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Gemeinderat, 40. Sitzung vom 03.03.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 71 von 78

 

gesagt, wir waren ja bei einer dieser Reisen gemeinsam, wo wir uns die internationalen Musicals angeschaut haben, wo du gesagt hast, wie grauslich und wie schlecht die waren. Ich gebe dir zum Großteil Recht. Ich sage, ich war mannhaft der einzige, der alle Musicals bis zum Ende durchgehalten hat, weil ich das einerseits meiner Funktion damals als Vorsitzender schuldig war, und anderseits habe ich mir gedacht, wenn ich schon dort bin, schaue ich mir das an. Was haben wir uns denn für Produktionen angeschaut? Das musst du schon dazu sagen. Wir haben uns die damals führenden Produktionen von Lloyd Webber und Rice angeschaut, also in Wirklichkeit das Beste vom Besten. Und mir ist nicht bekannt, dass irgendwelche großartige andere Dinge in der Zwischenzeit auf den Markt gekommen sind.

 

Und da halte ich es doch für gerechtfertigt, dass der Vertreter des Wiener Steuerzahlers sagt: Wenn ich ein Haus umbaue, und das haben Sie ja gar nicht abgestritten, das im Prinzip eine Nutzung zu 80, 90 Prozent für Musical erfordert, dann werde ich doch fragen können, ist das ein Investment, das sich langfristig sinnvoll rechnet? Wo sind die Marktstudien, die beweisen, dass Wien auch in Zukunft ein zweites Musicalhaus braucht? Sie stellen das immer so hin, wie wenn das so wäre. Das ist auch das, was ich so mit der erzreaktionären Kulturpolitik meine. Sie stellen das so hin: Weil das so gewesen ist in den letzten 30 Jahren muss es in den nächsten 30 Jahren auch so sein. Sie verschließen sich damit vollkommen neuen Entwicklungen, die es geben kann.

 

Das war ja das Geniale am Coop Himmelb(l)au-Modell, dass es ein multifunktionales Konzept war. Was machen wir jetzt? Das können Sie nicht abstreiten. Wir machen eine eindimensionale Festbetonierung von 35 bis 40 Millionen EUR und subventionieren das sicherheitshalber dann auch noch. Und wenn kein Markt mehr da ist, da bin ich mir sicher, werden wir auch noch den letzten Zuschauer dafür subventionieren, dass er dort hineingeht. Das tun wir in anderen Bereichen auch, aber in den anderen Bereichen macht es wenigstens pädagogisch mehr Sinn. Das ist Ihre Kulturpolitik! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Sie haben gesagt, es gibt keine alternativen Standortbeurteilungen. Okay. Da frage ich mich eigentlich, wo der Planungsstadtrat ist in der Stadt? Weil gerade, wenn man ein Investment in dieser Größenordnung macht, dann muss ich doch ernsthaft darüber nachdenken: Wäre das nicht eine Chance, einen neuen Stadtteil zu beleben?

 

Ich bin Mandatar des 21. Bezirks, deswegen habe ich hier den 21. und 22. Bezirk angeführt. Ich bin aber auch Innenstadtbewohner, ich wohne in der Innenstadt. Also eines kann ich Ihnen sehr deutlich sagen: Planungspolitisch, kulturpolitisch würde es wesentlich mehr Sinn machen, ein neues Gebäude, ein Landmark, etwas architektonisch Wertvolles jenseits der Donau anzusiedeln als in der Innenstadt, wo es wirklich genug Kulturangebot gibt.

 

Das Ronacher – das sage ich Ihnen auch ganz ehrlich, ich sage Ihnen die Lösung für das Ronacher – bitte so lassen wie es ist, für Gastproduktionen, für Firmenproduktionen, für Galas und so weiter. Das trägt sich selbst. Das hat uns der Herr Klausnitzer glaubhaft damals versprochen.

 

Sie rühmen sich damit, dass Sie Vorschläge mit der sozialistischen Alleinregierung umgesetzt haben. Ich habe damals ausdrücklich begrüßt, dass das Theater an der Wien wieder der Opernbespielung zugänglich wird. Das ist der Punkt. Das, was ich damals nicht gewusst habe, ist, in welchem Ausmaß, und das habe ich dort auch konkret gesagt. Es wird davon abhängen, wie das der Fall ist und welches Geld das kosten wird. Zu dem damaligen Zeitpunkt war doch keine Rede davon, dass Sie 35 bis 40 Millionen EUR in einen Schnürboden investieren, und das ist der Grund, warum wir heute unsere Dringliche Anfrage einbringen. Das ist der Punkt.

 

Der Umbau zum Beispiel des Theaters an der Wien, der in der ÖVP-Zeit stattgefunden hat und der aus Eigenmitteln der Vereinigten Bühnen durch Rücklagenauflösung finanziert wurde, hat 138 Millionen S gekostet. Aus Eigenmitteln der Vereinigten Bühnen getragen. Das ist halt der Unterschied zwischen Ihrer Politik und unserer Politik, und das wollen Sie nicht wahrhaben. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Weil ich jetzt beide Herren, was mich ja sehr ehrt, den Herrn Vizebürgermeister und den Herrn Kulturstadtrat, beide vor mir habe: Sie haben mir gesagt, diese Gelder werden ausschließlich nicht aus dem Kulturbudget kommen. Dann frage ich Sie aber schon: Warum hat Ihnen der Herr StR Rieder zweimal ausrichten lassen, einmal via "NEWS", wie Sie das erste Mal mit den Ideen zum Theater an der Wien gekommen sind, wo ich Ihnen schon gesagt habe, lieber Kollege Mailath-Pokorny, das wird sich finanziell nicht ausgehen. Dann hat es hier einen Umdenk-, Umstimmungsprozess oder was auch immer gegeben. Aber das Erste, was der StR Rieder gleich wieder gesagt hat zur Neuentscheidung mit den 30 bis 35 Millionen EUR, war, wenn man es auf wienerisch sagen kann, warm anziehen im Kulturbudget und schon jetzt daran denken: Sparen, sparen, sparen. Das kommt ja nicht von irgendwo her. Na, woher glauben Sie denn? Budgetumschichtung. Woher wird denn dann das zusätzliche Betriebsbudget für die Finanzierung von Musicals kommen? Nun, einmal dürfen wir raten. Das wird Ihnen sicher auf Dauer nicht der Herr Finanzstadtrat geben, weil dann wäre er ein schlechter Finanzstadtrat, wenn er das täte. Er wird höflich zu Ihnen sagen: Super, du hast eh so ein großes Budget, tu halt ein bisschen umschichten. Und was wird passieren? Sie werden es den Mittleren und den Kleinen wegnehmen und den Großen geben. (VBgm Dr Sepp Rieder: Das sind Ihre Sorgen!) Das sind nicht unsere Sorgen. Herr Stadtrat, das sind nicht unsere Sorgen. Das sind die Sorgen der Kulturschaffenden. Es gibt ja einen Grund, warum es diese Debatte gibt. Das ist ja nicht so, dass die Opposition das erfunden hat, dass alle Journalisten bestochen sind oder Ihnen gegenüber so kritisch sind, sondern jeder denkende Mensch in dieser Stadt, wirtschaftpolitisch und kulturpolitisch, fragt sich: Was soll das? Was ist

 

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