Gemeinderat,
21. Sitzung vom 27.11.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 6 von 122
in einer Tageszeitung unter dem Titel "Das muss die
künftige Regierung anpacken" auch das Thema Arbeitsmarkt angesprochen
worden, und ich sage, voll mit Recht, denn 213 500 Menschen, die Arbeit
suchen, ist weder eine vernachlässigbare Größe noch ein Schönheitsfehler in
irgendeiner Bilanz. Es ist ein persönlich-menschliches Problem der Betroffenen
und ihrer Familien, aber es ist auch eine gesellschaftliche Herausforderung
erster Ordnung. Arbeitslosigkeit ist genau genommen in jedem Alter für die
Betroffenen in der Regel demütigend und belastend und in vielen Fällen auch existenzgefährdend.
Aber man kann nicht oft genug unterstreichen, welche persönliche und gesellschaftliche
Dramatik sich hinter der Jugendarbeitslosigkeit verbirgt und dass es heute noch
immer die Bedrohung mit Arbeitslosigkeit für Frauen in einem höheren Maße gibt
als für Männer.
Niemand, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann
uns vorwerfen, wir hätten diese Fragen nicht früh genug oder nur halbherzig,
nicht energisch genug angegangen. Bereits im November des Jahres 2001 - ich
erspare mir jetzt Hinweise auf anders geartete Kommentierungen zum damaligen
Zeitpunkt - haben wir sowohl im Rahmen des Budgets, als auch im Rahmen des Wiener
ArbeitnehmerInnen-Förderungsfonds im Arbeitsprogramm entscheidende Maßnahmen
gesetzt, gerade zu diesen beiden Themen Jugendarbeitslosigkeit, Ausbildung und
Qualifikation für junge Menschen und mehr Chancen für Frauen, und wir haben
dafür 7 Millionen EUR eingesetzt.
Wir haben im Mai dieses Jahres ein weiteres Paket
hier realisiert, wir haben vor dem Sommer gemeinsam mit den Wiener
Sozialpartnern ein Konzept entwickelt, das darauf ausgerichtet ist - neben dem,
was im Rahmen des Arbeitsmarktservice zu leisten ist -, dass Qualifikationsmöglichkeiten
für junge Menschen geschaffen werden, abgestimmt auf eine Unternehmensstruktur
der Klein- und Mittelbetriebe, wo unter Umständen der einzelne Betrieb nicht in
der Lage ist, nicht die Möglichkeiten hat, Lehrlinge auszubilden. Es sind das
die Lehrausbildungsverbünde, es ist das die Ausbildung und Fortbildung von
Lehrausbildern, und wir haben dafür einen Betrag von 5 Millionen EUR
eingesetzt. Wir können damit sicherstellen, dass wir auf diesem Weg 400 Lehrstellen
schaffen. Und wir haben durch die Beteiligung am Jugendausbildungssicherungsgesetz,
das ebenfalls von der Stadt Wien mitfinanziert worden ist, die Ausbildungsmöglichkeit
zunächst für 1 154 Jugendliche geschaffen.
Und wir haben vor wenigen Tagen auch ein gemeinsames
Programm, ein zusätzliches Programm mit dem Wiener
ArbeitnehmerInnen-Förderungsfonds vorgestellt und dafür 1 Million EUR
eingesetzt, das sich mit der besonderen Situation der atypisch Beschäftigten,
von Teilzeitbeschäftigten, die das nicht freiwillig wollen, und mit vielen
anderen Bereichen beschäftigt. Ich füge hinzu, das ist vor allem ein Problem
der Frauen, und daher sind diese Maßnahmen auch darauf ausgerichtet, es in diesem
Bereich zu einer Verbesserung zu bringen.
Nun kann man sagen: Schön und gut, aber was nutzt
das? Müssen wir nicht trotzdem resignieren, weil alles quasi international
diktiert wird?
Wir können feststellen und das durch die
Arbeitslosenzahlen belegen, dass wir in Wien - in Teilbereichen, füge ich
hinzu, und das soll jetzt keine Verharmlosung oder Schönfärberei sein - doch
Fortschritte und Verbesserungen erreicht haben. Während die Arbeitslosenzahlen
in Gesamtösterreich weiter ansteigen, gehen sie seit Ende August in Wien
zurück, im September um 1,4 Prozent, im Oktober um 1,2 Prozent, und
gegenüber dem Jahresvergleich 2001 hat Wien den drittniedrigsten Anstieg.
Zweitens: Auch die Frauenarbeitslosigkeit sank seit
Ende August in Wien im September um 4,4 Prozent, im Oktober um
3,3 Prozent, während sie in Gesamtösterreich noch steigt.
Drittens: Die Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit
in der Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen ist in Wien deutlich moderater als
in Gesamtösterreich. Seit Ende Mai sind die Arbeitslosenzahlen bis Ende
September gegenüber dem Vorjahresmonat, also im Jahresvergleich, um
7,2 Prozent, um 13,3 Prozent, um 11,4 Prozent und um
10,1 Prozent zurückgegangen. Lediglich im Oktober hat es jetzt einen
geringfügigen Anstieg gegeben. Im Vergleich dazu: In ganz Österreich sind die
Zahlen um 6,9 Prozent, um 0,9 Prozent, um 6,1 Prozent, um
5,8 Prozent und um 8,6 Prozent angestiegen. Also, die Jugendarbeitslosigkeit
wurde nicht bagatellisiert, es gibt eine deutlich günstigere Entwicklung in
Wien, während sie im österreichischen Durchschnitt eigentlich konsequent ohne
Veränderung ansteigt.
Ich erwarte mir von der neuen Bundesregierung eine
Kooperation. Ich glaube, das ist nicht zu viel verlangt, denn die Probleme sind
zu groß, als dass sie eine einzelne Gebietskörperschaft lösen könnte. Das gilt
insbesondere auf diesem Gebiet, etwa in der Frage der Schaffung von rechtlichen
Grundlagen für die Lehrlingsausbildung. Ich denke, dass das nur eine von vielen
Maßnahmen ist, die man gemeinsam viel effizienter angehen kann.
Ich möchte zum Schluss kommen. 2003 ist möglicherweise,
ohne dass ich es jetzt dramatisieren will, ein Schicksalsjahr für die
österreichische Wirtschaft und für die österreichische Beschäftigungssituation.
Wir versuchen in unserem Voranschlag, als Bundesland und als Bundeshauptstadt
vorzusorgen. Die politische Botschaft, die mit diesem Budget verbunden ist, ist
die, dass es nicht Sinn gibt, vor einer Entwicklung, die man erkennen kann, zu
resignieren, sondern dass es möglich ist, offensiv und aktiv Maßnahmen zu
setzen. Ich denke, dass es wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass wir das nicht
tun auf Kosten und zu Lasten anderer gesellschaftlicher Anliegen, also nicht
auf Kosten des sozialen Bereichs oder des Gesundheitsbereichs. Es gibt im
Voranschlag 2003 keinen Sozialabbau, keine Einschnitte im Gesundheitsbereich,
keine Kürzungen in anderen wichtigen Bereichen.
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