Lesben und schwule Menschen geht, wirklich
reflexartig mit einem Nein reagiert. (GR Gerhard Pfeiffer: Das ist absolut
nicht wahr! - GR Georg Fuchs: ... die ÖVP, bitte!)
Falls ich mich irre, freue ich mich darauf, dass Sie
heute diesem Antrag zustimmen werden. (GR Gerhard Pfeiffer: Wir müssen nicht
Ihrem Antrag zustimmen! Aber deswegen sind wir nicht ...!) Wenn Sie das
nicht tun, so denke ich mir, ist das, was bei Menschen zählt, nicht immer nur
das, was Sie sagen und wozu Sie nicken, wenn Sie zuhören, sondern auch das, was
Sie tun. In diesem Fall geht es einfach um etwas sehr Simples: Hand heben oder
unten lassen. Das werden wir ja noch sehen. (GR Gerhard Pfeiffer: Wir müssen
nicht tun, was Sie wollen!)
Weil ich mich an Sie wende, habe ich mir gedacht, was ich
hier erzähle, ist vielleicht irrelevant; vielleicht habe ich nicht die
Überzeugungskraft, um Sie anzusprechen. Also möchte ich gern Herrn Feri Thierry
zitieren, der vor drei Tagen in der "Presse" einen hervorragenden
Kommentar geschrieben hat, den womöglich manche von Ihnen bereits gelesen
haben. (GR Gerhard Pfeiffer - ein Dokument in die Höhe haltend -: Haben wir
da!) Dieser heißt übrigens "Stark, schwarz, schwul", und für diejenigen,
die ihn womöglich nicht
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular