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Gemeinderat, 17. Sitzung vom 24.06.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 52 von 145

 

Dienstleistungen in der Regel fatal sind. Positive Ausnahmen gibt es vereinzelt, meist jedoch von einem bei weitem niedrigeren Ausgangslevel. Das sind, wie gesagt, positive Ausnahmeerscheinungen. In der Regel sind die Folgen steigende Preise, Qualitätsverlust, Leistungsabbau, Lohndumping und ein Verlust - und das ist ein ganz wichtiger Satz - an Versorgungssicherheit. Denn einer der wesentlichsten Punkte ist natürlich gerade in der Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen auch der Kontrahierungszwang für alle Konsumenten und Konsumentinnen.

 

Um diese Entwicklung in Österreich zu bekämpfen, sollten unseres Erachtens nach daher weitere Liberalisierungs- und Deregulierungsschritte im Zuge des GATS-Abkommens verhindert werden. Es geht im Gegenteil vielmehr darum, die Möglichkeiten zurückzugewinnen, dass soziale, ökologische, regionalpolitische Kriterien bei öffentlichen Dienstleistungen, auch bei deren Erbringung und bei deren Vergabe, wieder in den Vordergrund gerückt werden.

 

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

 

Der Gemeinderat der Stadt Wien lehnt die jetzt bekannt gewordene Position der EU-Kommission, welche die Forderung an andere WTO-Mitglieder enthält, die Wasserversorgung ... Bitte aufpassen! Vielleicht doch noch ein kleiner Seitenhieb: Da stellt sich doch die Bundesregierung hin und sagt: Unser Wasser? Keinesfalls wird das privatisiert! Unser Wasser? Niemals würden wir das hergeben. Und dann wird bekannt, nachdem die GATS-Verhandlungen ja geheim ablaufen, dass die EU-Kommission in unserem EU-Positionspapier fordert, dass die Wasserversorgung liberalisiert wird. Na, das ist ja überhaupt das Schönste, sich hinzustellen und zu sagen, von den anderen fordern wir, insbesondere zum Beispiel von der Schweiz, die Freigabe und die Liberalisierung der Wasserversorgung, und dann die Chuzpe zu haben und zu sagen: Aber in Österreich machen wir es nicht. Dies geschieht in dem Wissen und möglicherweise genau auf Grund dessen, dass es das GATS beschließt. Dies geschieht mit Unterstützung der österreichischen Bundesregierung, und dann stellt man sich hin und sagt: Mein Gott, das ist internationales Recht, da können wir nicht drüber.

 

Ich sage Ihnen, diese Chuzpe, so die Bevölkerung anzulügen, ist eigentlich wirklich eine Sauerei. Das lehnen wir zutiefst ab. (GR Gerhard Pfeiffer: Was Sie sagen, das stimmt nicht!) Sie wissen es wahrscheinlich. Sie werden sicher dann auch antworten. (GR Gerhard Pfeiffer: Ja!) Gut. Sie können gerne zustimmen, wenn Sie unserer Meinung sind. Jedenfalls lehnt der Gemeinderat der Stadt Wien die Forderungen anderer WTO-Mitglieder, "die Wasserversorgung, den Energiebereich, die Abfallentsorgung, Teilbereiche des Transports, Umweltschutzleistungen und Postdienste zu liberalisieren", ab.

 

Wir lehnen dies vor allem deshalb ab - das sage ich gerne dazu -, weil ich mir nicht vorstellen kann, von anderen etwas zu fordern, was ich für mich selbst ablehne. Also es wäre unlauter zu sagen: He, ihr Schweizer, liberalisiert eure Wasserversorgung, euer Wasserwesen!, aber wir Österreicher machen das nicht. Ich hoffe, dass insgesamt gesehen von Ihnen allen dieser Anspruch gewahrt bleibt, dass man sozusagen nur etwas fordern kann, was man auch selbst zu geben bereit wäre.

 

Selbiges gilt aber auch - und da kommt der nächste große Konfliktpunkt auf uns zu - für die bislang bekannt gewordenen Forderungen der USA. Die USA würde nämlich gerne im Zuge des GATS-Abkommens den Bildungsbereich und den Gesundheitsbereich liberalisieren. Stellen wir uns einmal vor, was das bedeutet! Ich rede jetzt nicht von Liberalisierungs- und Deregulierungsschritten, wie sie möglicherweise im Zuge von selbstverwalteten Projekten spannend wären, im Zuge von selbstbestimmten kleineren vernetzten Zugangsformen, von Projekten wie Alternativschulmodellen, die es jetzt schon gibt, von Projekten im Kindergartenbereich, von denen immer wieder innovative Ideen ausgehen, sondern Liberalisierung und Deregulierung im Sinne dessen, was sich die USA wünscht, im Sinne dessen, was in den USA praktiziert wird, im Sinne dessen, was in den USA dazu führt, dass ein Großteil der Menschen in den USA keine Chance auf einen freien Zugang zur Bildung und keine Chance auf einen freien Zugang zur Gesundheit hat.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das lehnen wir ab. Da wünschen wir uns - und da hoffen wir, dass das die gemeinsame Position der Stadt Wien ist -, dass wir einen Bildungsbereich und einen Gesundheitsbereich haben, der durch die öffentliche Hand maßgeblich finanziert und betrieben wird. Nur so können wir verhindern, dass es eine Zweiklassengesellschaft gibt, nur so können wir verhindern, dass Sozialabbau betrieben wird, denn für uns stehen nach wie vor die soziale Sicherheit, die Sicherheit im Bildungsbereich und die Sicherheit im Gesundheitsbereich im Vordergrund. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

In dem Sinn ist es daher wichtig, dass die Gemeinde Wien versucht, durch ihre Vertreter eine breite Öffentlichkeit auf diese GATS-Verhandlungen aufmerksam zu machen. Vor allem wäre es wichtig, dass einmal die Bundesregierung eine breite Öffentlichkeit informiert und nicht hinter verschlossenen Türen auf dem Rücken der Menschen diese Verhandlungen führt. Gleichzeitig ist es natürlich ganz, ganz wichtig, dass die Stadt Wien versucht, den Einfluss, den sie wahrnehmen kann - ich gebe zu, dieser wird beschränkt sein -, in der innerösterreichischen Positionsfindung zum GATS-Abkommen wahrzunehmen.

 

In diesen Bereichen sollten unseres Erachtens nach folgende Punkte Berücksichtigung finden:

 

Erstens. Die Entscheidung darüber, welche Bereiche, welche Aufgaben hoheitlicher Natur sind beziehungsweise nationale kommunale Dienstversorgungs- und Versicherungsleistungen darstellen, können auf supranationaler Ebene in Form eines Mindestkatalogs festgelegt werden. Im Sinne des Subsidiaritätsprinzips sind diese jedoch durch die jeweiligen nachgereihten politischen Ebenen erweiterbar.

 

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