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Gemeinderat, 10. Sitzung vom 23.1.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 53 von 56

 

Wirtschaftsfachleuten und Sozialpartnern zugehört hätte, dann hätte sie wesentlich früher konjunkturpolitische Maßnahmen setzen müssen. Sie hat das nicht getan. Für die Bundesregierung gilt das Dogma Nulldefizit, und die Bundesregierung setzt auch in wichtigen konjunkturpolitischen Fragen nicht die entsprechenden Entscheidungen. Ich sage, die Bundesregierung laviert in diesen wichtigen Fragen.

 

Und weil die Bauwirtschaft angesprochen worden ist: Ich denke, gerade die Bauwirtschaft bedürfte einer raschen Ankurbelung. Was wir nicht brauchen, sind Placebos, meine Damen und Herren Kollegen der ÖVP.

 

Entgegen der Politik der Bundesregierung investiert die Wiener Stadtregierung und baut die Schulden ab, ohne dass hier Einschnitte in die sozialen Bereiche und wirtschaftshemmende Einschnitte erfolgen. Meine Damen und Herren, das ist Politik für die Menschen, wie wir sie uns vorstellen.

 

Nun noch einmal, meine Damen und Herren der ÖVP: Wir Sozialdemokraten unterstützen natürlich grundsätzlich Ihre Intention bezüglich Sofortmaßnahmen gegen die steigende Arbeitslosigkeit. Daran führt kein Weg vorbei. Jeder Arbeitslose ist auch uns zu viel. Nur, Sie richten Ihre Forderungen, wie schon erwähnt, ausschließlich an Wien, das alleine sicherlich die falsche Adresse ist. Sie müssen in der Lage sein und so viel Mut aufbringen, auch den Hauptansprechpartner, nämlich die Bundesregierung, aufzufordern, dass auch sie in dieser Frage wesentlich mehr Aufgaben wahrnimmt. Diese hat halt leider versagt und das ist nachweisbar. Die Bundesregierung hat lange - und das ist sicher nachvollziehbar - die Entwicklung in der Wirtschaft und am Arbeitsmarkt ignoriert und hat nicht entsprechend gehandelt.

 

Meine Damen und Herren! Auch mit bestem Bemühen kann die sozialdemokratische Wiener Stadtregierung die Auswirkungen dieser Fehlentscheidungen und der teilweisen Untätigkeit der Bundesregierung einfach nicht ausgleichen. Dafür bitte ich auch um Verständnis. Sie werden das genauso verstehen wie ich. (GR Dr Matthias Tschirf: Sie haben das verschlafen!)

 

Meine Damen und Herren der ÖVP! Es sind auch Ihre Parteifreunde in dieser Bundesregierung, die einen hohen Anteil daran haben, dass wir am Wiener Arbeitsmarkt eine derartige Situation haben. Es hilft halt nicht, Meinungen von Wirtschaftsexperten und Sozialpartnern einfach zu negieren. Wir haben ein Dreivierteljahr, bevor diese Situation am Arbeitsmarkt eingetreten ist, die Bundesregierung ersucht, sie möge handeln. Sie hat es nicht getan. Es hilft aber auch nicht, Konjunkturpakete mit wenig oder null Substanz zu schnüren, was wir brauchen, sind zielorientierte politische Handlungen. Diese sind gefragt. Das hat die Bundesregierung nicht oder viel zu spät gemacht.

 

Was mich besonders betrifft, ist - aber das ist wieder einmal bezeichnend -, wie sich die Damen und Herren der Bundesregierung aus ihrer Verantwortung den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber verhalten: Sie auferlegen ihnen zusätzliche Belastungen. Wir haben die höchste Steuerquote, die höchste Teuerungsrate.

 

Meine Damen und Herren! Realität ist andererseits: Wien weitet die Investitionen aus, während der Bund auf den niedrigsten Stand der Investitionstätigkeit der Nachkriegszeit zurückfällt und diese zurückgekürzt hat. Eine Folge davon ist dann natürlich, dass wir mit einer Riesenzahl von Arbeitslosen in Österreich und besonders auch in Wien zu kämpfen haben. Hier ist aber die Bundesregierung sicherlich mitschuldig.

 

Es wurde heute auch schon vom Herrn Finanzstadtrat deutlich gemacht, dass Wien 2002 mehr investieren wird, als es der Bund tut - das ist ja nicht nichts -, und dazu kommen noch Milliardenbeträge aus im öffentlichen Eigentum stehenden Unternehmungen. Damit wird der Wirtschaft ein Riesenvolumen zugeführt, was Arbeitsplätze sichert und natürlich auch neue schafft.

 

Wie Sie sehen, meine Damen und Herren, ist die SPÖ in der Wiener Stadtregierung heute und auch in Zukunft ein verlässlicher Partner für die Arbeiternehmer und die Wirtschaft. Wien handelt. Die Fakten sprechen für sich. Wien hat rechtzeitig auf diese voraussehbaren Entwicklungen am Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft reagiert und hat bereits im Vorjahr im Herbst entsprechend verstärkte Aktivitäten in der Budget- und Arbeitsmarktpolitik und in der Ausbildungspolitik gesetzt. Das können Sie nachlesen.

 

Sie sehen aber auch, meine Damen und Herren, dass wir Wiener Sozialdemokraten für sichere Arbeitsplätze, für wirtschaftlichen Fortschritt, Qualifikation, Motivation, soziale Sicherheit und Gerechtigkeit eintreten. Ich verweise hier auf das 100-Punkte-Programm für die Zukunft Wiens.

 

Meine Damen und Herren! Wieder ein Wort in Richtung der Kollegen der ÖVP, weil sie ja die Antragsteller für diese Gemeinderatssitzung waren: Sie wissen - vor allem als rechtskundige Mandatare -, dass für die von Ihnen geforderten Maßnahmen die Stadt Wien durchwegs nicht zuständig ist. (GR Georg Fuchs: Was? - GR Dr Matthias Tschirf: Für die Sanierungen ist Wien nicht zuständig?) Das ist ausschließlich Angelegenheit des Bundes. Also, wenden Sie sich auch dorthin mit so einer Vehemenz, wie Sie das hier im Wiener Gemeinderat tun.

 

Es geht ja hier nicht allein um Maßnahmen, wie zum Beispiel die übergeordneten Schienen- und Straßeninfrastruktur und deren Finanzierung, es geht um weit wichtigere Themen, die hier überhaupt nicht erwähnt worden sind. Ich denke zum Beispiel an die Bekämpfung der illegalen Beschäftigung und der Schwarzarbeit. Dazu habe ich überhaupt nichts gehört. Das würde Beschäftigung nach sich ziehen. Warum geschieht hier nichts?

 

Warum geschieht seitens der Bundesregierung nicht endlich etwas in der Umsetzung der EU-Entsenderichtlinie, damit wir diese Schwarzbeschäftigung besser in den Griff bekommen? - Ich orte hier einen Handlungsbedarf, aber die Bundesregierung tut nichts. Nach den neuesten Schätzungen - um das nur ganz kurz anzureißen - wird die Wertschöpfung der illegalen Beschäftigung heuer 21,8 Milliarden EUR betragen. Na, wenn wir da nicht alle aufgerufen sind, wenn da nicht vor allem die Bundesregierung aufgerufen ist, endlich einmal

 

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