Gemeinderat,
8. Sitzung vom 21.11.2001, Wörtliches Protokoll - Seite 44 von 99
ist das schon ein bisschen schwer alles zu recherchieren.
Ich bin der Meinung, dass diese Kommission eine ordentliche Arbeit gemacht hat.
Um das noch zu unterstreichen: Da gibt es ja auch noch diese Erwerbungen, wo
man nicht weiß, auf Grund der Widmung oder auf Grund des Zwangsverkaufs, wer
damals der Eigentümer war, sondern die eben über diese Vugesta, über das
Dorotheum, über Händler und so gekommen sind. Da hat man sich bemüht und hat
148 Bilder ins Internet gestellt, man hat in Zeitungen inseriert, und das
geht so weit, dass man die kleinste Kleinigkeit ins Internet gestellt hat. Wir
haben uns damit beschäftigt. Die Theaterzeitung "Modekupfer" wurde
ins Internet gestellt, die erstens einmal in einer Auflage von Tausenden
Stücken erschienen ist im Biedermeier, zweitens auch jetzt keinen materiellen
Wert darstellt - ein paar 100 S -, und da jemand auszuforschen, der das
tatsächlich besessen hat, ist meines Erachtens praktisch unmöglich, aber
trotzdem - und das muss man anerkennen und das muss man auch so machen - muss
man jede Kleinigkeit auflisten, wie das die Kommission getan hat.
Ich habe zuerst gesagt - denn ganz ohne Kritik bleibe ich auch nicht -,
es ist halt sehr schwer, 56 Jahre, oder wenn man sagt, im Jahr 1999, also
54 Jahre nach Kriegsende eine Recherche durchzuführen.
Herr StR Marboe hat gesagt, die haben in der ganzen Welt recherchiert.
Früher wäre das ein bisschen leichter gewesen.
Jetzt haben wir heute in der Früh gehört vom Herrn Bürgermeister, es gab
im Jahr 1949 und im Jahr 1954 eine Restitution. Für mich bleibt halt doch der
Beigeschmack, wenngleich ich an der jetzigen Vorgangsweise in keinster Weise
zweifle, dass man in diesen Jahren - und da sind doch einige Jahre dazwischen,
einige Jahrzehnte dazwischen - nicht wirklich ernsthaft recherchiert hat. Und
das, was jetzt recherchiert wurde, ist ja noch dazu nicht von einem roten
Stadtrat ausgegangen.
Man ist - und das hat der Herr Bürgermeister heute gesagt - guten
Glaubens gewesen. Nach der ersten Untersuchungsanforderung, offenbar seit 1954
- soweit habe ich das verstanden - ist man guten Glaubens gewesen, bis man
jetzt realisieren musste, dass noch immer so viel zu Unrecht im Besitz der Gemeinde
Wien ist.
Meine Damen und Herren! Es hat sich auch niemand damit beschäftigt. Guten
Glaubens. Man hätte das ja auch schon früher kontrollieren können. Ganze
Politikergenerationen von SPÖ und auch ÖVP haben immer die Opferrolle
Österreichs herausgestrichen und von Restitution und Wiedergutmachung nichts
hören wollen.
Schauen Sie sich bitte die Ministerratsprotokolle der Nachkriegszeit an,
denken Sie an den berüchtigten Ausspruch des Innenministers Helmer: Ich bin dafür,
die Sache in die Länge zu ziehen. Lesen Sie das Buch über das
Krauland-Ministerium: Wer konnte, griff zu.
Seit 1966 versucht die Familie Rothschild an ihre Kunstgegenstände
heranzukommen. Warum hat das 36 Jahre gedauert?
Besonders
unglaublich ist - auf Grund der Wortmeldung vom Herrn Bürgermeister ist mir das
erst so richtig bewusst geworden, deswegen stimme ich auch StR Marboe nicht zu
- dieser Fall mit dem Strauß-Nachlass. Wir haben heute gehört, bei den
Restitutionen 1949 und 1954 ist man auf die Sammlung Strauß zurückgekommen. Ja,
meine Damen und Herren, Johann Strauß, dieser Name ist mit Wien so untrennbar
verbunden, der hat so viel zu unserem Image in der Welt beigetragen, Walzer,
Gemütlichkeit, Musikhauptstadt, Bälle, Exportschlager, ein wichtiger Teil
unseres eigenen Selbstverständnisses. Und da höre ich, man hat das übersehen,
es war zu wenig bedeutsam. Und dann lese ich in dem Akt akribisch, nunmehr
akribisch nach Inventarnummern aufgelistet, dass allein von der Sammlung
Strauß-Meyszner 1 900 Gegenstände restituiert werden. Und wenn das jetzt
lauter Postkarten oder irgendwas wäre, dann würde man schon nichts sagen. Aber
es ist die Hausorgel aus dem Besitz Strauß, es ist die Geigenvitrine, es sind
andere Dinge aus dem Besitz Strauß, andere persönliche Möbelstücke und so
weiter. Und was noch viel bedeutender ist: Es sind große Konvolute von
Autografen, handschriftliche Partituren der Operetten "Indigo und die
40 Räuber", "Karneval in Rom", "Ritter Pazman",
es sind um die 50 Walzer von Johann Strauß, von Lanner, es sind Musikstücke
der Familie Strauß dabei, es sind Briefe aus der Familie Strauß dabei. Es ist
ein Riesenkonvolut von unersetzbaren Autografen. Und das ist wenig bedeutsam?
Das hat man 50 Jahre lang übersehen? - Das, meine Damen und Herren, ist
für mich wirklich ein bisschen Heuchelei. Wenn man nämlich auf der anderen
Seite jahrelang immer von Weltoffenheit und Toleranz spricht und solche Dinge,
unseren ureigensten Kulturschatz, übersieht, obwohl man in diesem konkreten
Fall wahrscheinlich ohne Schwierigkeiten jederzeit die Erben hätte ausfindig
machen können. Eigentlich ist das eine Schande für Wien.
Meine Damen
und Herren! Auf Regierungsebene haben wir uns das Gott sei Dank nicht vorzuwerfen.
Seit die FPÖ auf Bundesebene in der Regierung ist, sind sensible Themen, wie
Restitution von enteignetem jüdischem Vermögen und Zwangsarbeiterfragen, nicht
nur vorbehaltlos angegangen - das steht im Regierungsübereinkommen -, sondern
auch gelöst worden.
Im April hat sich
Wien dann in der Form eines Restitutionsbeauftragten auf den ziemlich
erledigten, also ziemlich fortgeschrittenen Entschädigungszug draufgesetzt. Man
hat halt über Nacht einen Posten für den Herrn Stadtschulrat gesucht, dessen
Qualifikation ich überhaupt nicht bestreite, er wird sie sicherlich haben und
das Amt besser ausführen, als man das vielleicht in der ursprünglichen
Intention der Wertigkeit des Amtes vorgesehen hat, aber es schaut halt doch ein
bisschen so aus, als ob dieses Amt nur geschaffen
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