Gemeinderat,
7. Sitzung vom 20.11.2001, Wörtliches Protokoll - Seite 68 von 125
tenverbunds zu den
anderen Leistungen, die in dieser Stadt durch mobile Dienste, durch Ordensspitäler,
durch den niedergelassenen Bereich erbracht werden, stehen sollen und wie die
Schnittstellen verwaltet werden. Unsere Sorge, dass die
800 Millionen S Einsparungen von denen möglicherweise getragen werden
müssen, die sich am schlechtesten wehren können, ist nicht nur nicht
ausgeräumt, sondern mit Gesprächen von Personal in den Einrichtungen durchaus
bestärkt. Die Gefahr der verschwiegenen Rationierungen von Gesundheitsleistungen
ist auch in Wien an der Tagesordnung. Das ist nicht etwas, was die Gemeinde
Wien ausschließlich der schwarz-blauen Bundesregierung als Schuld anheim
stellen kann, so sehr wir sie in diesem Punkt unterstützen, aber es gibt
Punkte, die in Wien selbst verursacht wurden und in Wien selbst behoben werden
müssen.
Lassen Sie
mich Beispiele für diese schleichende Mittelverknappung, für die schleichende
Rationierung, für die Überbelastung von Personal geben. Ich spreche wieder von
einem Bereich, der mir sehr am Herzen liegt. Das ist die Versorgung der
hochbetagten, der pflegebedürftigen Menschen in dieser Stadt. Ich habe mit
einem Mitarbeiter im Geriatriezentrum Am Wienerwald gesprochen. Er hat sehr authentisch
und sehr betroffen gemeint: "Wissen Sie, wir sehen kein Licht am anderen
Ende des Tunnels." Die Depression, die Mutlosigkeit der Bewohner und Bewohnerinnen
hat ihre Entsprechung in der Depression und Mutlosigkeit des Personals. Da
schrillen für mich die Alarmglocken. Wenn es so ist, dass Leistungen, die durch
technische und infrastrukturelle Maßnahmen, wie ausreichende Nassräume, wie
ausreichende technische Vorkehrungen, erbracht werden können, durch erhöhten
Einsatz des Pflegepersonals kompensiert werden müssen, dann trägt das
Pflegepersonal irgendwann einmal zu viel an dieser zusätzlichen Last. Die Frau
Stadträtin hat selber einmal in einem Interview im "Standard" gemeint: "Es ist
schwer, Personal gerade für diese alten, pflegebedürftigen Menschen im
ausreichenden Maß zu bekommen."
Frau Kollegin,
das ist ein Problem! Ich sehe an Ihrem Kopfschütteln, dass Sie mir zustimmen. (GRin Anica Matzka-Dojder: Nein, ich stimme
Ihnen nicht zu!) - Sie stimmen mir nicht zu, Sie meinen, es ist genug
Personal in den Pflegeheimen. Gehen Sie hin! Schauen Sie es sich an! Glauben
Sie es den Betroffenen! (GRin Anica
Matzka-Dojder: Ich bin dort, Frau Kollegin!) Die Menschen in den Pflegeheimen
leben in einem nahezu rechtsfreien Raum. Sie leben in einem nahezu rechtsfreien
Raum, denn es gibt noch kein Pflegeheimgesetz, das ihr Leben am Lebensabend in
einem ausreichenden Maße regeln würde. Es ist viel vom würdigen Leben, vom
würdigen Sterben und würdigem hohem Alter die Rede. Fast ist mir der Begriff
schon abgedroschen, wenn er sozusagen nur als kitschige Hinwendung zum hohen
Alter verwendet wird und nicht als Auftrag, hier konkrete Maßnahmen in Angriff
zu nehmen und umzusetzen.
Frau StRin
Pittermann hat mir gegenüber - sicher auch in diesem Hause und schon andernorts
- gemeint, es ist ihr wichtig, ein Pflegeheimgesetz zu erlassen, sie arbeitet
daran und sie wird einen Vorschlag vorlegen. Frau Stadträtin, wenn Ihnen dieser
Vorschlag ernst ist, dann machen Sie Nägel mit Köpfen. Ein Pflegeheimgesetz in
Wien - dazu gibt es grüne Vorschlage - bedeutet eben nicht die Festschreibung
des unhaltbaren Zustands, wie er jetzt in vielen Häusern herrscht, sondern
bedeutet, einen ganz neuen, einen ganz anderen Zugang menschlich, aber auch im
Sinne der Bereitstellung von Ressourcen, gegenüber den alten und hochbetagten
Menschen einzunehmen.
Ich komme noch
einmal zurück auf den Kollegen aus dem GZW, mit dem ich gesprochen habe. Er hat
etwas für mich sehr Schockierendes gesagt. "Wissen Sie", hat er
gemeint, "nicht nur, dass wir die Pflege, die wir zu leisten haben, unter
schwierigsten Bedienungen und ohne große Hoffnung erfüllen, sondern wir sind
auch der Mistkübel für die sozialen Probleme in dieser Stadt." Ich habe
nachgefragt, ob er denn meint und konkretisieren kann, was er hier sagt. Und
O-Ton dieses Kollegen, eines sehr bedächtigen Menschen, der nicht hetzen würde,
sondern es war Ausdruck seiner Sorge: "Bei uns werden offensichtlich
menschliche Probleme" - ich setze es jetzt so unter Anführungszeichen, wie
er es selbst mir gegenüber gemacht hat - "endgelagert." Dann hat er
von einem Fall gesprochen, von einem jungen Kosovo-Flüchtling, der nach einer
Polizeiattacke eine hohe Querschnittslähmung erlitten hat, von der Allgemeinen
Unfallversicherung ins Irgendwo entlassen wurde und nun offensichtlich im
Geriatriezentrum Wienerwald seinen - soll ich so sagen? - Lebensabend unter 80-jährigen
Dementen verbringt. 24 Jahre, hohe Querschnittslähmung - Endstation
Geriatriezentrum Wienerwald. Das kann doch nicht die soziale Einstellung in
Wien sein!
Zweites Beispiel -
Psychiatrisch Kranke, Obdachlose, Alkoholiker, Menschen, für die offensichtlich
in Wien kein Ort, kein Platz, keine ausreichende Betreuung zur Verfügung
gestellt werden kann: Diese Menschen landen im Geriatriezentrum Wienerwald,
weil sie offensichtlich irgendeine Art von Betreuung, irgendeine Art von Dach
über dem Kopf brauchen. Das ist keine angemessene Umgangsweise mit offenen Problemen,
mit schwierigen Menschen in Wien. Die Motivation von Mitarbeitern und
Mitarbeiterinnen in einem so schwierigen Ambiente wie einem Geriatriezentrum
liegt unter anderem auch darin, dass ihnen Fortbildung und Unterstützung in der
Aufarbeitung ihrer Arbeit geleistet wird. Es wird aber an den Fortbildungsmaßnahmen
gespart. Sie werden es kaum glauben, die Situation ist so, dass selbst für
Teamsitzungen Freizeit verwendet werden muss, weil keine Überstunden dafür
bezahlt werden und die Dienstzeit nicht ausreicht. Nun kann man sagen, es muss
ja niemand an der Teamsitzung teilnehmen. Erstens findet das angeblich
Niederschlag in der Dienstbeschreibung und zweitens sind Teamsitzungen etwas,
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