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Gemeinderat, 40. Sitzung vom 03.03.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 28 von 78

 

freie Opernszene. Damit sind wir zumindest beim vierten Opernhaus in dieser Stadt. Wenn wir uns internationale Metropolen, mit denen wir uns so gerne vergleichen, ansehen, wie Paris, München oder Berlin, dann gibt es für diese Städte, die zum Teil zumindest doppelt oder dreimal so groß sind wie Wien nicht mehr als zwei Opernhäuser. Mir sind keine Studien zugänglich, die Publikumsanalysen machen und uns sagen würden, ob es tatsächlich in ausreichendem Maße Publikum für vier Opernhäuser in dieser Stadt gibt. Wenn wir mit den Direktoren der Häuser sprechen, dann bezweifeln die das auch. Wenn also jene Experten, die für uns die Ansprechpersonen sein müssen, schon skeptisch sind, ob es für vier Opernhäuser Publikum gibt, dann müssen bei uns Kulturpolitikern und Kulturpolitikerinnen die Alarmglocken schrillen.

 

Ein Punkt, den ich in dieser Diskussion für besonders relevant halte, ist, ob wir damit nicht in einem Bereich viel Geld investieren, in dem wir keine Defizite haben. Es wird niemand behaupten, dass wir in Wien ein Defizit im Opernbereich, im Musiktheaterbereich, in diesen klassischen Kunstsparten haben. Es könnte mehr zeitgenössische Oper geben. Es könnte mehr freie Produktionen geben. Es könnte mehr in diesem Feld investiert werden. Aber im klassischen Musiktheaterbereich haben wir keine Defizite. Das adjustiert uns jeder. Defizite haben wir allerdings in vielen anderen Bereichen, die sehr viel stärker am Puls der Zeit agieren.

 

Umso erstaunlicher finde ich es, dass eine sozialdemokratische Stadtregierung, die so gern von den Öffentlichkeiten, der Kritik, der Diskussion und den diskutiven Räumen spricht, Geld in die Hand nimmt, um gerade in diesem Bereich in besonderem Maße zu investieren. Ich glaube, dass das eine grundsätzlich falsche politische Schwerpunktsetzung ist. Deshalb lehnen wir sie auch ab. Ich gehe sogar weiter und werfe der sozialdemokratischen Stadtregierung vor, jedes Ziel und jeden Plan in ihrer Kulturpolitik mit dieser Entscheidung verloren zu haben.

 

Wir diskutieren gerade die Theaterreform im Bereich der freien Gruppen. Einstweilen habe ich den Eindruck, dass wir auf gutem Wege sind. Wir haben dort in vielen ernsthaften Diskussionen über jene Defizite gesprochen, die diese Stadt hat. Ich hatte in diesen Diskussionen immer den Eindruck, dass es dafür ein Verständnis gibt. Umso unverständlicher ist, dass es dann zu Entscheidungen wie bei der Neuordnung der Vereinigten Bühnen kommt, die mit dem Lösen von Problemen, mit dem Lösen von Defiziten, mit einem ernsthaften Auseinandersetzen für die Bedürfnisse, die es in dieser Stadt gibt, nicht mehr erklärbar sind.

 

Was die Kulturschaffenden in dieser Stadt zu Recht im Besonderen irritiert und beunruhigt, ist die Tatsache, dass es hier um viel Geld geht und offensichtlich dieser Gesamtbetrag von etwa 40 Millionen EUR, von denen hier die Rede ist, nicht ausschließlich aus Sonderfinanzierungen erbracht wird, sondern bereits jetzt der Finanzstadtrat dem Kulturstadtrat ausrichten lässt, dass er doch ein bisschen sparen soll, damit er ab 2007 ausreichend Geld für seine Pläne hat. Sehr geehrte Damen und Herren, das lässt meine Alarmglocken schrillen, denn für Umverteilung aus dem Bereich zeitgenössischen Schaffens zu Oper und Musical sind die GRÜNEN ganz sicher nicht zu haben!

 

Herr StR Mailath-Pokorny hat heute in der Fragestunde gesagt, wir brauchen mehr Räume für neues Musiktheater. Er hat damit auf die Pläne angesprochen, die Kathrin Zechner in den letzten Monaten, sagen wir einmal etwas oberflächlich, aber doch immer wieder zur Diskussion gestellt hat. Sehr geehrte Damen und Herren, auch hier möchte ich auf eine Diskussion verweisen, die wir im Rahmen der Theaterreform im freien Bereich führen, nämlich die Frage, welche Räume für neues Theater adäquat sind, für die darstellenden Künste, wie sie sich uns heute, 2004, darstellen. Sicher nicht die klassischen Buchkastenbühnen. Sicher nicht die kleinen engen Kellertheater. Sicher nicht das Ronacher in seiner bisherigen Form. Das wissen wir. Die Frage, die sich nur stellt, ist: Warum investieren wir 35, 40, 45 Millionen EUR in den Umbau des Ronacher? Warum überlegen wir nicht, wenn wir schon der Meinung sind, dass es einen Raum für neues Musiktheater und für Musical braucht, neu zu bauen?

 

Alle Beispiele in Österreich und auch in den Nachbarländern haben gezeigt, dass es um wesentlich weniger Geld als um die Umbaukosten des Ronacher möglich ist.

 

Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Herz hängt nicht sentimental am Ronacher. Es ist nicht nachvollziehbar, warum man nicht die bisherige Bespielung, die kostenneutral gemacht wurde, beibehalten kann und sich einen neuen Standort für das, was Frau Zechner sich wünscht, überlegen kann. Denn wenn wir so viel über Standortvorteile und Wirtschaftlichkeit sprechen, sehr geehrte Damen und Herren, dann müssen Sie mir erklären, wie sich das rechnen kann, einen teuren Umbau zu machen, der dann auch wieder nur eine halbe Lösung ist, wenn ein Neubau, der genau jenen Bedürfnissen entspricht, die heutzutage bestehen, billiger kommen würde.

 

Diese Studie würde ich gerne sehen, so wie ich auch gerne die Studie über die Machbarkeit der Neuordnung insgesamt sehen würde, und auch gerne die Studie über das Publikum, die Publikumswünsche und Publikumsbedürfnisse. Angeblich gibt es diese Studien seit Jahren. Ich habe noch nie eine dieser Studien gesehen und würde mich sehr freuen, wenn der Herr Stadtrat diese den Oppositionsparteien zur Verfügung stellen würde. Wohl nur auf dieser Basis lässt sich darüber diskutieren, ob diese 40 Millionen, so wie er meint, angemessen sind oder nicht.

 

Ich kann diese Entwicklungen, die ich persönlich für sehr problematisch halte, nur durch ein fehlendes Gespür für die wirklichen Notwendigkeiten in dieser Stadt erklären. Ich glaube auch, dass das die Erklärung für die herbe Kritik ist, die die Stadtregierung in den letzten Wochen einstecken musste. Ich stelle mir das als eine ziemliche Enttäuschung vor, nach einigermaßen positiver Berichterstattung im Herbst jetzt damit konfrontiert zu

 

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