«  1  »

 

Gemeinderat, 23. Sitzung vom 17.01.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 5 von 32

 

ambulanten Dienste gemeinsam mit privaten Wohlfahrtsorganisationen auf- und weiter ausgebaut. Die Entstehung der vertraglichen Kooperation zwischen der Stadt Wien und einer Reihe von privaten Wohlfahrtsorganisationen geht auf die Jahre 1975/76 zurück.

 

Interessant bei diesem historischen Rückblick ist auch die Entwicklung der Anzahl der betreuten SeniorInnen: 1975 etwa 3 690, bereits 1980 waren es 12 470, 1985  16 700 Betreute, und 1990, als die MA 47 gegründet wurde, waren es schon 18 350. Der Anteil der Höchstaltrigen ging in den Neunzigerjahren durch Nachrücken der schwächeren Geburtsjahrgänge im und nach dem Ersten Weltkrieg deutlich zurück, obwohl seit den Siebzigerjahren die Lebenserwartung unserer Bevölkerung deutlich angestiegen ist.

 

Es ist für mich eine gesellschaftspolitische Notwendigkeit, für die Versorgung und Betreuung älterer MitbürgerInnen nicht deren Kinder in die Zahlungspflicht zu nehmen. Außer Wien verzichtet nur das Bundesland Salzburg auf die Bezahlung durch die Nachkommen. Meine Damen und Herren, ich verstehe die sieben anderen Bundesländer nicht. Denn die nächste Generation darf sich nicht aus Gründen der eigenen Existenzabsicherung den Tod der Eltern wünschen. Es ist pervers, wenn man die steuerzahlende Generation doppelt zahlen lässt: per Steuerleistung für alle - auch für diejenigen, die keine Nachkommen haben -, und individualisiert für die Eltern und Großeltern. Eine Wiedereinführung des Regresses wird die SPÖ weder vorschlagen, noch wird sie ihr zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Das in den Neunzigerjahren eingeführte Pflegegeld sollte professionelle Hilfe ermöglichen und pflegende Angehörige finanziell und sozialrechtlich absichern. Um diese gewünschte Leistung sicherzustellen, sollte statt kompletter Geldleistung auch an die Einführung eines Pflegeschecks gedacht werden. Sosehr wir gegen den Regress bei Nachkommen sind, ist doch das Pflegegeld zur Verwendung für den Pflegebedürftigen gedacht, aber nicht für die Hebung des Lebensstandards anderer Menschen. Wir sehen ja, dass nur ungefähr ein Viertel des ausgezahlten Pflegegeldes in die professionelle Hilfe geht.

 

Die Zahl der Betreuten durch die Heimhilfe im Jahr 2002 betrug rund 19 000. Das waren etwa so viele wie vor zehn Jahren. Bis zum Jahr 2010 wird die Zahl der Menschen, die älter als 75 sind, in Wien nicht wesentlich zunehmen. Wesentliche quantitative Änderungen wird es daher in den nächsten Jahren nicht geben. Aber wir sehen auf medizinischer Seite immer mehr und mehr, dass die Zahl der Pflegebedürftigen mit Demenzen und Alzheimer-Erkrankung massiv zunimmt, daher wird die Intensität der Pflege und Betreuung im Einzelfall eher zunehmen.

 

Demographen sagen ab dem Jahr 2010 einen bedeutenden Anstieg der hochaltrigen Bevölkerung voraus. Nach Berechnungen werden im Jahre 2010 etwa 180 000 Personen über 70 Jahre alt sein, ab 2020 bereits 236 000, und diese Menschengruppe wird bis zum Jahr 2040 auf 356 000 anwachsen.

 

Innerhalb der nächsten zehn Jahre verschiebt sich das Verhältnis zwischen erwerbsfähiger und -tätiger Generation und den älteren, nicht Erwerbstätigen dramatisch. Die so genannte Altersüberlastungsquote von derzeit 330 steigt bis zum Jahre 2035 auf 634. Die Nachkriegsgeneration der heute 55- bis 60-Jährigen nähert sich der Pension, nur wenige Junge rücken nach. Ab 2015 verringert sich die Zahl derjenigen im beschäftigungsfähigen Alter, dem Land werden auch Arbeitskräfte fehlen.

 

Ältere und sehr alte Menschen werden immer mehr in Einpersonenhaushalten leben. Einsamkeit und eingeschränkte Kommunikationsmöglichkeiten werden zum Problem. Die Förderung sozialer Kontakte, von Prävention und Gesundheitsförderung für betagte Menschen ist ein Maßnahmenbereich, den wir forcieren. Wer nicht vereinsamt, wird weniger schnell krank und weniger schnell pflegebedürftig. Eine gute Mobilität ist insbesondere für ältere Menschen von grundlegender Wichtigkeit. Deshalb hat die Stadt Wien unter der Schwerpunktsetzung "Bewegung findet Stadt" der Zielgruppe der SeniorInnen besonderes Augenmerk gewidmet. Stadtplanung, Wohnbau- und Verkehrspolitik tragen dazu bei, die notwendigen Einrichtungen des täglichen Lebens für ältere Menschen erreichbar und zugänglich zu machen. Seniorinnen und Senioren stellen die Hälfte der Unfalltoten. 90 Prozent der Unfallursachen sind Stürze, meistens zu Hause. Daher beschäftigt sich die Gesundheitsplanung mit entsprechenden Maßnahmen und Projekten, die der Prophylaxe dieser Unfälle dienen.

 

Alles, was der Gesundheitserhaltung dient und Krankenhausaufenthalte vermeidet, zögert die Pflegebedürftigkeit hinaus. Wir kennen sehr gut den Zustand derjenigen, die in die Spitäler müssen: Auf diesen Ortswechsel und diesen gesundheitlichen Einbruch reagieren ältere Menschen sehr sensibel. Leider führt dieser Zustand sehr häufig zu einer enormen Abhängigkeit und Pflegebedürftigkeit.

 

Ich wende mich bewusst an Sie mit der Bitte um eine weitere Zusammenarbeit aller hier vertretenen Parteien über alle ideologischen Grenzen hinweg. Es muss unser gemeinsames Ziel sein und bleiben, diesen auch von der Andersen-Studie positiv beurteilten Weg der Betreuung unserer alten Menschen mit dieser vorhandenen Kompetenz und diesen Ideen weiterzuverfolgen. Kompetenz heißt hier, das Leistungsangebot und die Struktur der Versorgung dieser Stadt optimal einzusetzen.

 

Die MA 47 teilt sich mit der MA 12 den Vollzug des Wiener Sozialhilfegesetzes. Die MA 12 ist für die Leistungen im Rahmen der offenen Sozialhilfe zuständig, und die MA 47 sorgt für entsprechende Leistungen im Rahmen der Pflege. Soziale Dienste für den Personenkreis der älteren Menschen werden ebenfalls von der MA 47 im Sinne einer freiwilligen Leistung nach § 22 des Wiener Sozialhilfegesetzes erbracht. Eine der wesentlichsten Aufgaben der MA 47 ist die Sicherstellung der ambulanten Pflege- und Betreuungsleistungen, die entsprechend dem Wiener Sozialhilfegesetz auf zwei organisatorischen Ebenen erfolgt.

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular