Gemeinderat,
29. Sitzung vom 23.06.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 48 von 122
durch
kleine Veränderungen wiederum verwendet werden kann. Bei der
Verfahrenstechnologie setzt man ein Werk in die Welt, das dann irgendwo steht,
und das kann nicht so schnell von jemand anderem als Eigentum beansprucht
werden. Das ist eben eine ganz andere Geschichte. Hier fließt massiv Geld, hier
sind auch massiv Arbeitsplätze vorhanden. Das ist der Grund, warum in dem
Bereich der Universität für Bodenkultur als Nukleus ein Biotechnologiecluster
für die Verfahrenstechnologie eine so besondere Chance hat.
Wir haben noch ein drittes Standbein, das nicht jede Stadt in dieser
Welt, die sich mit der Biotechnologie beschäftigt, hat. Wir haben nämlich das
AKH, das mit all seinen Ressourcen, wieder zum Teil materieller Art, aber auch
zum Teil ideeller Art, im Stande ist, die klinische Erprobung von diesen Dingen
durchzuführen, die a) im VPC erfunden, b) im Biocluster Heiligenstadt - sollte
er einmal sein - verfahrenstechnisch ausgebildet und c) in dem Bereich der
klinischen Erprobung tatsächlich umgesetzt werden. Diese drei Standbeine machen
die Chance Wiens für eine wirkliche globale Bioregion aus.
Jetzt möchte ich sagen, warum gerade dieser Biocluster Heiligenstadt so
notwendig und so sinnvoll ist:
Erstens - ich sage es noch einmal - ist die BoKu dort ein Nukleus. Das
ist wichtig. Technologietransfer, Ausgründungen, die Professoren sind in der
Nähe der Produktionsstätten, die Studenten detto. Hier ist ein reger Austausch
vor Ort möglich.
Zweitens sind alle Verkehrsverbindungen, die notwendig sind, vorhanden.
Schöner geht es nicht mehr. Nur ein Hubschrauberlandeplatz fehlt noch, aber den
werden wir auch noch hinbekommen. Alles andere, was den Namen "Bahn"
trägt, ist da, von Autobahn über S-Bahn und U-Bahn bis zu Eisenbahn ist dort
vorhanden.
Der Platz ist da, denn es sind in Summe ungefähr
20 000 Quadratmeter, die umgesetzt werden können, nämlich der alte
Frachtenbahnhof Heiligenstadt.
Und es sind vor allem die personellen Ressourcen vorhanden, sowohl vom
Skill her, wohnen die in Döbling und in der Brigittenau, die beide gleich weit
davon entfernt sind. Sowohl von den Universitätsprofessoren begonnen bis zu
Hilfsarbeitern ist die ganze personelle Notwendigkeit, die gegeben ist, hier
vorhanden und das Angebot da. Sie wissen ganz genau, dass der Nordwesten Wiens
von Arbeitsplätzen immer mehr entblößt worden ist, sie sind dort rar. Allein
Döbling hat 22 000 Auspendler. Jeden Tag stehlen wir diesen Menschen,
indem wir ihnen nicht Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, Lebenszeit. Wir
machen uns alle kommunalen Probleme durch Verkehrsprobleme. Wir machen uns
wirtschaftliche Probleme, indem die Kaufkraft exportiert wird und dergleichen
mehr. Heiligenstadt ist ein hervorragender Standort und wird hoffentlich sehr
bald in dieser Art und Weise als solcher von unserer Stadtregierung erkannt
werden, wobei das an sich lustigerweise schon geschehen ist. In der
Regierungserklärung des Herrn Bürgermeisters steht es schon drinnen. Dort
steht: "In der Muthgasse wird ein zweiter Biostandort gemacht
werden."
Zwei Jahre sind vergangen und nichts, aber wirklich nichts, ist seitens
des Finanzressorts geschehen, damit da etwas weitergeht. Es gibt ein paar
Ausreden dazu: Die ÖBB gäben die Gründe nicht her, mit der BoKu müsse man erst
reden und alle diese Dinge mehr. Bitte, wie lange wollen wir noch warten, bis
wir in dieser Art und Weise tätig werden? Ich frage Sie: Was fehlt? - Das ist
ganz leicht zu sagen: Es fehlt der politische Wille, das voranzutreiben. Es
fehlt noch etwas, es fehlt die Dynamik des wirtschaftlichen Drucks. Auch das
ist erforderlich. (Beifall bei der ÖVP.)
Beides kann durch Gründung einer Entwicklungs- beziehungsweise
Betreibergesellschaft gelöst werden, wobei hier sinnvoller Weise, um die
wirtschaftliche Dynamik tatsächlich voranzutreiben, mehrheitlich eine private
Beteiligung sein soll. Der Anstoß dazu muss aber jetzt endlich einmal durch die
Stadtregierung kommen, denn wir als Wiener haben das höchste Interesse, dass in
dieser Weise etwas weitergeht, dass nicht nur die Grundlagenforschung gemacht
wird, sondern endlich die geldbringende Verfahrenstechnologie zur Anwendung
kommen kann. Dazu brauchen wir nicht einmal Geld in die Hand zu nehmen, oder
nur ganz wenig. Das ist das, was mich besonders ärgert, dass es eigentlich nur
des Wollens bedarf, dass man hier etwas in die Tat umsetzt.
"Was soll man tun?", hat mich die Frau StRin Ederer gefragt. -
Ganz einfach: Setzen Sie sich doch einmal mit all den Interessenten in diesem
Bereich an einen Tisch und fordern Sie sie auf, gemeinsam eine Idee zu
verwirklichen und Geld auf den Tisch zu legen, damit eine Betreiber- und
Errichtungsgesellschaft im ersten Jahr finanziert werden kann. Das sind keine
großen Beträge, um die es geht. Es gibt genug Interessenten. Es gibt die ÖBB,
die ihr großes Grundstück ordentlich verkaufen wollen. Es gibt die BoKu, die
dieser Kern sein will, die diesen Technologietransfer haben will. Es gibt die
Mediaprint, die dort bereits vorsorglich ein Grundstück gekauft hat. Es gibt
dort private Grundstückseigentümer, die Interesse haben, diese Grundstücke, die
sie haben, zu entwickeln und teuer zu verkaufen. Es gibt schon Biofirmen vor
Ort, und zwar solche, die gewaltige Dinge machen. Es gibt Errichterfirmen und
Banken, die einerseits das bauen beziehungsweise anderenfalls finanzieren
wollen. Gründen Sie eine Errichter- und Betreibergesellschaft mit mehrheitlich
privater Beteiligung! Es geht nur darum, endlich etwas zu tun. Die Zeit drängt,
meine sehr geehrten Damen und Herren, und die Konkurrenz, weder in
Berlin-Brandenburg noch in München-Martinsried schläft.
Wien braucht Arbeitsplätze, und zwar vor allem auch im
Produktionsbereich. Wir können uns nicht nur auf den quartären Sektor verlassen,
wir müssen auch in der Produktion neue zukunftsträchtige und saubere
Arbeitsplätze schaffen. Es ist alles dazu da, man muss nur wollen.
So frage ich Sie, Herr Vizebürgermeister: Warum
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