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Gemeinderat, 22. Sitzung vom 12.12.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 16 von 93

 

sollten, dann werden wir selbstverständlich auch in Erwägung ziehen, dass man zusätzlich Wohnungen anmietet. Ich sage jedoch dazu, das wird betreutes Wohnen sein müssen, weil wir sonst Probleme bekommen werden, und das wollen wir alle miteinander nicht, sondern wir wollen gute Lösungen, damit alle zufrieden sind.

 

Vorsitzende GRin Josefa Tomsik: Die dritte Zusatzfrage stellt Herr GR Römer. Ich erteile ihm das Wort.

 

GR Johann Römer (Klub der Wiener Freiheitlichen): Herr Bürgermeister!

 

Es ist nicht nur das Problem, dass die Obdachlosen keine Wohnung bekommen, sondern eines der Probleme ist natürlich auch, dass sie zum Großteil nicht über die Geldmittel verfügen, um sich eine entsprechende Wohnung leisten zu können.

 

Daher die Frage, ohne jetzt vielleicht missverstanden zu werden, ohne dass ich nach unten nivellieren will: Wäre es nicht auch eine Möglichkeit, in der Erhaltung, im Kauf et cetera nicht zu teure Gebäude anzukaufen, wo man zumindest in der ersten Phase diesen Betroffenen billige Wohnungen - ich denke jetzt an Häuser, die vielleicht in einigen Jahren abgerissen werden - zur Verfügung stellen kann, um ihnen damit wieder den ersten Schritt in das Wohnenkönnen zu vermitteln?

 

Vorsitzende GRin Josefa Tomsik: Herr Bürgermeister, bitte.

 

Bgm Dr Michael Häupl: Herr Gemeinderat!

 

Hier gilt dasselbe, was ich vorhin zu Herrn GR Fuchs gesagt habe, denn es geht zur Stunde überhaupt nicht darum, ob man präsumtive Abbruchhäuser ankauft und sie dann herrichtet. Warum man dann später abbrechen sollte, weiß ich nicht genau. Wie gesagt, ich kann die ökonomische Rationalität darin nicht erkennen. Es geht zur Stunde auch überhaupt nicht darum, funktionsfähige Wohnungen bei Gemeinnützigen anzubieten, sondern wir haben durchaus reale Möglichkeiten im ausreichenden Ausmaß, um jenen, die sich helfen lassen wollen - das muss man auch dazusagen -, tatsächlich zu helfen, und zwar nicht dadurch, dass man sagt - wie Sie meinen -: "Da hast du einen Schlüssel und dort hast du jetzt die Gemeindewohnung.", sondern dass wir tatsächlich weit darüber hinausgehend helfen, nämlich in Form der "sozialen Schiene" des betreuten Wohnens.

 

Diese Leute brauchen natürlich Hilfe. Das ist gar keine Frage. Sie sich selbst zu überlassen, ist keine einfache Sache. Genau das tun wir auch nicht. Das ist der Punkt, von dem ich meine, dass er richtig ist.

 

Auch da kann man nur sagen, so wie ich zu Herrn GR Fuchs sagte, wenn wir Wohnungen brauchen sollten, werden wir sie anmieten, wenn wir Wohnungen brauchen sollten, werden wir auch in diese Richtung hin überlegen, aber ich sage dazu, diesseits der Grenze der ökonomischen Rationalität. Abbruchhäuser anzukaufen, diese dann herzurichten, damit man darin wohnen kann und sie nachher wieder abzureißen, scheint mir extrem unsinnig zu sein. Aber das haben Sie sicher nicht gemeint.

 

Vorsitzende GRin Josefa Tomsik: Die vierte Zusatzfrage stellt Frau GRin Jerusalem. - Bitte.

 

GRin Susanne Jerusalem (Grüner Klub im Rathaus): Herr Bürgermeister!

 

Die Gemeinde Wien delogiert derzeit jährlich zirka 3 000 Menschen aus Gemeindewohnungen, den größten Teil davon, wenn sie Mietrückzahlungen haben. Würde man von Seiten der Gemeinde bei den Mietrückzahlungen ein bisschen helfen, würde man sich viele Delogierungen ersparen, was sozial gerechter, menschlicher, aber auch für die Stadt Wien sehr viel kostengünstiger wäre. Man tut es nur nicht. Man delogiert auch Familien mit Kindern und Jugendlichen, die überhaupt nichts dafür können, dass ihre Eltern Mieten nicht bezahlt haben.

 

Ist Ihnen als Bürgermeister bekannt und stößt es auf Ihre Zustimmung, dass man auch Familien mit Kindern aus Gemeindewohnungen delogiert?

 

Vorsitzende GRin Josefa Tomsik: Herr Bürgermeister, bitte.

 

Bgm Dr Michael Häupl: Frau Gemeinderätin!

 

Die Stadt Wien delogiert ja nicht aus Jux und Tollerei oder weil wir einem kapitalistischen Verwertungsprozess oder Verwertungsdruck bei Gemeindewohnungen unterliegen würden. Die Hilfsmassnahmen, dass es nicht zu Delogierungen kommt, sind schließlich an der Sonderzahl. Die Delogierung ist das Ende eines sehr langen Weges. Und selbst da gibt es eine Übereinstimmung mit dem zuständigen Stadtrat, dass man gerade in der Kälteperiode, sprich im Winter, Delogierungen von Familien mit Kindern aussetzt.

 

Aber ich bitte Sie, hier doch nicht den Eindruck zu erwecken, dass sich die Stadt Wien gerade im Gemeindewohnungsbereich wie jemand benimmt, der einem Verwertungsdruck seines Eigentums, des Wohnhauses, ausgesetzt wird, und dass wir aus schnöder Gewinnabsicht oder um dem Mammon nachzulaufen, arme Kinder auf die Straße setzen! Das ist ein Bild, geschätzte Frau Gemeinderätin, das der Realität nicht entspricht, Ihrer Wahrnehmung vielleicht, aber über Ihre selektiven Wahrnehmungen haben wir uns schon des Öfteren unterhalten, der Wahrnehmung der Stadt und dessen, was sich in der Stadt real abspielt, jedoch ganz sicher nicht!

 

Seien Sie versichert, dass wir die soziale Verantwortung gerade auch des Gemeindebaus, wenn man das so sagen kann, absolut wahrnehmen, aber auf der anderen Seite natürlich Wohnraum nicht kostenlos zur Verfügung stellen können. Wie kommen jene 220 000 Mieter von Gemeindewohnungen, die ihre Mieten in den Gemeindewohnungen ordentlich bezahlen, dazu, dass andere dann einfach sagen, sie zahlen nicht. Das bin ich nicht bereit zu akzeptieren! Wenn all die Hilfen im Vorfeld von Delogierungen nicht greifen, werden dann auch andere Hilfen entsprechend angeboten, dass man sich überlegt, was man tun kann. Es werden die Leute nicht einfach auf die Straße geschmissen, sondern selbstverständlich hilft auch das Sozialamt mit, was man sonst noch tun kann. Das ist die wirkliche Wirklichkeit!

 

Ich bitte Sie inständig zur Kenntnis zu nehmen, dass hier durchaus Leute sitzen, die ein soziales Gewissen, eine soziale Verantwortung und ein soziales Herz haben und sich dessen auch annehmen! (Beifall bei der SPÖ.)

 

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