Gemeinderat,
10. Sitzung vom 23.1.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 16 von 56
sagt, kümmern Sie sich um Ihren ÖAAB oder so etwas, will ich
jetzt einmal weglassen. - Ich glaube, dass es notwendig ist in einer solchen
Situation, dass wir uns genau und differenziert und seriös mit der Situation
auch in Wien beschäftigen. Und es soll jetzt nicht der Versuch einer
Verharmlosung oder Bagatellisierung sein. Wir nehmen das schon sehr ernst. Aber
wenn man Konsequenzen ziehen will, dann muss man natürlich von konkreten
Maßnahmen und einer tatsächlichen Lage ausgehen.
Und ich möchte doch auf vier Punkte hinweisen, die
für die Situation in Wien eine Rolle spielen.
Es ist unter Experten unbestritten, dass die
Arbeitslosenzahlen in Großstädten höher sind als in anderen Bereichen. Warum? -
Weil auch die Beschäftigungsquote höher ist und daher ein unmittelbarer
Zusammenhang besteht. In Wien ist die Beschäftigungsquote die höchste,
68,7 Prozent, gegenüber beispielsweise 51,1 Prozent in Kärnten.
Zweitens: Wenn gesagt wird, Großstadt Wien,
vergleichen wir es international, wie schaut die Arbeitslosigkeit in anderen
Großstädten aus, dann stellen wir fest, dass die Wiener Zahlen niedriger sind,
unsere Situation besser ist. Jetzt zähle ich auf: Zürich, München, London,
Hamburg, Amsterdam und Berlin. Also das heißt: Im internationalen Vergleich der
Großstädte mit ihren eigenen Strukturen ist das etwas, wo man auch sagen muss,
dass es da durchaus auch Vorteile gibt.
Drittens - das ist nicht ein Vorwurf, aber es ist
eine Konsequenz daraus -: Der Stellenabbau des Bundes bei Bahn und Post wirkt
sich - das können Sie heute auch im "Kurier" nachlesen, das können
Sie in der WIFO-Studie nachlesen - zu mehr als der Hälfte in Wien aus. Der
"Kurier" hat vor wenigen Tagen geschrieben: 10 000 Posten
weniger, davon 4 000 in Wien. Das schlägt natürlich auf die
Arbeitslosenzahlen in Wien durch.
Ein weiterer Punkt, der manchmal übersehen wird: Die
durchaus vielleicht aus strukturellen Gründen zu bejahende Erhöhung des
Pensionsantrittsalters - also ich will das jetzt gar nicht in Streit ziehen -
bei den ASVG-Versicherten hat österreichweit bewirkt, dass 19 000
Arbeitsplätze länger besetzt waren und junge Leute, die sonst auf diese
Arbeitsplätze gekommen wären, nicht die Gelegenheit gehabt haben, diese
Arbeitsplätze zu besetzen. Auch dieses Phänomen wirkt sich überproportional in
Wien aus.
Ein zweiter Aspekt, den ich an die Adresse des
Klubobmanns Chorherr richten möchte: Hier habe ich nicht ganz verstanden Ihre
Schnellschussempfehlung im Zusammenhang mit der Frauenarbeitslosigkeit. Wenn
Sie sich erinnern, haben Sie in einem "Kurier"-Beitrag die Meinung
vertreten, im Hinblick auf die Frauenarbeitslosigkeit in Wien und in Tirol,
Vorarlberg und Salzburg kommt es Ihnen zwar schwer über die Lippen, aber doch,
uns zu empfehlen, wir sollten uns an der Wirtschaftspolitik der ÖVP in diesen
Bundesländern orientieren. (GR Mag
Christoph Chorherr: Eine geringere Steigerungsrate!) Also ich kann nur
sagen: Das ist ein Spontanreflex gewesen, der jedem gelegentlich passiert, aber
Sie sollten doch einmal bedenken, dass auch die Frage der
Frauenarbeitslosigkeit und deren Quote im Zusammenhang steht mit der
Beschäftigungsquote. In einem Bundesland mit einer hohen Beschäftigungsquote
sind natürlich die Auswirkungen auf der Arbeitslosenseite genauso. Und die
Beschäftigungsquote in Wien ist 69,6 Prozent und damit wesentlich höher -
aber das werden Sie ja wissen - als in anderen Bundesländern. Und wenn man
fragt, wie viele von den Beschäftigten Frauen sind, dann ist der Schnitt in
Österreich weitaus niedriger, als es in Wien der Fall ist, wo 43 Prozent
aller Beschäftigten Frauen sind. Es liegt auf der Hand, dass die Frauenarbeitslosenquote
geringer ausfallen muss, wenn man eine geringere Beschäftigungsquote hat, ganz
zu schweigen davon: Wenn Sie es nicht auf den Dezember bezogen hätten, sondern
die sozusagen tourismusfreie Zeit genommen hätten, hätten Sie festgestellt,
dass diese geringeren Steigerungen im Dezember in den Tourismuszentren
Salzburg, Tirol und Vorarlberg natürlich damit zu tun haben, dass Ende Dezember
der Wintertourismus dort boomt. Eine Gesamtbetrachtung über das ganze Jahr
schaut dann schon ein bisschen anders aus.
Und zum Schluss noch ein Hinweis: Im Dezember 2001
waren in Wien mit 365 326 Frauen praktisch genauso viel beschäftigt wie im
Dezember des Vorjahres. Also, das nur zur richtigen Einschätzung Ihrer
Empfehlung, wir sollen uns in Tirol, in Vorarlberg und Salzburg die Rezepte
suchen.
Anders als die ÖVP-FPÖ-Koalition auf Bundesebene
haben wir die Prognosen - ich habe es schon erwähnt - der Wirtschaftsexperten
ernst genommen. Die Wiener Stadtregierung hat bereits im Herbst des vergangenen
Jahres im Voranschlag für das laufende Jahr, für 2002, in der Neuordnung der
Richtlinien für die Wirtschaftsförderung und auch in dem Arbeitsprogramm des
Wiener ArbeitnehmerInnen-Förderungsfonds Vorsorge getroffen, um für diese
Konjunkturauswirkungen und auch für die Auswirkungen auf die
Beschäftigungssituation gerüstet zu sein. Ich erinnere an alle, die daran
mitgewirkt haben. Ich erinnere insbesondere auch an die Mitglieder hier, die an
der Kuratoriumssitzung des WAFF am 6. November mitgewirkt haben. Dort ist
auf meinen Vorschlag das Arbeitsprogramm noch einmal ergänzt worden durch ein
Sonderprogramm für die Jugendarbeitslosigkeit, insbesondere im Bereich der 19-
bis 25-Jährigen.
Zu dem Zeitpunkt - ersparen Sie mir jetzt alle Zitate
- waren auf der Bundesebene alle noch unterwegs, fleißig zu verharmlosen, zu
kalmieren, und Wirtschaftsforscher, die gesagt haben, das wird schlimmer, sind
bedroht worden und diszipliniert worden und - um im Sprachgebrauch der
Freiheitlichen zu bleiben - "zurechtgestutzt" worden. Man muss sich
in Erinnerung rufen, wie die Lage war und wie unterschiedlich die
Startpositionen waren.
Ich sage daher: Einer der Schwerpunkte unseres
Arbeitsprogramms auf allen Ebenen, und insbesondere in dem Bereich dessen, was
wir im WAFF leisten wollen, ist die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Im
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