Gemeinderat,
8. Sitzung vom 21.11.2001, Wörtliches Protokoll - Seite 40 von 99
Menschenmögliche getan
wird, um diese Zeit nicht zu vergessen.
Wir haben
einen Bericht vorliegen, der sich mit Gegenständen aus dem Kunst- und Kulturbereich
des Historischen Museums und der Stadt- und Landesbibliothek und der Frage
auseinander setzt, was mit diesen Gegenständen in der Zeit von 1938 bis 1945
passiert ist, wie sie in den Besitz dieser Institutionen gekommen sind und ob
es rechtmäßige Eigentümer gibt. Und weil uns dieses Thema so ein Anliegen ist
und weil wir glauben, dass es dieser Stadt so ein besonderes Anliegen sein
muss, haben wir diesen Bericht sehr, sehr genau gelesen.
Sie alle haben
heute die Worte des Bürgermeisters gehört. Über die habe ich mich sehr gefreut,
weil ich das Gefühl gehabt habe, dass wirklich großes Interesse daran da ist,
alles zu tun, was nur möglich ist. Deshalb waren wir, wie wir diesen Bericht gelesen
haben, umso erstaunter, dass er leider eben nicht alle Fragen beantwortet. Ich
möchte gerne einige unserer Punkte hier aufführen, um Ihnen auseinander zu setzen,
warum wir diesen Bericht heute leider - und ich sage wirklich nachdrücklich
leider - ablehnen werden.
Offen
geblieben bei diesem Bericht ist eine Frage, die einen immer interessieren
sollte, wenn man einen Bericht liest, nämlich: Wer hat diesen Bericht geschrieben?
Auf welche Grundlage wurde dieser Bericht geschrieben? Welche wissenschaftliche
Methodik wurde eingesetzt, um zu den Ergebnissen zu kommen, die in diesem
Bericht beschrieben werden? - Ich zweifle nicht an dem Wunsch und dem Willen
all derer, die an diesem Bericht mitgeschrieben haben, das Bestmögliche zu tun.
Aber warum wird es uns nicht mitgeteilt? Warum müssen diese Fragen offen
bleiben? Es wäre doch so einfach, sie zu beantworten.
Wer sind zum
Beispiel die Mitglieder der Restitutionskommission, die in diesem Fall eine
wichtige Rolle spielt? - Wir wissen es aus einer Anfrage, die wir letztes Jahr
gestellt haben, aber es ist dem Bericht nicht eindeutig zu entnehmen. Wie oft
hat diese Restitutionskommission, die hier so wichtige und längerfristig so
unglaublich bedeutende Entschlüsse gefasst hat, getagt? Und auf welcher
Grundlage genau hat diese Kommission entschieden? - Diese Fragen bleiben offen,
wo sie doch ganz sicher beantwortet werden können, weil es doch eine Antwort
dafür gibt. Davon bin ich fest überzeugt.
Und dann gibt
es so Kleinigkeiten wie Schlampigkeitsfehler. Auf Seite 5 zum Beispiel
steht: Von den 86 erfassten Erwerbungen wurden 769 als unbedenklich und 17 als
bedenklich eingestuft. Da ist schlicht und ergreifend ein Schlampigkeitsfehler
passiert und ich unterstelle auch niemandem Bösartigkeit. Aber warum muss das
passieren? Warum müssen all diese Frage offen bleiben? Und warum wird auch die
Frage nach den Kriterien für "Bedenklichkeit" und "Unbedenklichkeit"
nicht beantwortet in diesem Bericht?
Ich glaube,
dass diese Sache viel zu wichtig ist, viel zu wichtig für diese Stadt, für
unsere Zukunft und dafür, dass das, was 1938 bis 1945 passiert ist, niemals wieder
passieren darf, als dass diese Fragen offen bleiben dürfen. Es ist wirklich schade,
dass das passieren muss.
Wir haben
mehrmals deponiert, dass wir uns wünschen würden, dass dieser Bericht
überarbeitet wird, nochmals vorlegt wird, die Fragen beantwortet werden. Wir
haben eine Anfrage mit 60 Fragen dazu eingebracht. Und wenn wir diese
60 Fragen beantwortet bekommen hätten in diesen zwei Wochen zwischen dem
Kulturausschuss und heute, dann würden wir doch heute so gerne zustimmen. Aber
die Möglichkeit ist uns nicht gegeben worden. Die Antworten sind noch immer
offen.
Warum muss es
passieren, dass in diesem Bericht ein Absatz enthalten ist, der auf die Zusammenarbeit
mit der Kultusgemeinde und der Anlaufstelle des Steering Committee Bezug nimmt,
der von diesen fast schon als persönliche Beleidigung wahrgenommen wird? - Das
tut weh. Das war sicher nicht beabsichtigt, aber es tut weh, und es muss
verändert werden. Es ist uns nicht nachvollziehbar, wieso diese Kleinigkeiten
in so einer wichtigen Angelegenheit, wieso diese Fragen nicht beantwortet wurden.
Wir fordern
daher die Überarbeitung des Berichts nach den Kriterien, die ich schon genannt
habe, und werden dazu auch einen Antrag einbringen:
"Der dem
Wiener Gemeinderat vorliegende Bericht über die 'Übereignung von Kunst- und
Kulturgegenständen aus den Sammlungen des Historischen Museums der Stadt Wien
sowie der Wiener Stadt- und Landesbibliothek' soll hinsichtlich der offensichtlich
festgestellten Inkongruenzen und Auslassungen überarbeitet werden:
1. indem
sprachliche und rechnerische Ungenauigkeiten korrigiert werden;
2. indem die
konkrete wissenschaftliche Vorgangsweise erläutert wird;
3. indem die
beigezogenen ExpertInnen und MitarbeiterInnen angeführt und deren Qualifikation
erläutert werden;
4. indem die
genauen Kriterien der Beurteilung von 'bedenklichen' und 'unbedenklichen'
Fällen erläutert werden;
5. indem die
abgelehnten Fälle aufgelistet und begründet werden;
6. indem der
Bericht öffentlich gemacht wird."
In formeller
Hinsicht beantragen wir die sofortige Abstimmung diese Antrags.
Wir glauben,
dass das wirklich nicht schwierig ist, diese Dinge und diese Fragen zu beantworten,
und es tut uns sehr Leid, hier nicht mitstimmen zu können.
Ein weiterer Punkt,
der uns sehr wichtig ist - der kommt als letzter Punkt in unserem Antrag vor -,
ist die Frage der Öffentlichmachung. Wir glauben, dass es notwendig ist, über
dieses dunkle Kapitel unserer Geschichte zu reden, offensiv darüber zu reden,
jungen Menschen klar zu machen, wie es damals dazu kommen konnte und was wir
heute dazu beitragen
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