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Gemeinderat, 8. Sitzung vom 21.11.2001, Wörtliches Protokoll  -  Seite 91 von 99

 

Einzelhochhäuser, einen 80-Meter- und einen 100-Meter-Zahnstocher, wenn Sie mir das erlauben, dort zulässt.

 

Ich möchte mich aber eher mit den Geschäftsflächen im Gebiet der Brachmühle beschäftigen. Ich meine, es ist ja ein Dauerbrenner auch immer wieder hier im Haus: Wo und in welchem Ausmaß dürfen Einzelhandelsflächen in dieser Stadt entstehen? - Der Grundsatz der Stadtplanung heute ist durchaus vernünftigerweise, zumindest in der Theorie, dass es überall dort geschehen soll, wo so genannte Verdichtungen, seien es Wohnnutzungen, Büros oder auch im Einzelhandel, möglich sind, nämlich es überall dort, wo es einen sehr intensiven öffentlichen Verkehr in Zukunft geben wird, zuzulassen.

 

Bei der Immobilienentwicklung schaut es ein bissel anders aus. Ich komme ja von diesem Gebiet. Dort sagt man, der Developer braucht eine kritische Größe, um eine eigene Destination für seinen Einzelhandelsstandort zu schaffen und um attraktiv für den Konsumenten zu sein.

 

Kritische Masse ist aber ein geradezu doppelzüngiger Begriff, denn er ist nämlich äußerst kritisch zu betrachten. In vielen Fällen ist nämlich diese kritische Masse zu groß und dann zieht sie von anderen Standorten zu viel Kaufkraft ab. Und mehr als kritisch wird es dann für diese anderen Standorte, wenn sie 10 bis 20 Prozent der dortigen Kaufkraft abzieht; dann laufen nämlich diese Gefahr, überhaupt abzusterben.

 

Das Gebiet Brachmühle, meine Damen und Herren, ist ein nicht gerade kleiner Fleck mit ungefähr 27 Hektar, ein durchaus, wie wir auch glauben, wichtiges Stadtentwicklungsgebiet im 21. Bezirk. Es gibt dort natürlich in Zukunft eine attraktive U-Bahn-Station.

 

Wenn Sie sich das städtebauliche Leitgutachten aus dem Jahr 2000 anschauen und das daraus resultierende Projekt, dann sehen Sie, wenn Sie den Text genau durchlesen, dass die Gutachter in diesem 2000er-Gutachten zu etwas anderen Schlüssen kommen, in Bezug auf den Einzelhandelsstandort, als etwa die Wirtschaftskammer Wien es tut. Die Kammer etwa meint, dass es nur eine einfache U-Bahn-Station ist und keine hochrangige Umsteigerelation, die eine derartig große und eben kritische Masse an Geschäftsflächen erlauben würde. Dafür wäre es ein sehr starker individueller Verkehrsknoten. Mit der B 8, mit der B 229 und dem Ausbau in Zukunft der Seyringer Straße wäre dort noch mehr individuelles Verkehrsaufkommen zu befürchten. Und letzten Endes wird vor allem die Park-and-ride-Garage, die zugegebenermaßen auch wichtig ist, an den Samstagen für zusätzlichen Verkehr sorgen.

 

Wenn Sie so wollen, ist es also eine Expertendiskussion darüber, ob man dort eine derartig große Agglomeration von Einzelhandelsflächen zulässt oder nicht.

 

Kurz zum Flächenausmaß. Worüber reden wir denn überhaupt bei der Brachmühle? - Völlig klärbar ist so was im Voraus ja nicht, auch wenn EKZ-Flächen festgelegt werden, weil dann meistens rundherum sehr viel an kleineren Flächen, an Einzelhandelsflächen, an zusätzlichen Bauplätzen entsteht. Aber wir reden von ungefähr 40 000, knapp darunter, Quadratmetern EKZ-Flächen. Das sind, meine Damen und Herren, fast zwei Drittel des Donauzentrums, also beileibe keine kleine Agglomeration mehr. Zwei Drittel des Donauzentrums, das ist schon recht ordentlich.

 

Im Leitprojekt ist aber bereits die Rede von weiteren Flächen, die in Zukunft erschlossen werden könnten, sollten, müssten, bis zu weiteren 49 000 Quadratmetern plus den potenziellen, meist dann für den Einzelhandel zu verwendenden Erdgeschossflächen in den Bürohäusern und auch in anderen Wohnbauten, weil die eben für andere Dinge schwer verwendbar sind, plus noch einmal 4 000 Quadratmeter, plus als Nächstes dazukommend, meine Damen und Herren, das Areal der Firma Holzmann, direkt angrenzend, weitere 38 000 Quadratmeter hochwertige Immobilien-Developmentfläche, die, wenn das Gebiet dort erst einmal in Erschließung ist, ohne jeden Zweifel sehr viele Investoren und Developer anziehen wird.

 

Die Schlussfolgerung: Das oberste Limit an den ausgewiesenen EKZ-Flächen von rund 40 000 Quadratmetern wird dort mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch voll ausgenützt werden und, wie wir alle realistischerweise wissen, wahrscheinlich sogar überschritten. Denken Sie nur an den letzten Kontrollamtsbericht zu diesem Thema. Die EKZ-Flächen sind quasi ein schwarzes Loch, sie dehnen sich ja immer ohne äußeres Zutun von selbst aus.

 

Das heißt also, wir haben einen eklatanten Verkaufsflächenüberschuss im Bereich der Brachmühle zu erwarten und das, obwohl die Kammer durchaus feststellt, dass kein Mangel an Branchen oder Verkehrsflächen in diesem Bereich besteht, ganz im Gegenteil. Wenn man bekannte Projekte mit dem zukünftigen Kaufkraftpotenzial gegenüberstellt, dann ist ein Flächenüberschuss von 83 000 Quadratmetern zu erwarten, also weit mehr als das Donauzentrum an Fläche hat, die dort zu viel produziert werden.

 

Auch nicht ganz unerwähnt sollte man lassen, dass mit dem Donauzentrum an derselben U-Bahn-Achse ohnehin das größte innerstädtische Einkaufszentrum Wiens liegt.

 

Kaufkraftabflüsse, kurz betrachtet: Die Kaufkraftstromanalyse 1998, Stadt Wien und Kammer, ergibt, dass der 22. und der 21. Bezirk sehr stark gebundene Einzelhandelskaufkraft haben. Das bedeutet weiter, wenn wir das vordenken, dass der Abzug von Kaufkraft vor allem aus anderen Bezirken, etwa aus dem 2. Bezirk, kommen wird und dass es zu einer Umverteilung, meine Damen und Herren, im Bezirk kommen wird. Das heißt, die Ladenzeile Julius-Ficker-Straße ist in Gefahr, das Rennbahnzentrum ist in Gefahr, der Kagraner Platz als Einzelhandelsstandort ist in Gefahr und letzten Endes in weiterer Zukunft möglicherweise

 

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