Gemeinderat,
14. Sitzung vom 22.03.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 13 von 81
mit Ihrer Feststellung, dass ich für Entscheidungen, die die
Wiener Staatsoper betreffen, nicht zuständig bin, und zwar in einem doppelten
Sinn nicht zuständig: weder von der verfassungsmäßigen Zuständigkeit her noch
vom Hause her, weil ich auch da sehr für das Prinzip der künstlerischen
Unabhängigkeit der Leiter von Häusern bin.
Die nunmehr fünf Jahre andauernde künstlerische
Gestaltung des eisernen Vorhangs beziehungsweise dessen, was davor ist, wurde
vom Publikum überwiegend positiv aufgenommen. Natürlich gab es auch andere
Stimmen dazu, und es ist zweifellos auch das gute Recht von Bürgerinnen und
Bürgern, eine Unterschriftenaktion zu starten, mit dem Ziel, "das
Gesamtkunstwerk Staatsoper als Zeugnis und Dokument des österreichischen
Wiederaufbaus in der geschlossenen damals errichteten Form zu erhalten".
Es wird wohl weiter die alleinige künstlerische Entscheidung der Direktion der
Wiener Staatsoper sein, und ich bin sicher, dass Herr Dior Holender wie immer
eine kompetente Entscheidung treffen wird.
Wenn Sie mich aber in diesem Zusammenhang nach meiner
Meinung fragen, so gehe ich davon aus, dass Sie und ich wissen, dass ich dafür
nicht zuständig bin, dass es sich um meine persönliche Meinung handelt, die Sie
interessiert. Abgesehen davon, dass ich Ihnen diese meine persönliche Meinung
auch gerne sonst bei einer Tasse Kaffee erzähle, sage ich es Ihnen, wenn Sie
mich schon fragen, aber auch hier:
Die Gründe, warum Herr Dior Holender damals eine
Diskussion gestartet hat und eine sehr engagierte und anerkannte Gruppe,
nämlich das "museum in progress", damit beauftragt hat, diesen
Vorhang zu gestalten, sind, glaube ich, sehr beachtenswerte Gründe.
Rudolf Eisenmenger war, wie Sie sicher wissen, ab
1938 NSDAP-Mitglied, von 1939 bis 1945, also während der Nazizeit,
Künstlerhauspräsident und hat 1938 und 1940, ebenfalls während der
Naziherrschaft in Österreich, Österreich bei der Biennale in Venedig vertreten.
Er war danach ein bekannter Maler und Lehrer und wurde 1954 mit der
Neugestaltung des eisernen Vorhangs betraut. Andere bedeutende österreichische
und internationale Künstler wie Wotruba, Kokoschka, Weiler, Boeckl, Hutter oder
auch nichtösterreichische Maler wie Marc Chagall wurden bei der Vergabe des
Auftrags nicht berücksichtigt, obwohl sie nachweislich interessiert waren.
Auch damals ist dieser Auftrag an Eisenmenger
durchaus von Fachleuten und Medien scharf kritisiert worden, weil man fast
durchgängig schon damals der Meinung war, dass das Werk rein künstlerisch und ästhetisch
nicht adäquat war. Ich zitiere aus einer Tageszeitung vom 8.12.1954:
"Der Entwurf von Professor Eisenmenger, der angenommen
wurde, ist so ordentlich klassizistisch, so brav unpersönlich, dass er in der Tat
jede Erhitzung (für ihn) ausschließt."
Dieses Zitat stammt aus der Tageszeitung "Die
Presse", und in derselben Tageszeitung hat Herr Dior Holender 1997, wie
ich glaube, sehr nachvollziehbar begründet, dass es nicht einmal um die
politische, ideologische oder moralische Zugehörigkeit Rudolf Eisenmengers zur
Nazi-Ideologie geht, dass nicht einmal diese ausschlaggebend war für seine
Entscheidung, sondern die Qualität der Kunst, und das wurde eigentlich auch in
der öffentlichen Diskussion seither so gesehen.
Ich schließe mich eigentlich dieser Meinung an, und
dies umso mehr, als das, was seither durch das "museum in progress"
an verschiedenen Kunstwerken dort zu sehen war, die Qualität, wie ich glaube,
um einiges übersteigt. Soweit ich informiert bin, ist das Vorhaben, weiterhin
über das "museum in progress" in regelmäßigen Abständen eine
Neugestaltung des eisernen Vorhangs beziehungsweise dessen, was davor ist,
vorzunehmen, und ich unterstütze das sehr.
Vorsitzender
GR Rudolf Hundstorfer: Danke
schön. - Wir kommen zur ersten Zusatzfrage: Frau GRin Mag Unterreiner, bitte.
GRin Mag
Heidemarie Unterreiner (Klub der Wiener Freiheitlichen): Herr StR Mailath-Pokorny!
Ich danke für die Antwort und vor allem auch dafür,
dass Sie mir das nicht privat bei einer Tasse Kaffee mitgeteilt haben, denn vor
zwei Tagen kam auch eine Anfrage von einem Kollegen aus Ihrer Fraktion, die
Themen der Bundespolitik betraf - es ging damals um die gekürzten Subventionen
im Kulturbereich -, und da haben Sie sehr ausführlich Stellung genommen, und
daher finde ich es durchaus fair, dass Sie das jetzt auch mir gegenüber getan
haben.
Ich freue mich, dass auch Sie den eisernen Vorhang
als ein Symbol des Wiederaufbaus sehen. Was Sie aber jetzt nicht erwähnt haben,
war, dass das damals ein dreistufiger Wettbewerb war, an dem, wie Sie selbst
angesprochen haben, 16 österreichische Künstler mit 78 Entwürfen teilgenommen
haben, und - das haben Sie aber nicht erwähnt - dass Eisenmenger alle drei
Stufen anonym gewonnen hat. Ich meine, das spricht doch für die Zustimmung, die
der Künstler Eisenmenger gefunden hat.
Und das Thema "Orpheus und Eurydike" fügt
sich als Vorhangbild ein, und deswegen meinen viele, dass die Verhängung eines
Kunstwerks, das als Bild empfunden wird, als Bilderstürmerei, als Bildersturm
gewertet werden kann. Auch die Behauptung Holenders, das Eisenmenger-Kunstwerk
sei ein Relikt - das hat er nämlich gesagt - aus der nationalsozialistischen
Zeit, ist schlichtweg falsch - das haben Sie ja selbst gesagt -, da das Werk
aus dem Jahr 1955 stammt.
Im Hinblick auf die Person Eisenmengers ist es schon
wichtig zu sagen, dass ...
Vorsitzender
GR Rudolf Hundstorfer (unterbrechend): Darf ich Sie bitte
ersuchen, zur Frage zu kommen.
GRin Mag
Heidemarie Unterreiner (fortsetzend): Trotzdem, es ist wichtig, und der Herr Stadtrat hat ja auch ein
bisschen über das Leben geredet.
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer
(unterbrechend): Sie haben
2 Minuten! Die 2 Minuten sind bald
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular