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Gemeinderat, 16. Sitzung vom 29.05.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 17 von 90

 

in Wien wieder oder fährt in Wien mit der Straßenbahn. Also, mit dem Postautobus könnte er ja heute nicht fahren.

 

Und daher meine ganz einfache Bitte an Sie: Haben Sie einmal den Mut, den auch der StR Rieder und jetzt unterstelle ich ihm einen Mut und ich unterstelle Ihnen Verantwortungsbewusstsein, den Sie auch gehabt haben, weil das kommt ja nicht von ungefähr, dass Sie darüber nachgedacht haben, weil Sie wissen, so geht es einfach nicht weiter, und stellen Sie doch einmal hier im Wiener Gemeinderat eines klar: Die Wiener Linien gehören den Wienerinnen und Wienern. Die Wiener Linien haben einen riesigen Aufholbedarf in Richtung Effizienz und Kostenwahrheit, weil sonst werden sie auf Dauer für den Steuerzahler unleistbar. Und stellen wir das vielleicht auch gleich klar bei der Gelegenheit: Diese Stadt gehört den Wienerinnen und Wienern, wird regiert von der Stadtregierung und wird kontrolliert vom Wiener Gemeinderat und von sonst niemand. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Vorsitzende GRin Josefa Tomsik: Ich möchte für weitere Wortmeldungen in Erinnerung bringen, dass die Redezeit der Damen und Herren des Gemeinderats nur einmal geht und mit 5 Minuten begrenzt ist.

 

Als Nächster ist Herr GR Margulies zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 

GR Dipl Ing Martin Margulies (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Wir haben jetzt eigentlich ein sehr zentrales, wesentliches Thema, "Wem gehören die Wiener Linien?", in einer peinlichen Abhandlung des Kollegen Salcher wahrgenommen. Es geht darum, dass es ein wirklich ernstes Thema ist. Und das Einzige, was Kollege Salcher tatsächlich dargelegt hat, war seine Gewerkschaftsfeindlichkeit. Nicht dass ich mit allem, was der Kollege Simanov oder die Personalvertreter der Wiener Linien machen, einverstanden bin. Aber bitte erkennen Sie doch einmal, dass es ganz unterschiedliche Funktionen sind. Oder hat es sich bei Ihnen in der ÖVP so festgesetzt, dass die einzig guten Gewerkschaften gelbe Gewerkschaften sind? Wenn dem so ist, dann ist es am besten, Sie kommen heraus und sagen das auch hier. Aber reden Sie dann nicht über Sachen, wo Sie wirklich nur peinlich sind. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPÖ.)

 

Und jetzt kommen wir zu der Frage: Wem gehören die Wiener Linien? - Und auch wir stellen uns diese Frage öfters, wenn wir hier im Gemeinderat diskutieren, wenn es nämlich tatsächlich um so wesentliche Entscheidungen geht: Wer trifft die Entscheidungen über Tariferhöhungen? Dann ist es plötzlich nicht mehr der Gemeinderat oder die Regierung. Aber selbstverständlich, wenn es darum gehen würde, dass die eine oder andere Buslinie möglicherweise privatisiert werden könnte, ist schon der zuständige Stadtrat verantwortlich. Hier wäre es einmal wichtig, eine Klärung herbeizuführen. Denn was tatsächlich bei der Privatisierung von einzelnen Linien droht, das haben diejenigen, die es sich wünschen, nämlich die privaten Busunternehmer, bei der Post via APA sehr, sehr deutlich gemacht, wenn sie sagen: "Fest steht, wir werden aber sicher nicht nur unrentable Linien übernehmen, unterm Strich muss es sich ausgehen." Das heißt, es geht um die Linien, die Gewinn machen, verlustbringende Linien müssten außerdem, wie auch schon jetzt beim Postbus, von Ländern oder Gemeinden finanziert werden. Ähnliches wäre bei den Wiener Linien selbstverständlich der Fall.

 

Und Sie wissen genau, wo das hinführt, diese Art der Liberalisierungsschritte. Genauso wie Herr StR Rieder. Und deshalb habe ich diese Aussage von Ihnen, Herr StR Rieder, dass Sie sich das vorstellen können, eher erschreckend gefunden. Denn es kann nur zu einer Ausdünnung und zu einer Leistungsreduktion kommen. Wenn die Gewinn bringenden Linien privatisiert werden, dann fehlen natürlich auch die Gewinne auf dieser Seite, und die Verluste für die Stadt Wien werden selbstverständlich höher. Denn eines ist klar: Kein Privater übernimmt verlustbringende Linien. Und dennoch sind sie für ein funktionierendes öffentliches Verkehrsnetz notwendig, denn wenn es weniger Linien insgesamt gibt, egal, wie viel sie genutzt werden, dann führt das dazu, dass ein Netz langsam ausgehöhlt wird und tatsächlich die Funktion von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr wahrgenommen wird.

 

Ich würde mir auch erwarten, was die Wiener Linien betrifft, dass viel stärker als bisher auf die transnationale Ebene geachtet wird. Denn wenn es so weitergeht, wie es jetzt im Rahmen des "General Agreement of Trade and Services" - GATS-Abkommen - geplant ist, dann stellt sich in drei, vier Jahren möglicherweise nicht einmal mehr die Frage, wem die Wiener Linien gehören, gehören sie den Wienerinnen und Wienern oder gehören sie dann vielleicht doch Privaten. Denn das, was jetzt geplant ist, und das darf man nicht vergessen, mit Unterstützung dieser Bundesregierung innerhalb der EU und innerhalb der Verhandlungen über das GATS-Abkommen, ist eine weiträumige und weitläufige Privatisierung sämtlicher kommunaler Dienstleistungen, eine Entmündigung von Gremien, wie der Wiener Landtag eines ist oder der Wiener Gemeinderat.

 

Dagegen gilt es vor allem als Stadt Wien aufzutreten. Denn wenn wir gemeinsam in den nächsten Jahren tatsächlich noch darüber entscheiden wollen, wie das öffentliche Verkehrswesen in Wien funktioniert, wie das Gesundheitswesen in Wien funktioniert, wie das Bildungswesen in Wien funktioniert, wie Soziale Dienste funktionieren, dann ist es jetzt wichtig, als Gemeinde Wien und als Land Wien gegen diese weiter fortschreitende Deregulierung und Liberalisierung unter den Konzepten, die im GATS-Abkommen diskutiert werden, aufzutreten. Dann ist es wichtig zu sagen: Diese Welt ist längst, was den wirtschaftspolitischen Bereich betrifft, globalisiert genug. Das, was wir brauchen, ist eine Sicherung unserer kommunalen Dienstleistungen.

 

Und es muss wieder selbstverständlich und ganz klar werden - jetzt wieder bezogen auf die Wiener Linien -, dass der öffentliche Verkehr in Wien unter Verantwortung des Wiener Gemeinderats organisiert wird. Und daher müsste es unser gemeinsames Ziel sein, in diesen

 

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