Gemeinderat,
6. Sitzung vom 25.10.2001, Wörtliches Protokoll - Seite 96 von 100
on des Wiener Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Berichterstatterin!
Meine Damen und Herren!
Alte Märchen
fangen meist mit "Es war einmal ..." an. Und auch manche moderne
Legende beginnt so. Es war einmal das Märchen vom freien Markt, der sich ganz
von alleine reguliert. Das Märchen von den traditionsreichen, gemütlichen Innenstadtkinos,
die die Konkurrenz der Multiplexe nicht zu fürchten brauchen, und das Märchen
von den anspruchsvollen Filmen, die ohne Förderung die tollsten
Einspielergebnisse erzielen, so à la "Der Schuh des Manitu". Ich
nehme an, Sie haben das alle gesehen. So weit die schöne Mär.
Tatsache ist,
dass die Expansionswut der Unterhaltungsmultis - heute zum Beispiel eröffnet gerade
die UCI Kinowelt in der Milleniums-City mit 21 Sälen und
3 524 Plätzen eines der 10 größten Kinocenters Europas, hinter
dem die US-Giganten Paramount und Universal mit ihrer PR-Maschinerie stehen -
dazu geführt hat, dass die Anzahl der Kinosessel in Wien in den letzten zwei
Jahren - wir haben es vorhin schon gehört - auf das Doppelte angewachsen ist,
nämlich von knapp 16 000 auf mehr als 30 000 Sitzplätze und die
Kinosäle von 93 auf 192. Das sind nicht mehr Säle und nicht mehr Sessel als im
heute schon vorgekommenen Berlin mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass es
doppelt so viele Berliner wie Wiener gibt. Es ist also vollkommen klar, dass
der Markt nicht nur gesättigt, sondern sogar überhitzt ist. Und es sind nicht
nur die kleinen Kinos in Gefahr. Der beinharte Wettbewerb der Branchenriesen
produziert nämlich bereits die ersten Multiplexruinen. Schauen Sie sich einmal
das leere Lassalle-Center an, trotz Riesenleinwände -
12 x 24 Meter -, trotz modernster Digital-Technik, trotz
Erlebnisgastronomie und Parkplätze zuhauf.
Die Stadt Wien
arbeitet daher bereits ein Mehrfach- und Nachnutzungskonzept aus, zum Beispiel
Fitnesscenter, Ausstellungs- oder Messeräume, falls das Event woanders
hinzieht, wie es heutzutage ja der Fall ist.
So weit zur
Eventkultur, an der wir alle nicht ganz unschuldig sind. Denn wer von Ihnen war
im letzten Halbjahr - sagen wir einmal seit der Angelobung - öfter als ein Mal
im Kino? (Die GRe Mag Christoph Chorherr
und Marie Ringler heben die Hand.) Jö, brav. Ich frage jetzt weiter:
Welchen Film haben Sie gesehen? - Ein ... (GR
Mag Christoph Chorherr: Soll ich es Ihnen wirklich sagen? - Heiterkeit bei den
GRÜNEN.) Nein, ich denke es mehr als Gewissenserforschung. (GR Mag Christoph Chorherr: Soll ich es berichten?
Eine tatsächliche Antwort? - Weitere Heiterkeit bei den GRÜNEN.) Sie allein
sind es nicht. Ich frage ja alle.
War es ein
Popcorn-Produkt à la Hollywood, ein guter europäischer oder vielleicht sogar
einer der vielfach ausgezeichneten österreichischen Filme? Ich habe ja gar
nichts gegen Popcorn, ich habe auch nichts gegen Sportgummi, und manche von
Ihnen, die älteren, werden sich ganz bestimmt noch an die Modenschau und den feschen
Edi im Gartenbau-Kino erinnern, und das war doch auch Event-Kultur! (Beifall bei der SPÖ.)
Aber vielleicht
sind wir alle schon durch die unglückliche Filmprogrammierung unserer
öffentlich-rechtlichen geschlossenen Anstalt geschmacklich verbildet, denn gute
Filme werden vom ORF gerne spät nachts versteckt. Zur so genannten Primetime
serviert man uns lieber einen amerikanischen Blockbuster oder Musikantenstadl,
der aber inzwischen politisch nimmer korrekt ist. Pardon, es gibt natürlich
auch hervorragende ORF-Eigenproduktionen, meistens sind es Dokumentarfilme, die
aber dann sonderbarerweise, wiewohl international preisgekrönt, irgendwo in den
Kunststücken verramscht werden oder überhaupt keinen Sendeplatz bekommen - ich
kann Ihnen die Zahlen vom Dokumentarfilmsymposium zeigen -, während die hochgelobte
BBC ihr Programm außer durch Gebühren vor allem durch den noch dazu prestigeträchtigen
Verkauf solcher Dokumentationen finanziert und daher werbefrei ist. Hosanna!
Aber es kommt
noch dicker. Durch das neue ORF-Gesetz, das weder eine bindende Verpflichtung
für Auftragsvergabe an die österreichische Filmindustrie noch steuerliche
Anreize für private Investoren enthält, erwächst der österreichischen Filmwirtschaft
ein Schaden von 660 Millionen S. So schaut offenbar der Regierungsschwerpunkt
Film aus! Und der ORF, der zwar das Geld hat, um sich mit Confetti-TiVi an der
UCI Kinowelt zu beteiligen, lässt durch seine Kulturchefin lakonisch verlauten,
dass wegen der gesetzlich bedingten Budgeteinschränkungen die Übertragung der
Wiener Festwochen Eröffnung 2002 ersatzlos gestrichen ist. Merk's Wien!
Mutet es
angesichts des Ausfalls von 38 Prozent des Bundesförderungsbetrags, der
massiven Kürzung der Fördergelder für audio-visuelle Medien und der ersatzlosen
Streichung der Filmsonderförderungsmittel nach 98 und 99 nicht wie blanker Hohn
an, wenn Herr Staatssekretär Kollege Franz Morak soeben gemeinsam mit dem
niederösterreichischen Landeshauptmann ein österreichisches Studienzentrum für
den Film an der Donauuniversität Krems präsentiert hat, das insgesamt
82 Millionen S verschlingen soll, davon allein
75 Millionen S für bauliche Maßnahmen! Der selbe Herr Morak, der in
der Causa Filmmuseum den "Franzl mit der leeren Tasch'n" gibt und den
Ball unelegant zur Gemeinde Wien weiter spitzelt! Der selbe Herr Morak, der
gebetsmühlenartig seinen Stehsatz "Hob ka Göd, hob ka Göd" perpetuiert
und gar keine Anstalten macht, den armseligen Medienstandort Österreich von
seinem erbärmlichen letzten Platz in der EU wegzubringen. Der selbe Mohr-rak,
der offenbar nur seine Schuldigkeit gegenüber seinen Erfindern erfüllt, wenn er
Kunst außerhalb der Metropolen vollmundig unterstützt, während die Filmkunst in
den Metropolen langsam stirbt.
Aber vielleicht
werden die hervorragenden heimi
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