«  1  »

 

Gemeinderat, 7. Sitzung vom 19.11.2001, Wörtliches Protokoll  -  Seite 48 von 138

 

2010 um etwa 100 Milliarden S schrittweise zu senken. (GR Dipl Ing Martin Margulies: Da habt ihr aber die richtige Richtung ...!)

 

Meine Damen und Herren! Wir haben hier in den letzten Debatten sehr viel vom sozialistischen Gegenmodell gehört. Es wurde vor allem vor dem Sommer der Versuch geradezu zelebriert, ein Gegenmodell zur Politik der Bundesregierung zu entwickeln. Es findet sich dieses Gegenmodell - oder wie ich fast meinen möchte: das Märchen vom Gegenmodell - auch noch in diesem Budget auf den "berühmten" grünen Seiten, nämlich im politischen Vorwort des Stadtrats. Es findet sich dieses Märchen auch in den Pressekonferenzen und in den Pressediensten.

 

Aber, meine Damen und Herren, wenn man heute Morgen der Rede des Finanzstadtrats - und in weiterer Folge etwa auch der Rede des Klubobmanns Oxonitsch - gelauscht hat, dann fällt einem auf, dass dieses Märchen vom Gegenmodell in der heutigen Budgetdebatte eigentlich nicht mehr verbreitet worden ist. Dann fällt auf, dass heute früh die Worte des Herrn Finanzstadtrats, aber auch die Worte des Herrn Oxonitsch sehr ruhig und, ich möchte fast sagen, defensiv gewesen sind. Es war heute viel von schwierigen Rahmenbedingungen die Rede, aber es wurde dieses angebliche sozialistische Gegenmodell mit keinem Wort mehr erwähnt. Es wurde nicht mehr erwähnt, weil sich dieses Gegenmodell spätestens in dieser Budgetdebatte als Märchen herausgestellt hat.

 

Das erste Märchen lautet - und das haben wir ja bereits gehört -, dass die Stadt ihre Schulden abbaut. Das ist leider nicht wahr. Wir wissen, dass wir in Schweizer Franken verschuldet sind. Viele private Häuselbauer haben bereits die Risken einer ausschließlichen Fremdwährungsverschuldung zu spüren bekommen und auch wir spüren jetzt diese Risken. Auch wir sind jetzt Verlierer der Euro-Abwertung und können daher derzeit gar keine Schulden zurückzahlen, ohne dabei Kursverluste zu riskieren. Unsere Schulden werden daher heuer in Wahrheit ansteigen.

 

Herr Stadtrat! Eine Bemerkung noch zu Ihnen: Wir haben in dieser Debatte Ihre Märchen, Ihre politischen Märchen aufgegriffen, die Sie in Ihrem Vorwort, in Ihren Pressediensten und in Ihren Pressekonferenzen verbreitet haben. Die Beamten haben auch dieses Budget wie immer seriös und mit großer Sachkenntnis sowie unter schwierigsten Rahmenbedingungen erstellt. Die Beamtenschaft stellt ausdrücklich fest, dass unsere Schulden im heurigen Jahr ansteigen werden. Genau in jenem Bericht an den Finanzausschuss, den auch Sie erwähnt haben, Herr Stadtrat, ist trocken und klar nachzulesen, dass diese Kursverluste im heurigen Jahr die entsprechenden Auswirkungen auf den Schuldenstand haben werden.

 

Wir sollten daher meiner Ansicht nach am Schluss dieser General- und Finanzdebatte zur Kenntnis nehmen und außer Streit stellen, dass auf Grund dieser Kursverluste die Schulden heuer ansteigen werden.

 

Das zweite Märchen ist das Märchen von den Abgabenerhöhungen: dass es in Wien keine Abgabenerhöhungen gibt. Da haben hier viele Redner bereits die entsprechenden Gegenbeispiele angeführt. Mit 1. November gibt es die neue Stromsteuer, die die privaten Haushalte, aber auch die Wirtschaft in Wien belastet. Im nächsten Jahr wird erstmals die Wohnbauförderung gekürzt, und zwar um 1,2 Milliarden S; das ist heute vielleicht noch ein bisschen zu wenig betont worden: Die Wohnbauförderung wird im Ausmaß von 1,2 Milliarden in das allgemeine Budget umgeleitet. Das Darlehensmodell und diese Kürzung zusammen verteuern natürlich den Wohnbau. Die neue Wiener Wohnbauförderung wird etwa eine durchschnittliche Wohnung mit 85 Quadratmetern um 500 S pro Monat verteuern. Eine Jungfamilie, die eine Wohnung sucht, wird daher auf Grund dieser Kürzungen in der Wohnbauförderung in Hinkunft 6 000 S mehr pro Jahr an Mietkosten verkraften müssen.

 

Die kommenden Tariferhöhungen bei den WIENER LINIEN sind erwähnt worden. Man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusagen, dass natürlich auch bei Wasser, Kanal und Müll nach dem Preiserhöhungsverbot in der Euro-Umstellungsphase alle diese Erhöhungen kommen werden, die ja bereits fix und fertig in der Schublade liegen. Die neue Stromsteuer und die Anhebung der Mieten sind daher nur die Vorboten eines Belastungspakets, das in Wien auf uns zukommt.

 

Herr Finanzstadtrat! Das dritte Märchen heißt: keine Leistungskürzungen. Dazu ist auch auf den grünen Seiten zu lesen, dass wertmäßig dieselben Ausgaben bedeckt werden können. Berücksichtigt man aber die Inflationsrate, dann müssen die Leistungen um etwa 5 Prozent zurückgenommen werden. Besonders von diesen Kürzungen im nächsten Jahr betroffen sind unsere Wiener Spitäler. Der Zuschuss an unsere Wiener Spitäler ist nur mit 0,8 Prozent valorisiert und liegt damit weit unter der Inflationsrate. Er muss also real gekürzt werden.

 

Der Wiener Krankenanstaltenfinanzierungsfonds hat in seiner letzten Sitzung etwa die Mittel für das Wiener AKH zusätzlich noch einmal um 230 Millionen S gekürzt. Die Verantwortlichen im AKH sagen uns auch ganz deutlich, dass sie mit diesem Budget die Gesundheitsversorgung nicht garantieren können. So zeigt etwa auch eine Analyse des Wirtschaftsplans des KAV, dass die Spitäler mit ihrem Investitionsbudget ihre Anlagen nicht mehr auf dem letzten Stand der Technik halten können. Wir schreiben jährlich 3 Milliarden ab, aber nur 1 Milliarde haben wir für Ersatzinvestitionen zur Verfügung, was nichts anderes bedeutet, als dass pro Jahr 2 Milliarden S fehlen, um alte Anlagen durch moderne, auf dem letzten Stand der Technik stehende Anlagen ersetzen zu können.

 

Ich bin schon sehr gespannt auf die Haltung unserer Gesundheitsstadträtin zu diesem Thema, unserer neuen Stadträtin, die vor einem Jahr als sozialistische Gesundheitssprecherin im Parlament noch ganz anders

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular