Gemeinderat,
15. Sitzung vom 26.04.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 39 von 99
zu einer staatsvertraglichen Verpflichtung geworden. Wir
haben damals etwas unterschrieben, das uns staatsvertraglich dazu verpflichtet,
dass in Bereichen, wo Sichtachsen beeinträchtigt sind, wo Weltkulturerbe
gefährdet ist, wo auf Grund der Kubaturplanung Verkehrsbeeinträchtigung
stattfindet, die für den jeweiligen Standort nicht gerecht ist, man keine
Hochhausbauten hinbauen darf. Das ist eine staatsvertragliche Verpflichtung,
die wir hier unterfertigt haben, der natürlich auch die Bundesländer
nachzukommen haben! Und das Bundesland Wien hat nichts Besseres zu tun, als
hier offensichtlich ganz offen und kühn staatsvertragliche Rechte einfach zu verwerfen
und zu übergehen und auch nicht einmal in das Hochhauskonzept aufzunehmen.
Nichts dergleichen lese ich hier bei den Ausschlusszonen! Ich lese nichts
davon, dass wir diese Weltkulturerbekonvention unterschrieben haben und dass
wir eine staatsvertragliche Verpflichtung haben, dieser nachzukommen.
Das alles ist schon sehr verwunderlich. Es wird nur
ganz kurz bei der Ausschlusszone angeführt, dass es natürlich entscheidend ist,
wesentliche Sichtachsen und Blickbeziehungen zu berücksichtigen. Es wird auch
das Belvedere und die Gloriette erwähnt. Der bekannte Canalettoblick wird hier
im Hochhauskonzept auch kurz angerissen. Ja genau, das ist auch ein Beispiel,
das ganz genau aufzeigt, dass man mit der Planung der Hochhaustürme im Bereich
Bahnhof Wien-Mitte vollkommen danebenliegt und vollkommen an dieser Weltkulturerbekonvention
vorbeihandelt. Denn eines ist klar, Herr StR Schicker, wie Sie damals in einem
Medium kundgetan haben, man sieht die Salesianerkirche vom Canalettoblick schon
schön und die verdeckt die zukünftigen Hochhausbauten - na ja, das ist ja in
der Zwischenzeit schon widerlegt worden. Diese Behauptung, die Sie hier aufgestellt
haben, stimmt nicht.
Sie sollten das Prädikat "Weltkulturerbe" wirklich
ernst nehmen. Das ist ja bitte nicht vom Himmel gefallen. Das Prädikat
"Weltkulturerbe" ist ja bitte auch von Ihnen, und Sie sind ja bitte
seit über 55 Jahren in dieser Stadtregierung, immer angestrebt worden. Sie
haben diesen Antrag gestellt. Sie haben dafür gekämpft und sind dafür
eingetreten, dass wir dieses Prädikat bekommen! Und als es dann da war, haben
Sie nichts davon in diesem Hochhauskonzept aufgenommen. Nichts aufgenommen! Ich
wundere mich wirklich darüber, wie man ein Konzept inhaltlich eigentlich so
fehlgeleitet gestalten kann. Denn das ist eigentlich der wesentlichste Punkt.
Sie dürfen das so nicht handhaben, wie Sie das im eigenen Hochhauskonzept
vorgeben wollen. Sie dürfen das nicht!
Deshalb sind wir auch jetzt im Rahmen einer Petition,
die wir ins Leben gerufen haben, an den Nationalratspräsidenten Prinzhorn
herangetreten und haben ihm diese Petition übergeben, weil die Republik
Österreich und die jetzige Bundesregierung nicht nur die Möglichkeit haben,
sondern auch auf Grund der staatsvertraglichen Situation sogar die
Verpflichtung haben, sich zumindest an den Verfassungsgerichtshof zu wenden,
damit der umgehend eine Entscheidung darüber trifft, ob und in welcher Art und
Weise die erfolgten Flächenwidmungen hier im Gemeinderat widerrechtlich
zustande gekommen sind. Und dass sie widerrechtlich zustande gekommen sind, das
liegt laut Fachmeinung mehrerer Juristen auf der Hand. Hier wird der
Verfassungsgerichtshof wahrscheinlich demnächst auch eine Entscheidung zu
treffen haben.
Es hat aber die Bundesregierung auch die Möglichkeit,
die widerrechtlich zustande gekommene Flächenwidmung Bahnhof Wien-Mitte außer
Kraft zu setzen. Ich sage Ihnen heute schon voraus: Wenn Sie Ihr eigenes
Hochhauskonzept, das Sie heute hier vorlegen, umsetzen und dann wieder
vorhaben, im innerstädtischen Bereich weitere Hochhausbauten hineinzupflanzen,
dann wird die Bundesregierung aufgerufen zu sein, im Sinne der Weltkulturerbekonvention
einzuschreiten. Denn Ihre Aufgabe wäre es gewesen und wird es auch in Zukunft
sein, sich rechtzeitig mit der Unesco und auch mit der Bundesregierung in
Verbindung zu setzen, ob nicht das, was Sie hier an Planungen im
Hochhausbereich vorhaben, der staatsvertraglichen Verpflichtung eben widerspricht.
Sie negieren das.
Herr StR Schicker! Sie selbst haben sich im Rahmen
eines Interviews mit einer Tageszeitung eines Vergleichs bedient, in dem Sie
gesagt haben: "Die Stadt Wien ist ja kein Taliban-Regime, wir können ja
keine rechtlich zu Stande gekommenen Baugenehmigungen oder Flächenwidmungen
wieder zurücknehmen."
Dazu darf ich schon in Erinnerung rufen, dass das
Taliban-Regime in Afghanistan das Weltkulturerbe dort in die Luft gesprengt
hat, und ich sage auch klar und deutlich: Ich möchte nicht erleben, dass wir
jetzt - sinnbildlich - unser Prädikat "Weltkulturerbe" in die Luft
sprengen, nur weil man überhaupt nicht einsehen will, dass man hier nicht
korrekt vorgegangen ist, dass man sich eben nicht an die Vorgaben gehalten hat,
die wir als Republik Österreich auch unterzeichnet haben und deren Einhaltung
wir uns auch verschrieben haben. Deshalb sage ich klar und deutlich: Wir sind
dazu verpflichtet.
Ich möchte auch Grundsätzliches zum Hochhausbau
festhalten: Es wird immer so getan, als wäre die moderne Architektur
prinzipiell nur mit Hochhausbauten in Verbindung zu bringen. - Die moderne
Architektur hat prinzipiell einmal nicht immer etwas mit einem Hochhausbau zu
tun, das möchte ich hier schon feststellen. Und der Hochhausbau ist schon gar
nicht mehr modern - der war vor 100 Jahren modern, und er macht und machte
vor allen Dingen dort Sinn, wo man in diversen Städten einen Platzmangel gehabt
hat, wo man Wohnraum gebraucht hat, Büroraum gebraucht hat, weil man keinen
Platz gehabt hat, in die Breite zu bauen. Dieses Kriterium war der vorwiegende
Grund, warum Hochhausbauten in der amerikanischen Architekturszene überhaupt
umgesetzt worden sind. - Wir haben keinen Platzmangel in der Stadt Wien. Wir
haben die Möglichkeit, an den Rand der Stadt zu gehen, wir haben die
"Platte", wir können uns herrlich auch in dem Bereich architektonisch
in die Höhe entwickeln, wo es nicht störend und nicht gefährdend für das
Weltkulturerbe ist. Und genau darum geht es uns ja auch.
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