Gemeinderat,
7. Sitzung vom 20.11.2001, Wörtliches Protokoll - Seite 69 von 125
was Sinn macht in
Einrichtungen, was ein wichtiges Instrument der Reflexion der eigenen Arbeit
darstellt.
Somit kommen
wir auch in den Ursprungsbereich, in den Krankenanstaltenbereich des Krankenanstaltenverbunds.
Viele Einweisungen ins Geriatriezentrum Wienerwald erfolgen auf abenteuerliche
Weise. Da werden hochbetagte pflegebedürftige Menschen aus einem Akutspital zu
früh nach Hause entlassen, sie sind geschwächt, sie sind nicht im Stande, sich
selber zu versorgen. Um nicht zu viel Belegstage anzuhäufen, werden sie zu bald
entlassen. Ich spreche jetzt auch von Berichten, nicht dass Sie meinen, ich
weiß nichts, ich hätte hier ungedeckte Berichte. Auch das ist Originalton aus
dem GZW. Zu Hause sind diese geschwächten Menschen vom mobilen Hilfsdienst sehr
schnell als das erkannt, was sie wirklich sind, nämlich dringend
betreuungsbedürftig, und werden sofort ins Geriatriezentrum Wienerwald
eingewiesen, wo sie eigentlich gar nicht hingehören, denn sie gehörten noch zur
Versorgung in das Krankenhaus. Dort sind sie auch oft mit komplexen
medizinischen Problemen wie Lungenentzündungen und Dingen, die eigentlich einer
normalen Krankenhausintervention bedürfen. Nebenbei - Zynismus am Rande -
kostet ihnen das zurzeit etwas, denn zur Finanzierung des Pflegeplatzes wird
bis auf 80 Prozent ihres Einkommens zugegriffen. Wenn Sie und ich ins
Spital kommen, zahlt es hingegen die Krankenkasse.
Diese
Situation, unter denen das Personal und die Bewohner und Bewohnerinnen im
Geriatriezentrum Wienerwald arbeitet, ist sozusagen pars pro toto für andere
Einrichtungen, in denen es ähnlich aussieht, eine unhaltbare. Trotzdem wird dem
Personal mitgeteilt - auch das wieder ein Originalzitat: "Die Zeit der
gebratenen Tauben ist vorbei." Auf meine Nachfrage, was denn hier
"gebratene Tauben" wären, ist das die Renovierung des
Pavillons VI oder der Ausbau der beiden Dementstationen, wunderbare
vorbildliche Projekte. Wenn man allerdings weiß, dass 2 600 oder
2 800 Menschen im Geriatriezentrum Wienerwald untergebracht sind, so ist
das doch einstweilen nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Um dem
abzuhelfen, nützen nicht Appelle. Um dem abzuhelfen, nützt nur ein ordentlicher
gesetzlicher Rahmen, der Folgendes klarlegt: Bewohner und Bewohnerinnen im
Geriatriezentrum sind mitnichten Pfleglinge. Pfleglinge sind sie nämlich in der
Heimordnung. Wenn sie je unter das Diktat einer solchen Heimordnung fallen,
dann können sie sich fürchten.
Hier sind
einige Paragraphen nur als Beispiel genannt:
§ 9:
"Ein Pflegling ist aus dem Pflegeheim zu entlassen, wenn er die
Bestimmungen der Heimordnung nach erfolgloser Mahnung durch die Anstaltsleitung
weiterhin nicht beachtet."
§ 17:
"Der Pflegling ist verpflichtet, den pflegerischen Anordnungen nachzukommen."
§ 24:
"Pfleglinge und Besucher sind zur Einhaltung der Bestimmungen der
Heimordnung und zur Befolgung besonderer Weisungen der Organe der Pflegeheime
verpflichtet."
Das ist der Tenor des
Zugangs zu den Bewohnern und Bewohnerinnen in den Geriatriezentren. Ich bin
sehr der Meinung, dass man das Verhältnis regeln muss, dass man den Aufenthalt
regeln muss. Aber hier reden wir von Würde, hier reden wir von
Selbstbestimmung, von Menschenrechten, wenn wir jetzt fordern, dass dieses
Verhältnis auf einen Vertrag und dergleichen gegründet sein muss, in dem die
Bewohner und Bewohnerinnen Rechte haben, Rechte sich zu äußern, Recht auf
Mitbestimmung und dort, wo sie es selbst nicht mehr können, ihre Angehörigen
beziehungsweise für sie Verantwortlichen.
In diesem Pflegeheimgesetz
müssten ein paar minimale Qualitätsstandards definiert und dann eingefordert
werden, qualitative Mindeststandards, was die so genannte Hotelqualität
betrifft. Das heißt, dass es Intimräume, Rückzugsmöglichkeiten, Privatsphäre für
die Bewohner und die Bewohnerinnen geben muss. Sagen Sie mir nicht, die wollen
eh gerne unter Leuten sein. Jeder von Ihnen möchte gerne unter Leuten sein,
aber manchmal möchten Sie und ich sich auch zurückziehen und privat sein. Es
soll nicht dem Zufall obliegen, ob man in ein gut ausgestattetes, modernes
Geriatriezentrum oder doch - wie die meisten - in ein Achtbettzimmer mit - wie
es der Kollege aus dem Geriatriezentrum Wienerwald gemeint hat -
"einbetonierter Zeit" kommt, wo man am Gang sitzt und wartet, dass
sein Leben und der Tag vorbeigehen. Das kann es nicht sein! Das kann es nicht
sein für Patienten und Patientinnen, die dement sind!
Diese
qualitativen Standards sollen - da bin ich ganz der Meinung der Frau StRin
Pittermann - einen hohen medizinischen Standard garantieren. Frau StRin
Pittermann ist als Ärztin natürlich und mit Recht sehr daran interessiert, dass
diese medizinischen Standards für die Versorgung der Pflegebedürftigen einen
wichtigen, einen herausragenden Standpunkt einnehmen, doch krank zu sein, sich
aufzugeben, hat etwas mit Lebensqualität zu tun. Lebensqualität wird auch durch
psychosoziale Betreuung hergestellt.
Ich sage Ihnen noch
eine Einsparung, die leider Platz gegriffen hat: Es gibt im Geriatriezentrum
Wienerwald Sozialarbeiter. Man sollte doch meinen, dass die Sozialarbeiter
durch die Stationen, für die sie zuständig sind, gehen und schauen, was sie mit
den Leuten tun können, für welche Aktivität sie sorgen, wer besondere Betreuung
braucht und so weiter. Das ist längst vorbei. Es gibt mittlerweile so wenige
Sozialarbeiter, dass es einer schriftlichen Anordnung des Primararztes oder der
Primarärztin bedarf, um einen Sozialarbeiter an das Bett einer Patientin zu
bringen. Bei so viel "Niederschwelligkeit" - unter Anführungszeichen
- sind wahrscheinlich viele Bewohner und Bewohnerinnen schon verstummt - und
zwar meine ich jetzt im psychischen Sinne -, bevor der Sozialarbeiter merkt,
dass sich jemand aufgibt. Qualität muss im medizinischen Bereich, aber auch in
der psychoso-
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular